EN

Asiens Jugend ruft nach mehr Freiheit

Proteste in Hongkong und Bangkok, Erfolge bei Wahlen. Asiens Jugend ist progressiv und wird immer politischer. Das bekommt nun auch ein westlicher Konzern zu spüren.
Thailand Demos
In Thailand demonstrieren vor allem Jugendliche für mehr Freiheit © picture alliance / ZUMAPRESS.com | Chaiwat Subprasom

Es war die größte Protestaktion in Thailand seit dem Putsch 2014: Schätzungsweise bis zu 50.000 Menschen demonstrierten am vergangenen Wochenende im Herzen Bangkoks für ihre Grundrechte. Die Stimmung war ausgelassen: Raver tanzten zu Technomusik, Countrybands spielten Gassenhauer und der Geruch von Grillfleisch schwebte über den Köpfen.

Trotz der lockeren Atmosphäre: Die größtenteils jungen Demonstranten riskieren viel. Wer sich in Thailand gegen die Mächtigen im Palast und Militär auflehnt, muss mit Drangsalierungen und harten Strafen rechnen. Gegen 16 der Demonstranten vom Wochenende ermittelt die Polizei laut Medienberichten bereits wegen Majestätsbeleidigung. Darauf stehen bis zu 15 Jahre Gefängnis.

Thailand ist nach Hongkong in diesem Jahr der zweite asiatische Schauplatz, an dem autoritäre und liberale Kräfte einen offenen Konflikt austragen. Thailands Jugend will sich neue Freiräume erkämpfen. Die Hongkonger wollten ihre Rechte bewahren. Doch beide Bewegungen, sowie die panasiatische Solidarität, zeigen die tiefe Sehnsucht junger Asiaten nach Freiheit und Mitbestimmung.

Die Unzufriedenheit wächst

Dabei sieht es oberflächlich betrachtet nicht gut aus für die liberale Demokratie in Asien. China erweitert sukzessive seinen Machtbereich und spielt den lieben Onkel für die Autokraten der Region. In Kambodscha knebelt Hun Sen die Opposition, auf den Philippinen höhlt Präsident Rodrigo Duterte den Rechtsstaat aus.

Doch die Unzufriedenheit wächst. Durch den Austausch über soziale Medien und den Zugang zu neuen Informationsquellen sind die jungen Menschen für die Ungerechtigkeiten auf ihrem Kontinent sensibilisiert. China wird vielleicht für seine Wirtschaftskraft bewundert. Doch der autoritäre Regierungsstil und das imperialistische Auftreten der Kommunistischen Partei schreckt die Jugend der Nachbarstaaten ab.

Der Freiheitsdrang der jungen Generation macht sich auch bei Wahlen bemerkbar. Erst dieses Jahr bestätigten Taiwans Wähler die liberale Präsidentin Tsai Ing-wen im Amt. Auch in Indonesien, Malaysia und Thailand konnten demokratische Kandidaten und Parteien zuletzt punkten – besonders bei jungen Wählern. Nicht immer reichte es für eine Regierungsbeteiligung, doch der Trend ist eindeutig.

Besonders im Netz ist der Widerstand gegen die autokratischen Eliten heftig. Dort ist eine pan-asiatische, demokratische Allianz entstanden. Millionen Twitter-Nutzer haben in den vergangenen Monaten den Hashtag #MilkTeaAlliance verwendet. Der Name rührt von der Beliebtheit süßer Teegetränke in Hongkong, Taiwan und Thailand, von wo die meisten Hashtag-Nutzer stammen.

Unter dem Hashtag kritisieren die Twitter-User ziemlich alles, was ihnen an der Politik der Kommunistischen Partei Chinas missfällt: Von deren aggressiven Vorgehen im Südchinesischen Meer bis hin zu umstrittenen Staudammprojekten am Mekong, der Lebensader Südostasiens.

Die Aktionen im Internet stoßen auf starke Resonanz in der Offline-Welt – und der Zorn richtet sich oft nicht nur gegen die Kommunistische Partei in China, sondern gegen die eigene Regierung.  Immer wieder sieht man auch auf den Demos in Bangkok Schilder mit dem Hashtag #MilkTeaAlliance. „Die Stimmung gegen Peking ist zu einem Teil des Kampfes der Thailänder gegen den Autoritarismus geworden“, sagte die thailändische Politikwissenschaftlerin Wasana Wongsurawat der Nachrichtenagentur Reuters.

Die engagierte Jugendbewegung macht mittlerweile auch wirtschaftlich Druck. Das können auch westliche Konzerne zu spüren bekommen. Jüngstes Beispiel ist der Boykott-Aufruf gegen den Disneyfilm Mulan. Grund für die Wut: Hauptdarstellerin Liu Yifei hatte die brutale Hongkonger Polizei gelobt. Ein Drehort des Films ist außerdem Xinjiang, also jene Provinz, in der die Kommunistische Partei Millionen Uiguren in Lagern eingesperrt hat. Im Abspann bedankt sich Disney für die gute Zusammenarbeit mit den dortigen Behörden.

Disneys Finanzchef Christine McCarthy musste bereits zugeben, dass die Boykott-Aufrufe gegen den Film dem Unternehmen „einige Probleme bereitet habe“. Eine Entschuldigung für die Äußerungen seiner Hauptdarstellerinnen sprach der US-Konzern nicht aus – wohl aus Angst vor der chinesischen Regierung. Viele junge Menschen in Asien sind da mutiger.

Dieser Artikel erschien erstmals am 27. September 2020 auf Capital.de und ist hier zu finden.