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Krieg in Europa
Desinformation und russische Medien

Auf dem Bildschirm eines Smartphones sind die Logos der Apps VKontakte (oben l-r), Twitter, RT News, Facebook, Instagram (unten l-r), Telegram und TikTok zu sehen.

Auf dem Bildschirm eines Smartphones sind die Logos der Apps VKontakte (oben l-r), Twitter, RT News, Facebook, Instagram (unten l-r), Telegram und TikTok zu sehen.

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picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild 

Während der Corona-Krise ist mehr als deutlich geworden, dass RT und SNA eine politische Agenda verfolgen, die darin besteht, das „System“ und damit die Demokratie in Deutschland anzugreifen und die autoritäre Herrschaft in Russland als bessere Alternative zu propagieren. Schon im März 2020 warnte das Innenministerium, dass RT Deutsch „die öffentliche Sicherheit und Ordnung“ durch „gezielten Falschmeldungen“ bedrohe. Mit der negativen Darstellung von Corona-Maßnahmen und westlichen Impfstoffen stärken RT und SNA zudem die Corona-Kritiker, Impfgegner und „Querdenker“.

Die russischen Staatsmedien sind zu einem Wortführer der Unzufriedenen in Deutschland geworden, die sich – ganz nach der Strategie von RT-Chefin Simonjan – als Ressource im Informationskrieg gegen Deutschland nutzen lassen. Mit 1,4 Millionen Abonnenten im September 2021 hat sich insbesondere RT DE erfolgreich entwickelt, das sich als führende alternative Nachrichtenquelle positioniert. Andere „alternative“ Formate zitieren und verlinken die Inhalte, sodass das Auditorium weit über die direkte Nutzerzahl hinausgeht. Die russischen Staatsmedien – insbesondere in Russland – schaffen ein Feindbild „Westen“, mit dem sie die Menschen nicht nur in Russland, sondern auch in den westlichen Staaten verunsichern oder zum Widerstand mobilisieren.

Schüren von Ängsten

Das Schüren von Ängsten vor einem Krieg und die überzogene Darstellung vom dekadenten, gottlosen Westen sind dabei zwei zentrale Narrative. Dieses Feindbild wird seit Frühjahr 2021 vor allem mit den Grünen in Verbindung gebracht, die angeblich kriegerische Absichten gegenüber Russland verfolgen und dem Klimaschutz als „neuer Religion“ frönen. Die Berichterstattung zu den Bundestagswahlen hat gezeigt, dass das erste Ziel war, eine Grüne im Kanzleramt zu verhindern. Gegen Annalena Baerbock wurden unbelegte Vorwürfe wie nationalsozialistisches Gedankengut erhoben, um sie zu diskreditieren. Der Sozialdemokrat Olaf Scholz hingegen wurde zwar nicht so  offensiv unterstützt, wie gegen Baerbock agitiert wurde, dennoch war er der deutliche Favorit. Wegen seiner Verbindungen zu Altkanzler Schröder und der SPD-Tradition der Ostpolitik sieht die russische Führung offenbar bei ihm die günstigsten Voraussetzungen, um eigene Interessen vor allem im Energiesektor zu verfolgen.

Sprachrohre der russischen Führung

RT DE und SNA sind Sprachrohre der russischen Führung, deren Inhalte größtenteils in Moskau produziert werden, wie die RT DE-Chefin Toktosunowa selbst sagte. In Deutschland präsentieren sie sich jedoch als unabhängige Alternative zum Mainstream – dies entspricht aber aufgrund ihrer vollständigen staatlichen Finanzierung und Kontrolle nicht den Tatsachen. Wegen der fehlenden Staatsferne ist es gesetzlich nicht möglich, dass RT DE eine Rundfunklizenz in Deutschland erhält.  Mit der Lizenz aus Serbien versucht Russland, geltendes Recht zu umgehen. Die Medienbehörden haben dies bereits für unzulässig erklärt und die Verbreitung des TV-Programms untersagt. Auch gegenüber YouTube hält der russische Auslandssender die Gemeinschaftsrichtlinien nicht ein, da  Desinformation verbreitet und wiederholt versucht wurde, die Blockade der Kanäle zu umgehen. Mit Vorwürfen der Diskriminierung von Russen und einer angeblichen Verschwörung der deutschen Regierung gegen RT wird von dem Grund für die Probleme abgelenkt: der Missachtung der Gesetze und Richtlinien in Deutschland bzw. des amerikanischen Unternehmens Google als Betreiber von YouTube. Es versteht sich eigentlich von selbst, dass es keine Sonderregeln für Russland geben kann, die von anderen Akteuren als Aufmunterung gesehen würden, sich ebenfalls nicht an Bestimmungen zu halten.

Tatsache ist: RT DE ist als TV-Sender gesetzeswidrig, zulässig ist nur das Webportal. Die Verantwortlichen von RT demonstrieren die eklatante Missachtung des von den Medienbehörden  verhängten Sendeverbots, indem sie das TV-Programm weiterverbreiten. Die YouTube-Kanäle können – entgegen russischen Behauptungen – wiederhergestellt werden – unter der Voraussetzung, dass RT DE auf die gängige Desinformation zu Corona verzichtet. Das Problem der Desinformation stellt sich seit Jahren für die Online-Präsenz von RT und SNA, nicht nur auf der Webseite, sondern auch auf allen bedeutenden Social-Media-Kanälen. Die russischen Staatsmedien profitieren in Deutschland von einer Kultur der Straffreiheit, die es in anderen Staaten nicht gibt. So verurteilte in Großbritannien die Medienbehörde Ofcom RT wegen Nichteinhaltung der Senderegeln zu einer  Geldstrafe und Gegendarstellung.   

Bewusstsein für das Problem Desinformation schaffen

Das Problem ist, dass die deutschen Medienbehörden offenbar nicht für die Inhalte von  RT DE und SNA zuständig sind. So lobte sich RT DE unlängst selbst, noch nie vom Presserat gerügt worden zu sein. Der Presserat teilte aber mit, für RT DE nicht zuständig zu sein, das russische Portal habe sich nie darum beworben, an der Selbstkontrolle teilzunehmen. Allein der Verfassungsschutz  warnte vor der „Bedrohungslage durch russische Einflussaktivitäten in Deutschland“ auf einem „immer noch unverändert hohen Niveau“ und führte Berichte von RT DE als Beispiele für „sehr selektive und subtile Manipulation“ an. Da RT DE und SNA aber als Sammelbecken von „Querdenkern“ und anderen Systemkritikern innenpolitisch immer mehr an Bedeutung gewinnen, sollten die deutschen Medienbehörden ihre inhaltliche Aufsicht auf diese russischen Formate ausdehnen oder neue Kontrollgremien dafür schaffen.

Die Politik sollte die Rahmenbedingungen schaffen, dass eine Kontrolle der in Deutschland registrierten ausländischen Medien nicht nur hinsichtlich der Zulassung erfolgt, sondern auch des Inhalts: journalistische Standards sollten eingehalten werden. Dies stellt sicher, dass die Medien ihrer eigentlichen Aufgabe nachkommen: der Information. RT DE und Sputnik hingegen bedienen sich systematisch der Desinformation und tendenziösen Berichterstattung, um ihre politische Agenda durchzusetzen und die westlichen Demokratien anzugreifen. Das Bewusstsein der Menschen für das Problem Desinformation sollte geschärft und die Medienkompetenz gestärkt werden.