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China
Same Same but Different – die VR China plant ihre wirtschaftliche Entwicklung

Der neueste Fünf-Jahres-Plan der VR China birgt einige Überraschungen im vertrauten Gewand
Kreuzung Peking Wirtschaft

Alle fünf Jahre trifft sich das Plenum des Zentralkommittees (ZK) der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) und wirft einen tiefen Blick in die Glaskugel: Wie wird sich die Wirtschaft in den nächsten fünf Jahren entwickeln? Oder eigentlich: Wie SOLL die Wirtschaft sich entwickeln? Obwohl die Wirtschaft der VR China weit entfernt davon ist, eine Planwirtschaft laut Buch zu sein, hält die Partei an diesem Ritual fest. In den kommenden fünf Jahren sollen Innovationen und „Duale Zirkulation“ dem Land zu mehr Wachstum und Wohlstand verhelfen.

In der Volksrepublik China spielen Traditionen eine große Rolle. Und so wurde letzte Woche der traditionelle Fünf-Jahres-Plan für die Jahre 2021-2025 beschlossen. Dieser Plan ist der vierzehnte seit Gründung der Volksrepublik. Wie immer gingen auch dieser Plenarsitzung umfassende Recherchen voraus, wie immer hat Präsident Xi einen Vorschlag vorgetragen, und wie immer wird der Plan erst im Frühling des darauffolgenden Jahres vom Nationalen Volkskongress verabschiedet werden. Erst dann werden auch alle Details öffentlich sein.

Interessanterweise gab es dieses Mal auch einige Dinge, die anders liefen als sonst. Es wird aller Voraussicht nach kein Wachstumsziel für die Chinesische Volkswirtschaft geben. Wieso? Die KPCh sieht ihr bisheriges Hauptziel – grundlegenden Wohlstand für das Land - als erreicht an. Jetzt will man auf Qualität statt Quantität setzen. Fixe Vorgaben zum Wirtschaftswachstum passen nicht dazu. Zudem anders als sonst: bei dieser Plenarsitzung des ZK wurde kein Kandidat in die Zentrale Militärkommission befördert. Üblicherweise war dieser dann der designierte Nachfolger des aktuellen Staatspräsidenten. Die Zeichen mehren sich also, das Xi die geänderten Parteistatuten nutzen und tatsächlich eine dritte Amtszeit und vielleicht weitere anstreben will.

Duale Zirkulation: auf einem Bein steht man schlecht

Bei der ZK-Sitzung wurde auch ein neues Konzept eingeführt: „Duale Zirkulation“ der Wirtschaft. Vereinfacht gesagt soll die chinesische Wirtschaft in zwei möglichst unabhängigen Kreisläufen laufen, nämlich in einem binnenwirtschaftlichen und einem außenwirtschaftlichen. Das Hauptaugenmerk liegt auf dem binnenwirtschaftlichen Kreislauf – die heimische Wirtschaft soll stabil und stark genug sein, damit man nicht auf den internationalen Handel angewiesen ist. Einheimische Innovationen sollen auch zu einer technologischen Unabhängigkeit vom Ausland führen. Dies ist sicherlich eine Lehre aus der Corona-Krise und aus dem Handelskrieg mit den USA. Das chinesische Vorzeigeprojekt zur Internationalisierung seiner Wirtschaft, die Belt and Road Initiative, soll sich nun auf Themen und Regionen konzentrieren, die für den inneren Kreislauf wichtig sind. Die ursprüngliche Programmatik der Initiative – eine ganzheitliche Konnektivität herzustellen – ist damit also aufgegeben.

Vom Kopierweltmeister zur digitalen Weltspitze

Vorbei sind die Zeiten, zu denen China vor allem für Kopien bekannt war. Heute ist die Volksrepublik in Bereichen wie der 5G Technologie führend – ein Umstand der in Europa zu Kopfzerbrechen führt. Soll Huawei am Netzausbau beteiligt werden oder nicht? Auch das chinesische „Social Credit System“ ist in seiner umfassenden digitalen Überwachung eine innovative digitale Technologie. Die chinesische Digitalwährung ist aktuell in einer Pilotphase. Nach dem Willen Xis soll sie sich weltweit verbreiten und der chinesischen Zentralbank umfassende Einblicke in alle Transaktionen gewähren.

China möchte im Bereich der Digitalisierung die internationalen Regeln mitgestalten, um damit einen „neuartigen Wettbewerbsvorteil“ zu erlangen: Denn wer das eigene Design zum Standard macht, hat einen Wettbewerbsvorteil. Der wiederum schafft Abhängigkeiten - nicht gerade eine beruhigende Aussicht, wenn man bedenkt, wie rigoros die Volksrepublik digitale Werkzeuge nutzt, um die eigene Bevölkerung zu überwachen und auszuspionieren.

Zurück in die Zukunft?

Die diesjährige Sitzung des ZK war formal so wie immer. Allerdings haben sich im Kostüm der Tradition und der Normalität große Umwälzungen versteckt. Seit Mao macht sich zum ersten Mal ein chinesischer Präsident daran, wieder auf unbestimmte Zeit alle Macht auf sich zu konzentrieren. Mit dem Konzept der „Dualen Zirkulation“ und der starken Konzentration auf den heimischen Markt hat das ZK einen bedeutenden Kurswechsel beschlossen. Zwar wurde keine komplette Abschottung des Landes von der internationalen Wirtschaft geplant. Sie wäre zum jetzigen Zeitpunkt auch gar nicht möglich. Trotzdem weckt dieser Wechsel in Richtung Konzentration auf das Inland Erinnerungen an längst vergangen geglaubte Zeiten der dirigistischen Pläne. Dabei war es Deng Xiaopings Reform- und Öffnungspolitik, die dem Land nach Maos gescheiterten „Großer Sprung nach Vorn“ Wohlstand brachten. Mehr Wirtschaftsfreiheit weckte und entfesselte die Innovationskraft und den Unternehmergeist der chinesischen Bevölkerung. Xi aber scheint die Uhr wieder zurück zu drehen.