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Ägypten
Ägypten vor der Präsidentschaftswahl: Vorgezogene Abstimmung und vorhersehbarer Wahlsieger

 Abdel-Fattah El-Sisi

Ägyptens Präsident Abdel-Fattah El-Sisi

© picture alliance / NurPhoto | Jakub Porzycki

Vom 10. bis zum 12. Dezember 2023 findet die Präsidentschaftswahl in Ägypten statt. Die Crux daran: Die Wahl findet zu keinem regulären Zeitpunkt statt und der Wahlsieger steht bereits fest.

Die ursprünglich für 2024 angesetzten Wahlen wurden vom amtierenden Autokraten El-Sisi vorgezogen, um vor einer Welle drastischer Sparmaßnahmen scheinbare Legitimität vorzuweisen. Im Ausland lebende Ägypter hatten bereits vom 1. bis zum 3. Dezember die Möglichkeit, an 137 Auslandsvertretungen ihre Stimme abzugeben. Dabei inszeniert sich der bisher amtierende Präsident Abdel-Fattah El-Sisi als Zukunftsweiser, der sich den Problemen des Landes mit voller Tatkraft hingibt.

Das Problem liegt jedoch darin, dass er erneut ohne nennenswerte Gegenkandidaten antritt und mit aller Wahrscheinlichkeit an seine vorherigen Wahlergebnisse von 97 Prozent Zustimmung anknüpfen wird. Die Wahlkommission hat lediglich vier Kandidaten zur Wahl zugelassen, nachdem die Anforderungen zur Unmöglichkeit nachjustiert und Kritiker mit Hilfe des Sicherheitsapparats eingeschüchtert wurden. Nach einer in 2019 selbst herbeigeführten Verfassungsänderung würde dies nicht nur die nun mögliche dritte Amtszeit für El-Sisi bedeuten, sondern auch, dass er das Amt des Präsidenten für sechs statt vier Jahre bekleiden und somit bis 2030 mit einer weiterhin repressiven Hand führen würde. Offiziell wird das Wahlergebnis dann am 18.12.2023 verkündet.

Geringe Wahlbeteiligung wird erwartet

Von den rund über 100 Millionen Einwohnern Ägyptens sind 65 Millionen wahlberechtigt. Allerdings wird eine noch geringere Wahlbeteiligung als bei den bereits zuvor einberufenen Wahlen erwartet. Zum einen um den geringen Rückhalt zum Ausdruck zu bringen, zum anderen, weil es vielen kritischen Ägyptern schlicht nicht möglich sein wird, ihre Stimme abzugeben. Während die anderen drei zugelassenen Kandidaten Farid Zahran, Abdel-Sanad Yamama und Hazam Omar auf Wirtschaft und Bildung setzen, legt der Zukunftsdirigent El-Sisi einen seiner Schwerpunkte auf die Digitalisierung.

Farid Zahran hält den Vorsitz der Ägyptischen Sozial-Demokratischen Partei inne und setzte sich als eine der prominentesten Stimmen der Studentenbewegung in 1970er Jahren für politische Reformen ein. Gestützt wird Zahran von der Al Adl Party, welche wiederum Mitglied der Ägyptischen Liberalen Partei ist, die sich aktuell noch in einer Aufbauphase befindet. Inhaltlich fokussiert sich Zahran auf die Stärkung des Privatsektors und den Abbau von Staatsschulden. Beobachter nehmen Zahran allerdings als Vertrauten El-Sisis wahr, der ihn 2013 bei der Kabinettsbildung gegen den demokratisch gewählten Präsidenten Mohamad Morsi unterstütze.

Daneben kandidiert Abdel-Sanad Yamama, der zugleich Vorsitzender der ältesten liberalen Partei Ägyptens Wafd und Leiter der in 2022 neu gegründeten New Wafd Party ist. Sein Wahlprogramm konzentriert sich im Wesentlichen auf die Wirtschaft, die er unter anderem durch eine Umstrukturierung der Schulden und eine Steuerbefreiung bei neuen Projekten stärken möchte. Yamama, der in Lothringen über ausländische Investitionen in Ägypten promovierte und den Lehrstuhl für Internationales Privatrecht an der Rechtsfakultät der Menoufia University innehält, zählt zudem verstärkt auf eine Neuauslegung ausländischer Investitionen in der ägyptischen Infrastruktur.

Hazam Omar, ist Mitglied des Senats unter 100 Mitgliedern, die 2020 von El-Sisi ernannt wurden und gilt als Unterstützer El-Sisis, der seit dessen Amtsantritt keine öffentliche Kritik anbrachte. Seine Partei, die Republikanische Volkspartei, ist zweitgrößte Fraktion im ägyptischen Parlament und neben seinen politischen Ambitionen leitet Omar ein Tourismusunternehmen. Omar verspricht den ägyptischen Wählern einen stärkeren Fokus auf Rechte und Freiheiten sowie einen dreijährigen Plan zur Bewältigung der Wirtschaftskrise. Daneben legt der Geschäftsmann Wert auf engere internationale Beziehungen, die aus seiner Sicht zu mehr innerer Stabilität Ägyptens führen sollen.

Wahlsieger steht bereits fest

Und dann der prinzipiell bereits feststehende Wahlsieger El-Sisi, der sich in einem Licht der Unfehlbarkeit präsentiert und mit einem Wahlprogramm rund um Digitalisierung und Modernisierung als Mann der Progression wahrgenommen werden möchte. Obwohl während seiner bisherigen Regierungszeit etliche Kritiker inhaftiert wurden, die Staatsverschuldung einen Höchstrekord erreichte und Menschenrechte nicht im Geringsten geachtet wurden, darf sich El-Sisi vermutlich auch zukünftig europäischer Kooperation ohne Auflagen zur Einhaltung der Menschenrechte sicher sein.

Dieser konditionslose Rückhalt, insbesondere von liberalen europäischen Demokratien wirft nicht nur Fragen der Glaubwürdigkeit eigener Prinzipien auf, sondern hilft dem Land auch langfristig nicht, strukturelle Veränderungen und politische Partizipation herbeizuführen. Zudem wird der anhaltende Konflikt im Gaza-Streifen das benachbarte Ägypten wirtschaftlich zusätzlich belasten und für sowohl Ägypten als auch benachbarte Staaten in eine noch tiefere Krise stürzen, die ohne Reformen schwer zu manövrieren sein werden.