Max-Stadler-Medaille
Laudatio von Dr. Marco Buschmann, Bundesjustizminister a.D.
Dr. Nikolaos Gazeas und Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
© HalsingerDr. Marco Buschmann
Bundesminister a.D.
Laudatio für Dr. Nikolaos Gazeas, LL.M. anlässlich der Verleihung der dritten Max-Stadler-Medaille durch die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit und die Vereinigung Liberaler Juristen am 28. Oktober 2025 in Berlin
Liebe Sabine Leutheusser-Schnarrenberger,
lieber Peter Schantz,
lieber Nikolaos Gazeas,
liebe Freundinnen und Freunde der Freiheit,
verehrte Gäste,
meine sehr geehrten Damen und Herren!
- Einleitung
Wie soll man die Laudatio auf den Preisträger einer Freiheits-Medaille, und ihr Namensgeber Max Stadler hätte gegen diese Bezeichnung gewiss keine Einwände gehabt, beginnen, dessen Name die griechischen Wurzeln sofort verrät?
Vielleicht mit einem Zitat aus der griechischen Antike? Ja, das liegt nahe. Vielleicht von Perikles? Das drängt sich förmlich auf. Man landet dann schnell bei seinem Ausspruch, den uns Thukydides aus der berühmten Grabrede überliefert hat: „Das Geheimnis der Freiheit ist der Mut.“
Dann schreckt man als Laudator wieder zurück. Ist das nicht ein Kalenderspruch? Eine Sentenz, die durch ihren inflationären Gebrauch zur bedeutungslosen Plattitüde verkommen ist?
Ist das Publikum dann nicht schon gelangweilt, bevor man überhaupt richtig begonnen hat? Und das ist ein gewichtiger Einwand in einer Zeit, die eher die steile These als das abgewogene Wort, eher Extremismen als Integrität, eher Originalität als Wahrheit belohnt. Und doch – da bin ich ganz bei Brecht: Die Wahrheit muss gesagt werden, auch wenn sie unter Räuber fällt.
Und die Wahrheit ist: Unser Preisträger Nikolaos Gazeas ist mutig. Es ist kein waffenstarrender Mut mit dem Schwert in der Hand oder Pistole. In der Tat hat er als Kind weniger mit Holzschwertern oder Plastikpistolen gespielt, sondern – wie ich gelernt habe – lieber mit Stempeln und Lochern.
Es ist aber sein täglicher Mut, der ihn zu einem freien Menschen macht:
- der Mut, der nötig ist, für den sozialen Aufstieg durch Bildung;
- der Mut, der nötig ist, für den ungewissen Sprung in die Selbständigkeit als Rechtsanwalt;
- und der Mut, der nötig ist, um bewusst auch auf ein Stück Umsatz und Gewinn zu verzichten, nicht nur die lukrativsten Mandate zu übernehmen, sondern eben auch solche, die anderen Menschen, die sich in Lagen existenzieller Bedrohung befinden, wieder zu ihrer Freiheit zu verhelfen.
Das ist der Mut, der aus Nikolaos Gazeas das Bild eines freien Menschen macht – und damit dieser persönliche Mut nicht länger in den Augen der Öffentlichkeit ein Geheimnis bleibt, steht er als unser Preisträger heute hier im Mittelpunkt. Damit würdigen wir diesen Gedanken: Das Geheimnis der Freiheit ist der Mut.
- Werdegang
Zur Welt kam Nikolaos Gazeas am 26. Januar 1982 in Köln. Er wuchs in einem Haus mit zwei Sprachen auf: Deutsch und Griechisch.
Die Kombination dieser Kulturen war für ihn nie ein Widerspruch, sondern ein Geschenk: Integration und Respekt für die Wurzeln zugleich. So erinnert er sich an diese Jahre.
Beide Großväter kamen als Gastarbeiter aus Nordgriechenland nach Deutschland und schufteten zum Teil unter widrigsten Lebensumständen, damit es den Kindern und Enkelkindern einmal besser geht. Der eine auf dem Bau, der andere zunächst „Unter Tage“ und danach als Arbeiter in einer Stahlfabrik.
Die Mutter, Athina Gazeas, legte großen Wert darauf, dass die Familie in Deutschland integriert ist und die Kinder inmitten der deutschen Gesellschaft aufwachsen. Vor allem war ihr die Schulbildung ihrer Kinder wichtig.
Unterstützt wurde sie vom Großvater, Christos Gazeas. Der arbeitete tagsüber hart er auf dem Bau. Abends packte er dann Mathematik-Lehrbücher aus. Er erkannte die Chancen, die Deutschland den Enkelkindern im Vergleich zu Griechenland bietet.
Schon als kleiner Junge zeigte sich bei Nikolaos Gazeas eine gewisse Liebe zur Ordnung, ja zur Regelhaftigkeit. Mit sechs Jahren wünscht er sich zu Weihnachten Locher und Tacker und zum Geburtstag sogar ein Stempelkissen. Und bei Ausflügen mit seiner Mutter in die örtliche Bankfiliale faszinieren ihn nicht die Geld-, sondern die Formularstapel. Zeichen für Ordnung und Regelhaftigkeit.
Sein Weg führte ihn vom Gymnasium in Köln über akademische Stationen in Bonn, Heidelberg, Thessaloniki hin zur Universität Auckland in Neuseeland – mit Schwerpunkt US-Strafverfahrensrecht.
Schon früh offenbarte sich sein Interesse an dieser Materie, weniger an den technischen Details, als vielmehr an der Funktion: nämlich ein Bollwerk der Freiheit zu sein.
Das wird jeder anwesende Jurist sofort plausibel finden. Nicht umsonst lernt man in der Einführungsvorlesung dazu: Strafprozessrecht ist konkretisiertes Verfassungsrecht.
Das muss man dieser Tage allerdings betonen, da Berliner Staatsanwälte auf schrägen, teils geschmacklosen Humor in den Sozialen Medien schnell mit einer Hausdurchsuchung reagieren, statt die Sache, wenn man sie überhaupt für rechtlich relevant hält, wofür es pro und contra-Argumente gibt, wegen Geringfügigkeit einzustellen. Das ist auch bei Offizialdelikten kein Ding der rechtlichen Unmöglichkeit. Ich hoffe, dass der Preisträger mich anschließend nicht fachlich korrigieren wird!
Sein Referendariat führte Nikolaos Gazeas ins Bundesjustizministerium, dann in eine ständige Vertretung und in eine internationale Wirtschaftskanzlei. Parallel entstand seine Dissertation „Die Übermittlung nachrichtendienstlicher Erkenntnisse an Strafverfolgungs-behörden“. Sie wurde mit „summa cum laude“ bewertet.
Teile dieser Arbeit las Burkhard Hirsch kritisch gegen. Natürlich kritisch, das ging nicht anders, wenn man ihn um Rat fragte. Hier zeigt sich eine positive Eigenschaft unseres Preisträgers: Er nahm diese Kritik nie als Angriff, sondern als Ansporn. Der gegenseitige Respekt von Kritiker und Kritisiertem stand nie in Frage: Denn beide, der Altliberale und der junge Aufsteiger, liebten den Austausch guter Argumente.
Seit 2015 ist Nikolaos Gazeas als Rechtsanwalt tätig, seit 2018 führt er eine eigene Kanzlei, seit 2019 unter dem Namen GAZEAS NEPOMUCK. Dort praktiziert er hochspezialisiertes Wirtschaftsstrafrecht. Die exzellente Beratungsqualität zeigt sich in Rankings wie etwa bei JUVE oder erst jüngst wieder im Handelsblatt.
Heute lebt er in Köln-Marienburg, verheiratet mit Barbara Gazeas-DuMont – mit zwei Kindern, dem dreijährigen Alexis und dem kleinen Leo, der heute, am 28. Oktober 2025, genau neun Monate alt wird.
In Wahrheit ist das ein Zufall. Aber mancher sieht darin vielleicht auch ein Zeichen: Der 28. Oktober ist auch der Geburtstag von Gerhart Rudolf Baum, der große Liberale, mit dem Gazeas auch so manches mal gemeinsam für den Rechtsstaat zum Einsatz kam. Ob Zeichen oder Koinzidenz: Jedenfalls ist der 28. Oktober daher genau der richtige Tag für diese Preisverleihung.
- Einsatz für Rechtsstaat und Menschenrechte
Man darf sagen: Gazeas hat es geschafft. Familie, Heim und beruflicher Erfolg. Alles, was sich ein Mann üblicherweise zu wünschen wagt. Manch einer würde nun vielleicht sagen, dass sich diese glückliche Aufstiegsgeschichte selbst genügt.
Mancher Aufsteiger trägt auch die gedankliche Scheuklappe, dass er viel aufzuholen habe im Vergleich zu anderen, die die große Lotterie der Geburt materiell begünstigt hat. Solche Aufsteiger können sich manchmal gar kein anderes Ziel mehr vorstellen als noch mehr materiellen Erfolg.
Manche werden sogar so hartherzig wie Richard III: Die gefühlte Benachteiligung bei der Geburt durch ein Handicap führt, jedenfalls bei Shakespeare, zu einer Selbstermächtigung, die jede Skrupellosigkeit auf dem Weg nach oben rechtfertigen soll.
Nichts könnte mehr in Kontrast stehen zu unserem Preisträger. Man darf sagen: Wenn ihn etwas mit den Tyrannen aus Shakespeares Werk verbindet, dann der Umstand, dass er sich deren Widergängern in unserer Gegenwart versucht in den Weg zu stellen.
Er übt seinen Beruf mit Mut aus. Er schreckt nicht davor zurück, wenn das Mandat riskant, die Themen politisch brisant und die Gegner mächtig sind – und das selbst dann, und das sei den anwesenden Anwaltskollegen gesagt, wenn er nicht auf Basis hoher Stundensätze, sondern nach Rechtsanwaltsvergütungsgesetz abrechnet oder gar pro bono arbeitet. Weil dieser Teil seiner Arbeit sicher für die Preis-Jury besonders wichtig war, möchte ich darauf näher eingehen:
Der prominenteste Mandant, für den sich Nikolaos Gazeas einsetzte, war Alexej Nawalny. Er war es, und hier ist das Präteritum leider die richtige Zeitform, weil er von Putin ermordet wurde.
Nawalny war ein russischer Patriot. Er liebte seine Heimat, dieses große Land mit seiner großartigen kulturellen Tradition. Daher wollte er, dass es nach Europa zurückkehrt – auf dem Pfad von Freiheit, Demokratie und Menschenrechten. Diesen Traum musste Nawalny mit seinem Leben bezahlen – aber bis zum Schluss stand ihm Gazeas bei. Das gleiche gilt für Vladimir Kara-Murza, Nawalnys Vertrautem. Hier gelang es zum Glück, ihn aus dem Gefängnis zu befreien.
Dazu musste ich als damaliger Justizminister eine schwierige Entscheidung treffen. Das sage ich nicht, um mich hier in den Vordergrund zu rücken, sondern wegen des Inhalts der Entscheidung: Denn ging um die Abschiebung des Tiergartenmörders. Und dieser Verbrecher ist der Beweis dafür, dass der mörderische Arm Moskaus bis nach Berlin-Mitte reicht. Denn er hatte nur wenige hundert Meter von diesem Ort entfernt einen Mord im Auftrag des Kremls begangen. Staatsterrorismus hat das die deutsche Justiz genannt.
Das zeigt, dass man auch in Deutschland seiner nicht völlig sicher sein kann, wenn man sich mit Putin anlegt und das zeigt, welchen persönlichen Mut auch Nikolaos Gazeas an den Tag legt, wenn er sich an die Seite von Nawalny oder Kara-Murza stellt.
Dort machte Gazeas aber nicht Halt. Gemeinsam mit Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Gerhart Baum und seinem Partner Andrej Umansky reichte er Strafanzeige beim Generalbundesanwalt wegen der entsetzlichen Kriegsverbrechen Russlands in der Ukraine ein.
Das tat er nicht, weil der deutsche Generalbundesanwalt hier hätte zum Jagen getragen werden müssen. Im Gegenteil: Es ist die weltweit führende Anklagebehörde, was das Weltrechtsprinzip und die nationale Verfolgung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeht. Der Generalbundesanwalt und seine Beamten sind weltweit geachtete und erfahrene Spezialisten auf diesem Gebiet und hatten bereits zum Zeitpunkt der Anzeige ein sogenanntes Strukturermittlungsverfahren eröffnet. Gazeas tat es, weil es der richtige Weg war, um den Ermittlern umfangreiches und professionell aufbereitetes Material zur Verfügung zu stellen.
Hier zeigt sich zum einen das besondere Interesse unseres Preisträgers am Völkerstrafrecht und zum anderen gewiss auch der Einfluss seines Mentors und Freundes Claus Kreß, den man ohne jede Einschränkung gewiss den Doyen des Völkerstrafrechts in Deutschland nennen darf.
Ein anderer mächtiger Gegner ist die aufgepeitschte öffentliche Meinung. Wenn man bereit ist, einer Mandatin wie „Maja T.“ beizustehen, der schlimme Verbrechen zur Last gelegt werden, dann kann man nicht mit Applaus rechnen. Ja, vielleicht findet man selbst vieles entsetzlich und abstoßend an dem zur Last gelegten Verhalten. Aber das ist im Rechtsstaat erst einmal egal. Denn jeder Mensch hat danach einen Anspruch auf qualifizierte Verteidigung – und zwar erst recht, wenn ihm der Prozess in einem Land gemacht werden soll, dass es selbst nicht immer so ernst nimmt mit den europäischen Grundsätzen der Rechtsstaatlichkeit. Ich spreche von Ungarn.
- Die Würdigung
Liebe Anwesende,
der Name Max Stadler steht für die Prinzipien des Rechtsstaates. Das kann ich persönlich bezeugen. Als frisch gebackener Abgeordneter durfte ich oft neben ihm sitzen, wenn der Arbeitskreis Innen und Recht der FDP-Bundestagsfraktion tagte. Aus seinen vielen klugen Bemerkungen habe ich viel gelernt – und oft auch geschmunzelt. Ich denke, wenn er heute auf seiner Wolke sitzt und zu uns herab schaut, ist er gewiss zufrieden mit der Wahl des Preisträgers und wird – auch als Engel ganz Bayer – eine seine Maß darauf erheben.
Der Rechtsstaat ist nichts, was man mit der Lupe sehen oder anfassen kann. Er ist bloß zivilisatorische Idee. Damit diese Idee zur sozialen Tatsache werden kann, die unser Leben human und aufgeklärt gestaltet, braucht es Menschen wie Nikolaos Gazeas, die den Rechtsstaat mutig jeden Tag ein Stück weit verwirklichen.
Ich bitte Sie um Applaus für den Mann, der uns heute Mut macht, der uns vor Augen führt, wie nötig und lohnenswert der Einsatz für Freiheit ist:
Lieber Nikolaos Gazeas!
Herzlichen Glückwunsch zur dritten Max-Stadler-Medaille der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit und der Vereinigung Liberaler Juristen.