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Eine Kolumne von Karl-Heinz Paqué

Wahlen in Polen
Bitte keine Verzweiflung!

Der Kampf mit dem autokratischen Populismus geht weiter, auch nach der Niederlage in Polen. Um weltweit erfolgreich zu sein, braucht es aber mehr Demut und Pragmatismus.
Der Präsident der Republik Polen Andrzej Duda (L) bei einem Treffen mit dem gewählten Präsidenten Karol Nawrocki nach der polnischen Präsidentschaftswahl im Präsidentenpalast in Warschau,

Der Präsident der Republik Polen Andrzej Duda (L) bei einem Treffen mit dem gewählten Präsidenten Karol Nawrocki nach der polnischen Präsidentschaftswahl im Präsidentenpalast in Warschau.

© picture alliance / NurPhoto | Andrzej Iwanczuk

Es ist zum Heulen. In Polen hat Karol Nawrocki die Präsidentschaftswahl gewonnen - zwar äußerst knapp mit 50,9 zu 49,1 Prozent, aber ein knapper Sieg ist auch ein Sieg. Also wieder ein rechtspopulistischer Kandidat, der eine wichtige Wahl für sich entscheidet. Für Polen und die Europäische Union bedeutet dies neue Herausforderungen. Vor allem die weitere Rückabwicklung all jener rechtsstaatsgefährdenden Maßnahmen der nationalkonservativen PiS-Regierung 2015 bis 2023 durch die bürgerlich-liberale Regierung von Donald Tusk danach steht jetzt in Frage, weil der Staatspräsident ein machtvolles Veto-Recht bei Gesetzesvorhaben hat, das nur mit qualifizierter Mehrheit im Parlament überstimmt werden kann - und die fehlt der Koalition von Tusk

Also: eine extrem schwierige Lage in Polen, durchaus vergleichbar der Konstellation in den USA. Karol Nawrocki wird ja auch gerne als polnischer Donald Trump bezeichnet, und dies ab jetzt nicht allein wegen der dubiosen Stellen in seiner Vergangenheit, die allerdings schon zwei Jahrzehnte zurückliegen.

Was sollten bürgerliche Liberale weltweit im Kampf mit dem autokratischen Populismus nun tun? Meine Antwort ist klar: einfach mit Leidenschaft weiterkämpfen - für Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, auch wenn sich immer mehr herausstellt, dass dieser globale Kampf viel länger dauert, als die meisten von uns in den optimistischen neunziger Jahren in unserer grenzenlosen Überheblichkeit gedacht haben. Wir brauchen einen langen Atem, denn gesellschaftliche Veränderungen in Richtung liberaler Werte sind ein schwieriger und schmerzhafter Prozess mit vielen Rückschlägen.

Man ist versucht, den liberal gesinnten Freunden in der Welt dabei drei Hinweise auf den Weg mitzugeben:

Erstens, bitte nicht mit jedem einzelnen Wahlergebnis hadern! Erinnern wir uns: Vor wenigen Wochen gewann in Rumänien der liberale, pro-europäische Präsidentschaftskandidat, der autokratisch gesinnte pro-russische verlor. Bei der Parlamentswahl in Kanada siegte jüngst der Liberale Mark Carney, der einige Wochen zuvor noch weit hinten lag. In einer Welt, in der viele Nationen wie auch Polen und die USA ziemlich genau in zwei fast gleich große "Lager" verfallen, entscheiden oft besondere Umstände des Wahlkampfs über Sieg oder Niederlage. Es ist und bleibt wohl auch global ein knappes Rennen.

Zweitens, bitte nicht in theatralischen Posen des Kulturkampfs der Werte erstarren! Der Wertewandel in einer Gesellschaft - zu mehr individueller Verantwortung und Modernisierung im liberalen Sinne, stößt in der eher ländlich-konservativen Bevölkerung weltweit auf Widerwillen und Widerstand. Es ergibt keinen Sinn, darauf mit Dogmatismus und Rechthaberei zu reagieren - und schon gar nicht wie im anglo-amerikanischen Raum und zunehmend auch bei uns mit einem "Woke-Absolutismus", der all jene als hoffnungslos rückständig verunglimpft, die an traditionellen Werten festhalten wollen. Wertewandel braucht Zeit, aber keine Brechstangen.

Drittens, bitte darauf achten, dass Handfestes geliefert wird! Und zwar überall dort, wo bürgerlich Liberale in der Regierungsverantwortung sind - und zwar nicht nur zum Nutzen einer kleinen "progressiven" urbanen Elite, sondern für die Breite der Bevölkerung. Ein besonders interessanter Fall ist in dieser Hinsicht aktuell Kanada, wo dem früheren liberalen Premier Justin Trudeau massiv vorgeworfen wurde, die Interessen der gesellschaftlichen Mitte in einem Geist der "wokeness" vernachlässigt zu haben. Sein Nachfolger Mark Carney, dem der Ruf des nüchternen pragmatischen Ökonomen vorauseilt, hat nun die Aufgabe, dies zu korrigieren.

Fazit: Die Chancen zur Abwehr des Rechtspopulismus sind da. Um sie zu nutzen, braucht es allerdings eine gewisse Demut vor der Zähigkeit der Realität - statt jenen Hochmut, den leider die bürgerlich-liberale Bewegung seit den grandiosen Siegen der Freiheit mit dem Fall des Eisernen Vorhangs und dem Untergang des Sowjetkommunismus in den frühen neunziger Jahren an den Tag gelegt hat. Eine Generation danach ist es Zeit, sich endlich mit den Mühen der Ebene zu beschäftigen und nicht Traumwelten der eigenen Werte nachzuhängen.