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China Bulletin
China und Russland: Kommt jetzt die Anti-Dollar-Koalition?

Ein chinesischer Tourist zahlt in Moskau bei Burger King mit UnionPay.

Ein chinesischer Tourist zahlt in Moskau bei Burger King mit UnionPay.

© picture alliance / Wei Wei/HPIC/dpa | Wei Wei

Als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine haben die Vereinigten Staaten, die EU und weitere Verbündete ein historisches Sanktionspaket beschlossen. Seitdem versucht das Regime von Staatschef Putin die russische Wirtschaft und vor allem den Rubel mit allen Mitteln zu stabilisieren. Insbesondere aus China wird dabei Hilfe erwartet. Doch ganz so einfach ist das nicht.

Der russische Überfall auf die Ukraine hat weltweit zu entschiedener Kritik und umgehenden Strafmaßnahmen geführt. Am deutlichsten sind dabei die Sanktionen der G7-Staaten ausgefallen, die mit einem historischen Sanktionspaket reagiert haben, das nahezu alle Wirtschaftsbereiche treffen soll. So sieht es den Ausschluss wichtiger russischer Banken aus dem Finanzkommunikationsnetzwerk SWIFT und Sanktionen gegen die russische Zentralbank vor. Das entschiedene Vorgehen hat sowohl das Putin-Regime als auch viele Beobachter überrascht.

Doch eine Sorge bleibt: Könnte nun der chinesische Präsident Xi Jinping, der erst wenige Wochen zuvor in einem gemeinsamen Statement mit Putin die „grenzenlose Freundschaft“ beider Staaten betont hatte, nun Putin dabei helfen, die Sanktionen zu umgehen? Das hätte weitreichende Folgen: Neben einer Verwässerung der Strafmaßnahmen könnte ein solcher Schritt zu einer Fragmentierung des globalen Finanzsystems beizutragen.

Tatsächlich arbeitet China schon länger daran, sein Finanzsystem vom Westen unabhängiger zu machen. So exportiert die Volksrepublik zwar in großem Maße in den Westen, aber insbesondere im Hinblick auf Importe und Finanzdienstleistungen will Peking unabhängiger agieren können. In Russland scheint dieser Versuch gescheitert zu sein, aber bei der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt ist der Hebel größer.

Chinas alternative Finanzinfrastruktur

Bereits kurz nach Öffnung der chinesischen Wirtschaft Ende des 20. Jahrhunderts hat Peking angefangen, das Finanzsystem vor äußeren Einflüssen zu schützen. Die amerikanischen Kreditkartenanbieter Visa und Mastercard wurden vom chinesischen Markt ausgeschlossen, stattdessen hat China im März 2002 eine eigene Kreditkartenorganisation namens UnionPay gegründet. UnionPay ist der einzige Kreditkartenanbieter in der Volksrepublik. Die Organisation hat mehrere Milliarden Karten ausgegeben, die weltweit als Zahlungsmittel akzeptiert werden. Nun, da sich als Reaktion auf den Ukraine-Krieg die westlichen Kartenanbieter Visa, Mastercard und American Express aus Russland zurückziehen, wollen russische Finanzinstitute das mit einer Kooperation mit UnionPay kompensieren. Russlands größte Bank Sberbank hat bereits verlauten lassen, auf UnionPay umzusteigen.

Seit 2015 hat China zudem eine Alternative zum Finanzkommunikationsnetzwerk SWIFT aufgebaut. SWIFT stellt den angeschlossenen Banken eine sichere Kommunikation für Finanzdienstleistungen bereit und wird aufgrund des Sitzes in einem Vorort von Brüssel von der EU reguliert. Daher ist es auch für die EU möglich, Sanktionen im Zusammenhang mit SWIFT zu erlassen. Die chinesische Alternative, das Cross-Border Inter-Bank Payments System (CIPS), ist seit Ende 2015 in Betrieb und wird vorrangig für innerchinesische Transaktionen genutzt. Für internationale Zahlungen ist die Volksrepublik dennoch auf SWIFT angewiesen. Bisher nutzen rund 1.000 Finanzinstitute CIPS und davon viele nur indirekt – im Vergleich:  Mehr als 11.000 Banken nutzen SWIFT.

Insbesondere im Kontext Chinas digitaler Währung wird aber das Potential von CIPS in Studien als hoch eingeschätzt. Bereits 2014 und damit weit vor vielen westlichen Staaten hat die chinesische Zentralbank mit der Erforschung von digitalem Zentralbankgeld begonnen, also einer digitalen Version der chinesischen Währung Renminbi, kurz eRMB oder e-CNY. Der digitale Renminbi soll in dem autoritären Staat das Bargeld ersetzen und so einerseits Digitalisierung und Innovation voranbringen, anderseits aber auch den digitalen Überwachungsstaat noch engmaschiger machen. Vor allem dürfte der digitale Renminbi aber auch für eine neue Form der Internationalisierung des Renminbi gedacht sein, bei der das chinesische Regime weiterhin ein hohes Maß an Kontrolle über die Währung behalten würde.

Mit UnionPay, CIPS, Finanzplätzen wie Hong Kong, Shanghai und Shenzen sowie künftig auch digitalem Zentralbankgeld hat Peking eine Finanzinfrastruktur aufgebaut, die es theoretisch anderen zur Verfügung stellen könnte, insbesondere mit Sanktionen belegten Akteuren. Sind die Sorgen um eine Hilfestellung für das sanktionsgebeutelte Russland also berechtigt?

Nein. Denn: Trotz aller Bemühungen kann die chinesische Finanzinfrastruktur nicht annährend mit der transatlantischen Finanzinfrastruktur und schon gar nicht mit der Bedeutung des US-Dollars mithalten. Weder die chinesische Währung noch das dazugehörige Finanzsystem haben eine vergleichbar zentrale und dominante Stellung auf internationalen Märkten wie die globale Reservewährung aus den USA. Lediglich für drei Prozent der weltweiten Transaktionen werden Renminbi genutzt. Russland und China selbst wickeln einen Großteil ihres Handels in Dollar und Euro ab. Und auch wenn CIPS als Alternative zu SWIFT gedacht ist, ist es aktuell noch davon abhängig.

Für eine internationale Nutzung des digitalen Renminbi sind derzeit nicht einmal die technischen Voraussetzungen für grenzüberschreitende Zahlungen gegeben. Um Russland bei der Umgehung von Sanktionen zu unterstützen, fehlt die Infrastruktur, den eRMB einzusetzen. Im Hinblick auf die klassische Finanzinfrastruktur bleibt trotz der Bedeutung chinesischer Börsen der gesamte Sektor weiterhin in großem Maße international abgeschottet. Unter Experten wie Heribert Dieter von der Stiftung Wissenschaft und Politik gilt der Finanzsektor aufgrund der enormen Verschuldung sogar als „Achillesferse für die weitere wirtschaftliche Entwicklung Chinas“. Diese hohe Verschuldung erschwert eine zunehmende Internationalisierung sowohl der Währung als auch der Kapitalmärkte. Um wirklich eine alternative Finanzinfrastruktur zur Verfügung zu stellen, müsste China die eigene Abschottung aufgeben und würde damit zugleich eine Finanzkrise riskieren.

China fährt zweigleisig

Vieles deutet darauf hin, dass Peking nicht bereit ist, hohe Kosten in Kauf zu nehmen. Während der globalen Finanzkrise 2007 bis 2008 hatte China den russischen Vorschlag abgelehnt, durch den massenhaften Verkauf amerikanischer Aktienanteile die Finanzkrise zu verschärfen. Insgesamt war Russland bisher aggressiver bei dem Aufbau von Alternativen zum Dollar – stand dabei aber auch in letzter Konsequenz häufig alleine dar. Im Vergleich zu Russland ist China wesentlich integrierter in die Weltwirtschaft und verfolgt zumindest noch einen zweigleisigen Ansatz. Einerseits arbeitet Peking weiter an Finanzinfrastrukturen und Investitionsformen, die in Konkurrenz zur liberalen Weltwirtschaftsordnung stehen. Anderseits ist Peking genau auf diese offenen Märkte und Infrastrukturen angewiesen. Deshalb ist die Volksrepublik China Russland bisher nur in geringem Ausmaß und vor allem rhetorisch zur Hilfe gekommen. Die von der EU und den USA andernfalls auferlegten Kosten wären einfach zu groß.

Wenn China sich also grundsätzlich an die Sanktionen gegen Russland hält, ist das vor allem Ausdruck der langfristigen Orientierung Pekings und kein inhärenter Wunsch nach Kooperation mit dem Westen im Rahmen der bestehenden Weltwirtschaftsordnung. Ganz im Gegenteil: Das kommunistische Regime baut immer weiter vor, um möglichst unabhängig von liberalen Demokratien und ihren Institutionen zu werden.

* Sven Hilgers ist Referent für Internationale Wirtschaft im Referat für Globale Themen bei der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit.