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Female Forward in Bhutan
Wie die Kunst des Bogenschießens Bhutans Frauen beflügelt

Event Poster Role of Women in Bhutanese Society
Event Poster Role of Women in Bhutanese Society © FNF South Asia

Als bislang einziges Land der Welt misst das kleine Königreich Bhutan im Himalaya das Bruttonationalglück. Es beruht auf vier Säulen: ökologischer Nachhaltigkeit, nachhaltiger und gerechter wirtschaftlicher Entwicklung, guter Regierungsführung und Gleichheit vor dem Gesetz sowie Förderung eines freien und resilienten Kulturlebens. Dabei kommt auch dem Schutz und der Förderung von Frauen wie auch Kindern seit Jahren eine besondere Bedeutung in der Regierungsarbeit zu. Verglichen mit anderen Staaten in Südasien genießen die Frauen in Bhutan einen besseren Status und mehr Rechte. Trotz aller Fortschritte sehen sich Bhutanerinnen aber immer noch indirekten und subtilen Formen der Benachteiligung ausgesetzt.

Auf einer Online-Veranstaltung der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in Kooperation mit der Thomas Dehler Stiftung Mitte Dezember 2021 diskutierten Unternehmerinnen und Geschäftsführerinnen von Organisationen der Zivilgesellschaft die Rolle der Frauen in der modernen bhutanischen Gesellschaft. Seit vielen Jahren übernehmen die Frauen Verantwortung in Bereichen, die zuvor von Männern dominiert waren, und leisten so einen entscheidenden Beitrag zur Gleichstellung der Geschlechter in dem kleinen Himalaya-Staat mit seinen rund 770.000 Einwohnern. Die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit will mit ihren Veranstaltungen die Entwicklung des Königreichs im Himalaya hin zu mehr Demokratie, Teilhabe und Pluralität begleiten.

Seit 2021 ist die Stiftung mit ihrem Partner Bhutan Media Foundation mit einem Projekt in Bhutan engagiert. Zuvor waren diplomatische Beziehungen mit Deutschland aufgenommen worden. Maik Schnierer, Programmleiter der Stiftung im Landesbüro Bayern, berichtete, dass das Anfang 2021 vom Büro in New Delhi organisierte erste Webinar zu den Themen Freiheit und Glück eine überwältigende Resonanz erfahren habe. Bhutan sei ein sehr gutes Beispiel dafür, wie gute Regierungsführung das Rückgrat einer Demokratie formen könne.

Die großen Herausforderungen für die Frauen des Landes skizzierte Dr. agr. Irmela Harz, Vizepräsidentin der Deutschen Bhutan Himalaya Gesellschaft, die die Veranstaltung unterstützte. Harz selbst lebte 17 Jahre lang in Bhutan, zog dort ihre beiden Söhne groß und traf in ihrer Zeit zahlreiche Frauen, die sich für die Zukunft des Landes stark gemacht haben. Wie überall auf der Welt seien aber die meisten Bhutanerinnen nicht in gehobenen Positionen tätig, sondern müssten als Hausfrau, Mutter, Bäuerin, Unternehmerin Multitasking beherrschen und zum Familieneinkommen beitragen, so die Agrarwissenschaftlerin. Wegen der starken Landflucht und der beengten Wohnverhältnisse in den Städten lebten immer seltener mehrere Generationen unter einem Dach, die sich zum Beispiel auch um die Kinder gekümmert hätten.

Schon vor Einführung der 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (englisch: Sustainable Development Goals, SDGs), mit denen die Vereinten Nationen bis 2030 u.a. eine Gleichstellung der Geschlechter anstreben, habe die Förderung von Gleichberechtigung in den Entwicklungszielen des Königreichs Priorität gehabt, unterstrich Moderatorin Namgay Zam, Geschäftsführerin bei der Journalists’ Association of Bhutan, räumte allerdings auch ein, dass es zwar in einigen Bereichen große Fortschritte, in anderen, etwa den Medien, aber nur sehr kleine Schritte gegeben habe.

Mit einem Zitat der ersten US-Außenministerin, Madeleine Albright, leitete Diskussionsteilnehmerin Aum Phuntshok Chhoden, ihr Statement ein. Erfolg ohne Demokratie sei unwahrscheinlich, Demokratie ohne Frauen sei unmöglich, zitierte die Geschäftsführerin von Bhutan Network for Empowering Women (BNEW), einer Organisation der Zivilgesellschaft, die sich für die Teilhabe von Frauen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft einsetzt. Für die Demokratie hatte der Vorgänger und Vater des heutigen Königs den Grundstein gelegt.

Mit dem Antritt seines Sohnes, Jigme Khesar Namgyel Wangchuck, war Bhutan 2008 zu einer konstitutionellen Monarchie geworden.

In dem Land, in dem Frauen zwar mehr als 50 Prozent der Bevölkerung stellten, Geburten von Mädchen gewollt seien oder Männer zum Beispiel ganz selbstverständlich nach der Hochzeit zur Familie ihrer Frau zögen, würde man immer noch selten Frauen in Führungspositionen finden, so Chhoden. Im Parlament betrage der Frauenanteil aktuell gut 15 Prozent, auf lokaler Ebene seien es noch weniger, im Kabinett finde sich unter zehn Mitgliedern mit der Gesundheitsministerin gerade mal eine Frau. Immer noch verhinderten tief verwurzelte Vorurteile von Männern, dass Frauen bestimmte Positionen erreichen könnten. Um die Gleichstellung, wie sie auch im 5. Ziel der SDGs verankert ist, hält Chhoden einen Top-Down-Ansatz für unerlässlich. Der Staat müsse den Prozess mit klaren Vorgaben begleiten.

Tshering Dolkar arbeitet als Geschäftsführerin bei Respect, Educate, Nurture and Empower Women (RENEW), einer Organisation, die 2004 von Königinmutter Sangay Choden Wangchuck, einer Ehefrau des Vaters des heutigen Königs, gegründet wurde. Die Organisation unterstützt Opfer häuslicher und geschlechtsspezifischer Gewalt dabei, finanziell und emotional unabhängig zu werden, um ein selbstbestimmtes Leben führen zu können. Die Situation betroffener Frauen versucht RENEW mit Services wie geschützten Räumen für die betroffenen Frauen, rechtlicher Unterstützung und Mikrofinanzierungen zum Aufbau von Unternehmen zu verbessern. Dolkar hofft, dass die Betroffenen künftig als Multiplikatoren wirken werden.

Dass schon früh auch ungewöhnliche Karrieren in Bhutan möglich waren, beweist die Vita von Aum Sonam Wangmo, die als Mutter von drei Kindern mit Yudruk Tours 1985 einen der ersten Reiseveranstalter des Landes gründete und damit in einer Zeit, als die Wirtschaft Bhutans noch fest in der Hand von Männern war und der Tourismus in den Anfängen steckte. So war erst 1982 ein Flughafen gebaut worden. Als Organisatorin von Trekking-Touren setzte sich Wangmo erfolgreich in einem reinen Männer-Business durch. Wangmo, die sich heute auch in zahlreichen sozialen Projekten und in einem Hospital ehrenamtlich engagiert, unterstrich zudem die Bedeutung sozialen Engagements, um gesellschaftliche Probleme zu lösen. Oder wie es Moderatorin Zam ausdrückte: „Frauen sind selten ein Teil des Problems, aber oft ein Teil der Lösung.“

Welche Chancen und Herausforderungen sich für die Frauen in Bhutan künftig ergeben würden, wollte Namgay Zam zum Abschluss wissen.

Unternehmerin Sonam Wangmo betonte, welche Möglichkeiten die Digitalisierung böte, insbesondere beim zügigen Erhalt von Informationen oder beim Gründen von Unternehmen. Phuntshok Chhoden äußerte sich zuversichtlich, dass Bhutan künftig die Chance habe, mehr Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern herzustellen. Optimistisch stimme sie, so Moderatorin Zam, ein Ereignis aus der jüngeren Geschichte des Landes. Vor einigen Jahren seien Bhutanerinnen in den ursprünglich nur von Männern ausgeübten Nationalsport Bogenschießen eingestiegen. Ein Aufschrei sei zunächst durch das Land gegangen und negative Ereignisse wie etwa ein Hagelsturm als schlechtes Omen gewertet worden. Schnell habe man sich jedoch an die Veränderung gewöhnt. Jüngst habe in ihrer Nachbarschaft eine große Gruppe von Männern und Frauen zusammengespielt, die Frauen gewannen und sofort wollten die Männer die Siegerinnen in ihre Teams holen.

Die Online-Serie über Bhutan werde fortgesetzt, kündigte Dr. Carsten Klein, Leiter des Regionalbüros Südasien der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, an. Und freute sich passend zum Thema darauf verweisen zu können, dass die Stiftung mit Annett Witte seit Dezember 2021 erstmals in ihrer Geschichte eine Hauptgeschäftsführerin habe.