EN

Bhutan
"Bhutans Ansatz ist für Länder weltweit eine Inspiration"

Bhutan event poster
Liberty and Happiness in Bhutan Poster © FNF South Asia

Ein Königreich im Himalaja hat im Kampf gegen die Coronavirus-Krise eine der weltweit beeindruckendsten Erfolgsgeschichten geschrieben. In Bhutan – einem buddhistischen Land, das zwischen Indien und China liegt – gab es seit Pandemiebeginn nur einen einzigen bestätigten Todesfall im Zusammenhang mit der Krankheit. Zudem gelang es den Gesundheitsbehörden des Landes, die Bevölkerung in Rekordgeschwindigkeit durchzuimpfen: Binnen zwei Wochen erhielten 93 Prozent der Erwachsenen ihre erste Dosis. Das machte Bhutan zu einem der führenden Länder in der globalen Impfrangliste.

Eine herausragende Stellung in der Weltgemeinschaft ist für das Land nichts Neues: Bhutan, das vor allem vom Export von Energie aus Wasserkraft lebt, gilt als einziges klimaneutrales Land der Welt – dank seiner Wälder nimmt es mehr Kohlendioxid auf, als es verursacht. Zudem stößt der fast 800.000-Einwohner-Staat mit seinem einmaligen Fokus auf das sogenannte Bruttonationalglück, das anstelle des Bruttoinlandsproduktes maximiert werden solle, auf internationale Aufmerksamkeit.

In der Online-Veranstaltung "Liberty and Happiness in Bhutan" der Friedrich-Naumann-Stiftung diskutierten ranghohe Vertreter aus Bhutans Politik sowie politische Kommentatoren die Herausforderungen des Landes – und was der Westen von dem Himalaja-Staat lernen kann. Bettina Stark-Watzinger, FDP-Bundestagsabgeordnete und Vorstandsmitglied der Friedrich-Naumann-Stiftung bezeichnete Bhutans ausbalancierte Entwicklungspolitik als bemerkenswertes Vorbild. "Bhutans Ansatz ist für Länder weltweit eine Inspiration."

Stark-Watzinger verwies darauf, dass Deutschland und Bhutan nach jahrzehntelangen Kontakten Ende vergangenen Jahres offizielle diplomatische Beziehungen aufnahmen. Sie sieht in der Zusammenarbeit Potenzial: "Beide Länder haben gemeinsame Interessen sowohl beim Erhalt eines regelbasierten internationalen Multilateralismus als auch in der Klimapolitik", sagte sie.

"Beide Länder haben gemeinsame Interessen sowohl beim Erhalt eines regelbasierten internationalen Multilateralismus als auch in der Klimapolitik"

Bettina Stark- Watzinger
Bettina Stark Watzinger, FDP-Bundestagsabgeordnete, Vorstandsmitglied der Friedrich-Naumann-Stiftung

Der frühere UN-Botschafter Bhutans, Dasho Paljor J. Dorji, der auch als einer der bekanntesten Umweltschützer des Landes gilt, bezeichnete die Aufnahme der diplomatischen Beziehungen als überfällig. "Ich habe immer gesagt: Wenn man mit Europa in Kontakt sein möchte, muss man sich an Deutschland wenden."

 

Bhutans Konzept des Bruttonationalglücks beschrieb er als einen wertegeleiteten Ansatz zur Entwicklung des Landes. Auf individueller Ebene sei Glück schwer messbar. Eine Gesellschaft erkenne aber mit Blick auf Indikatoren etwa zu Bildung, Umweltschutz, Gerechtigkeit und Demokratie, ob sie sich in die richtige Richtung bewege. Bhutan ist eine junge Demokratie: Die absolute Monarchie endete 2008 – seither übernimmt der König als Staatsoberhaupt vorwiegend repräsentative Aufgaben.

"Wenn wir das Bruttonationalglück in das Zentrum stellen, bedeutet das nicht, dass wir wirtschaftliche Fortschritte für unwichtig halten", sagte Dr. Passang Dorji, ein Politologe und früherer Journalist, der heute Abgeordneter in Bhutans Parlament ist. "Uns als Nation geht es aber darum, eine Balance zu finden zwischen dem Streben nach Spiritualität und Materialismus." Dazu gehöre es, einerseits die Freiheit jedes Einzelnen zu garantieren, aber gleichzeitig dafür zu Sorgen, dass niemand das Glück oder die Freiheiten anderer einschränke.

Pramit Pal Chaudhuri, Kolumnist der indischen Tageszeitung "Hindustan Times" und Fellow am Ananta Aspen Centre in Neu-Delhi, betonte, dass Bhutan trotz seiner Erfolge in der Entwicklungspolitik mit erheblichen Herausforderungen konfrontiert sei. Dazu zähle der Klimawandel, der Bhutans Gletscher bedrohe, der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit und die Positionierung zwischen den zunehmend rivalisierenden Großmächte China und Indien in seiner unmittelbaren Nachbarschaft. "Um Freiheit und Glück zu bewahren geopolitisch noch geschickter auftreten, als es das Land bereits in der Vergangenheit tat."

FDP-Abgeordnete Stark-Watzinger verwies darauf, dass Bhutans Glücksfokus tief in der Kultur des Landes verankert und deshalb nicht ohne Weiteres von anderen Ländern übernehmbar sei. "In jedem Fall können wir von Bhutan aber lernen, wie wichtig der Fokus auf unser mentales Wohlergehen ist." Die Erfahrungen der Pandemie hätten dies zusätzlich unterstrichen.