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Moldau
Parlamentswahlen Moldau: Klarer Sieg der Proeuropäer

Die moldauische Präsidentin Maia Sandu gibt ihre Stimme bei den moldauischen Parlamentswahlen 2025 ab.

Die moldauische Präsidentin Maia Sandu gibt ihre Stimme bei den moldauischen Parlamentswahlen 2025 ab. 

© picture alliance / ZUMAPRESS.com | Денисов Вадим

Europa kann aufatmen: Die Parlamentswahl in der Republik Moldau hat einen deutlichen Erfolg für die proeuropäischen Kräfte gebracht. Die Regierungspartei PAS von Präsidentin Maia Sandu behauptete ihre absolute Mehrheit im Parlament und kann den pro-westlichen Reformkurs des Landes fortsetzen. Trotz spürbarer wirtschaftlicher Belastungen und massiver Einflussversuche Moskaus stellten sich die moldauischen Wähler mehrheitlich hinter den EU-Kurs – ein empfindlicher Rückschlag für Kremlchef Wladimir Putin und seine Ambitionen, den verlorenen Einfluss in Osteuropa zurückzuerobern.

Nach Auszählung fast aller Stimmen kam die regierende „Partei der Aktion und Solidarität“ (PAS) von Maia Sandu - trotz Vorwahl-Umfragewerten von lediglich um die 30% - auf 50 % der Stimmen und erhält damit voraussichtlich 55 der 101 Sitze im Parlament. Somit dürfte die Mehrheit der unentschlossenen Wähler (ca. 20%), die mit der Regierungsperformance nicht zufrieden waren, aus Angst vor Russland letztendlich doch die sichere Option für Europa gewählt haben.

Die wichtigste prorussische Konkurrenz, der „Patriotische Block“ um Ex-Präsident Igor Dodon, lag mit 24 % deutlich dahinter. Daneben schafften drei weitere formell prorussische Kräfte knapp den Einzug ins Parlament: das Bündnis Alternativa (8,0 %) um den Bürgermeister der Hauptstadt Chisinau Ion Ceban,, die Gruppierung „Unsere Partei“ des Oligarchen Renato Usatîi (6 %) sowie – völlig überraschend – die Kleinpartei „Demokratie Zuhause“ (PPDA) mit 5,6 %. Letztere galt zuvor als unbedeutend, sprang aber in letzter Minute über die 5%-Hürde. Die Wahlbeteiligung lag bei rund 52 % (höher als 48 % in 2021), was auf die starke Mobilisierung der Auslands-Moldauer zurückgeführt wird, die erneut zu 80% für die PAS stimmten.

Der Wahlsonntag verlief weitgehend geordnet, jedoch nicht ohne Störungen. Bombendrohungen gegen zahlreiche Wahllokale – sowohl im Inland als auch bei Auslands-Wahllokalen für die Diaspora – überschatteten die Abstimmung. An einer Brücke zur abtrünnigen Region Transnistrien kam es wegen einer Bombendrohung zu Sperrungen, so dass einige dortige Wähler nicht zur Abstimmung gelangen konnten. Die moldauische Beobachterorganisation Promo-Lex meldete insgesamt 254 Zwischenfälle – von unbefugten Personen in Wahllokalen bis hin zu Wählern, die ihren Stimmzettel fotografierten.

Trotz aller Unruhewarnungen bewerteten internationale Beobachter den Urnengang als insgesamt frei und kompetitiv. Präsidentin Maia Sandu bedankte sich am Wahlabend bei den Bürgern für die hohe Beteiligung und betonte, sie alle hätten „die Zukunft des Landes für viele Jahre entschieden“. Allerdings warnte Sandu zugleich vor möglichen Unruhen in den kommenden Tagen, da unterlegene prorussische Kräfte das Ergebnis anzweifeln könnten. Tatsächlich rief Igor Dodon bereits vor Ende der Auszählung seine Anhänger zu Protesten auf und behauptete ohne Belege, die PAS habe „die Wahl verloren“ und es habe Manipulation gegeben. Diese unbegründeten Betrugsvorwürfe lassen befürchten, dass die Opposition das klare Votum der Wähler nicht anerkennt und innenpolitische Spannungen schürt.

Wahlschlappe für Putin

Die klare Niederlage der kremlnahen Lager in Moldau bedeutet einen Prestigeverlust für Moskau. Präsident Putin hatte viel politisches Kapital investiert, um die prowestliche Regierung in Chișinău zu stürzen. Das Ziel: ein Exempel statuieren, dass eine weitere ex-sowjetische Republik nicht erfolgreich in EU und NATO integriert werden kann. Moldau mag klein sein, aber sein Schicksal sendet ein Signal an Länder wie Armenien, Georgien oder die Balkanstaaten. Ein Sieg der Demokratie in Chișinău zeigt: selbst unter massivem Druck kann ein Staat aus der russischen Einflusssphäre den Weg nach Europa fortsetzen. Für Putin ist dies eine blamable Schlappe, die sein Konzept der „russischen Welt“ unterminiert.

Der vermeintliche “Siegeszug” Russlands in seinem Einflussgebiet ist ins Stocken geraten. Putin steht nun vor dem Problem, dass ein weiteres Nachbarland sich dauerhaft seiner Kontrolle entzieht.

Ein Grund zur Besorgnis?

Für besonderes Aufsehen bei dieser Wahl sorgte das Abschneiden der bisher randständigen Partei „Democrația Acasă“ (PPDA) unter Vasile Costiuc. Beobachter sehen darin ein neues Muster russischer Einflussnahme. Ähnlich wie in Rumänien im Jahr 2024 eine aus dem Nichts gegründete Partei der Jungen (POT) plötzlich den rechtspopulistischen Außenseiter Călin Georgescu via TikTok zum Präsidentschaftsfavoriten aufbaute, scheint in der Moldau dasselbe Netzwerk am Werk gewesen zu sein. Costiucs PPDA lag in Umfragen lange unter 2 %, kletterte am Wahlabend aber überraschend über 5 %. Recherchen des Think-Tanks Expert Forum (EFOR) aus Bukarest deckten eine orchestrierte TikTok-Kampagne zugunsten von Costiuc auf. Über 400 Videos mit teils millionenfachen Aufrufen wurden über dubiose Konten verbreitet, um den PPDA-Chef populär zu machen. Die Analyse ergab klare Anzeichen manipulierten Algorithmus-Boostings – eine Flut an verdächtigen Followern und koordinierten Inhalten, die organische Trends vortäuschen sollte. Interessanterweise kündigte der rumänische Vorsitzende der rechtsextremen AUR Partei, George Simion, wenige Tage vor der Wahl an, seine eigene Partei (den moldauischen Ableger der rechtspopulistischen AUR) von der Wahl zurückzuziehen, und empfahl offen die Wahl von Costiucs PPDA. Damit fungierte Democrația Acasă faktisch als Stellvertreter der nationalistischen AUR, die in Moldau ursprünglich für eine Vereinigung mit Rumänien stand, jedoch gleichzeitig von pro-russischen Netzwerken unterstützt wird.

Dass PPDA/Democrația Acasă den Sprung ins Parlament geschafft hat, ist ein weiteres Lehrstück dafür, wie neue politische Akteure gezielt aufgebaut werden können. Nun zeigt sich, dass russische Einflussnahme zunehmend subtilere Wege geht: Statt nur auf etablierte prorussische Parteien zu setzen, werden scheinbar „frische“ Protestparteien ins Rennen geschickt, unterstützt durch virale Online-Kampagnen. Gerade junge Wähler sollen über TikTok & Co. angesprochen und von der proeuropäischen Regierung enttäuscht werden. Die Lehre daraus: Demokratische Staaten – ob in Osteuropa oder anderswo – müssen ihre digitale Resilienz stärken. Die Fälle POT/Georgescu in Rumänien und PPDA/Costiuc in Moldau zeigen, wie schnell Desinformation und algorithmische Manipulation politische Newcomer großmachen können. Künftige Wahlen könnten ähnliche Phänomene in ganz Europa hervorbringen. Moldaus Erfahrung beweist, dass eine wachsame Zivilgesellschaft und internationale Unterstützung solche Operationen zwar erschweren können – ganz verhindern ließen sie sich aber nicht.