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Nachruf
Mann der klaren Sprache

Gerry Kley ist tot. Der Hallenser Liberale, von 2002 bis 2006 Sozialminister Sachsen-Anhalts, starb im Alter von 60 Jahren.
Gerry Kley
Gerry Kley © picture alliance / dpa | Jens Wolf

Es war eine erschütternde Nachricht, die sich am Donnerstag in der liberalen Familie verbreitete: Gerry Kley ist tot, friedlich entschlafen in der Nacht zwischen 14. April und 15. April 2021. Jener Gerry Kley, den alle als sportliche Erscheinung in Erinnerung haben – körperlich fit, geistig alert, rhetorisch brillant. Das Leben ist nicht gerecht. Er starb viel zu früh.

Gerry Kley gehörte zu jener ostdeutschen Generation, die zum Zeitpunkt des Mauerfalls 1989 ein geradezu optimales Alter hatten, um durchzustarten. 1960 in Eisenach geboren, studierte er nach dem Abitur in Halle/Saale an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Biologie und war nach dem Diplomabschluss 1986 am Fachbereich Genetik der Universität als Aspirant tätig. Wäre die Wende nicht gekommen, hätte Gerry Kley wohl eine wissenschaftliche Laufbahn eingeschlagen – als blitzgescheiter Kopf, der große Freude an der Diskussion kontroverser Theorien und Evidenz hatte. Aber es kam anders, wie bei so manchem seiner Generation. Er ging nach der friedlichen Revolution in die Politik, wurde Mitglied der Liberaldemokratischen Partei Deutschlands (LDPD) und damit ab August 1990 in der FDP. Dort gehörte er auch hin, mit Herz und Verstand. Sein Bekenntnis zur Freiheit als wichtigster Grundwert der Gesellschaft war unerschütterlich.

Ab 1990 bis 2014 folgte eine Vielzahl von Ämtern in der liberalen Familie sowie in unterschiedlichen Parlamenten und Räten. Er war unter anderem Mitglied des FDP-Bundesvorstands, Landesvorsitzender der Jungen Liberalen, Vorsitzender der Vereinigung Liberaler Kommunalpolitiker in Sachsen-Anhalt (VLK) sowie Vorsitzender des FDP-Kreisverbandes Halle und langjähriges Mitglied des Stadtrats von Halle. Er gehörte 1990 der ersten frei gewählten Volkskammer der DDR an, buchstäblich ein Mann der ersten Stunde. Er war von 1990 bis 1994 sowie zwischen 2002 und 2011 Mitglied des Landtags von Sachsen-Anhalt und dort von 2006 bis 2011 Vorsitzender des Umweltausschusses. In der CDU/FDP-Regierung 2002 bis 2006 war er Landessozialminister. In diese Zeit fielen außerordentlich wichtige Strukturentscheidungen in seinem Ressort, allen voran die Reform der Kinderbetreuung mit dem sogenannten KiFöG, dem Kinderförderungsgesetz, das wesentliche neue Elemente der Bildung in die Kinderbetreuung mit aufnahm. Ein Volksentscheid gegen dieses Gesetz, angestoßen von einer Bürgerinitiative der politischen Linken, fand bundesweit große Beachtung, scheiterte aber am Schluss deutlich. Gerry Kleys Modernisierung wurde Realität, ein wesentlicher Baustein in der Bilanz der Landesregierung.

Als FDP-Minister- bzw. Fraktionskollege habe ich mit Gerry Kley in der Zeit 2002 bis 2008 intensiv zusammengearbeitet. Wir sahen uns wöchentlich, oft in langen und intensiven Sitzungen vor allem des Kabinetts. Sein rhetorisches Talent war glanzvoll und wurde weithin gewürdigt: Er redete, soweit es die Sache zuließ, auch im Landtag völlig frei – ganz im Unterschied zu den meisten anderen Abgeordneten und Ministern gleich welcher Couleur. Er argumentierte stets geradlinig und sachkundig, oft mit humorvoller Ironie, aber gelegentlich auch sehr scharf, was ihm viele Gegner einbrachte. Aber so war sein Verständnis von Politik: streitbare Auseinandersetzung in der Sache und kein langweiliges Lesen und Predigen von Altbekanntem. Ein geborener Parlamentarier.

Und ein professioneller politischer Handwerker. Wenn es darum ging, an Positionen zu feilen und Mehrheiten zu schaffen oder zu verteidigen, war er zur Stelle. Auch in schwierigsten Lagen konnte man sich auf ihn verlassen. Dabei hatte er ein untrügliches Sensorium für jene Situationen, in denen politische Kontrahenten oder auch Freunde blanke persönliche Interessen in moralisierenden Scheinargumenten camouflierten. Für diese Art von Heuchelei – durchaus üblich in der Politik – hatte er nicht das geringste Verständnis. Das lief seinem ausgeprägten Gefühl für Fairness zuwider.

Nach seinem Ausscheiden aus der aktiven Politik 2014 wandte er sich ganz seiner Umwelt-Consulting-Firma Biancon zu, die er seit 2006 als Geschäftsführer leitete. Ehrenamtlich aktiv blieb er bis zuletzt als Präsident des Leichtathletikverbands Sachsen-Anhalt. Er, der Sportsmann, der sich in den Achtzigerjahren als Sprinter zu DDR-Zeiten einen Namen gemacht hatte – mit 100-Meter-Zeiten, die sich bis heute sehen lassen können.

Die liberale Familie wird Gerry Kley vermissen. Die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit trauert um ihn. Unser Mitgefühl gilt seiner Frau Dorothee und seinen beiden Söhnen.