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Ostern in Jordanien
Christliche Traditionen im muslimischen Umfeld

Church

Worshippers hold candles during Easter Mass in the Jordanian capital Amman, April 16, 2023. 

© (OSV News photo)

Wenn man an Jordanien denkt, kommen einem meist Bilder von Moscheen und islamischen Traditionen in den Sinn. Dabei hat das Christentum im Königreich tiefe Wurzeln und auch heute noch spielen Christen eine bedeutende Rolle im kulturellen und gesellschaftlichen Leben des Landes. Dieser Artikel gibt Einblick in die Religionsfreiheit in Jordanien, die Präsenz des Christentums im Land und die Feierlichkeiten rund um Ostern in dem mehrheitlich muslimischen Land.

Religionsfreiheit, ein Grundpfeiler des liberalen Denkens

Das Konzept der Religionsfreiheit war schon früh Teil liberaler Überlegungen.  Bereits im 17. Jahrhundert plädierte der britische Philosoph John Locke für die Trennung von Kirche und Staat, setzte sich für religiöse Toleranz und den Schutz individueller Glaubensfreiheit ein. Für Locke konnte echter Glaube nicht durch Zwang entstehen, sondern musste Ergebnis einer freien und persönlichen Überzeugung sein.

Im 19. Jahrhundert betonte der Philosoph John Stuart Mill in seinem Werk „On Liberty“ die Bedeutung individueller Autonomie und der freien Meinungsäußerung, einschließlich religiöser Überzeugungen. Er schrieb: „Der Staat ist nicht berechtigt, moralische oder religiöse Orthodoxien durchzusetzen, und hat kein Recht, in die privaten Glaubensüberzeugungen von Individuen einzugreifen, solange diese anderen nicht schaden.“

Für Mill waren individuelle Freiheit und Selbstbestimmung Grundpfeiler einer gerechten Gesellschaft. Menschen müssen, laut Mill, ihre Überzeugungen frei äußern dürfen – auch wenn diese als falsch gelten –, da der offene Diskurs und die Möglichkeit, Ansichten zu hinterfragen, dem gesellschaftlichen Fortschritt diene. Kein Mensch oder keine Gruppe könne ein Wahrheitsmonopol beanspruchen, denn der Mensch sei fehlbar und selbst mehrheitlich akzeptierte Überzeugungen könnten sich als falsch erweisen.

Christentum in Jordanien: Eine tief verwurzelte Präsenz

Die Ausbreitung des Christentums in der Levante ist sowohl durch religiöse als auch historische Quellen gut dokumentiert. In Jordanien selbst finden sich mehrere zentrale biblische Stätten– etwa „Bethanien jenseits des Jordan“, das als Taufstelle Jesu durch Johannes den Täufer gilt, sowie der Berg Nebo, von dem aus Mose das Gelobte Land gesehen haben soll. Unter römischer und byzantinischer Herrschaft florierte das Christentum in der Region. Die Überreste antiker Kirchen – viele aus dem 4. bis 7. Jahrhundert – sind in Städten wie Madaba, Umm Qais und Jerash noch heute zu finden.

Im Jahr 2025 sind schätzungsweise 2–4 % der jordanischen Bevölkerung Christen. Die Mehrheit gehört der griechisch-orthodoxen Kirche an; weitere Konfessionen sind u. a. die römisch-katholische, die armenisch-orthodoxe sowie verschiedene protestantische Kirchen.

Die jordanische Verfassung garantiert einen relativ hohen Grad an Religionsfreiheit, vor allem im regionalen Vergleich. Zwar heißt es in Artikel 2 der Verfassung: „Der Islam ist die Religion des Staates und Arabisch seine offizielle Sprache“, doch ist die christliche Minderheit durch andere Artikel geschützt. So betont Artikel 14 ausdrücklich die Religionsfreiheit: „Der Staat gewährleistet die freie Ausübung aller Formen der Gottesdienste und religiösen Riten entsprechend den im Königreich geltenden Bräuchen, sofern diese nicht gegen die öffentliche Ordnung oder Moral verstoßen.“

In der Praxis verfügen christliche Gemeinschaften in Jordanien über ein gewisses Maß an Autonomie. Sie führen eigene kirchliche Gerichte bspw. in familienrechtlichen Fragen und betreiben ein Netzwerk von Kirchen, Schulen sowie karitativen Einrichtungen – nicht nur für ihre Mitglieder, sondern auch für die breite Bevölkerung. Zudem nehmen sie aktiv am politischen Leben teil: Ihnen sind Sitze im Parlament garantiert und sie sind in kommunalen Räten vertreten. Trotz ihrer zahlenmäßigen Minderheit spielen Christen eine bedeutende Rolle im kulturellen, wirtschaftlichen und bildungsbezogenen Leben Jordaniens.

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The Church of Saints Constantine and Helena in Amman, Jordan. Nestled amongst olive trees, the church stands as a symbol of Jordan’s deep-rooted Christian heritage and enduring religious coexistence.  

© Photo credit: Gloria Al-Khalasa

Im Geist von Ostern: Einheit und Glaube unter Christen

Ostern besitzt für Christen weltweit eine tiefgreifende Bedeutung – es erinnert an die Auferstehung Jesu Christi. In Jordanien wird dieses bedeutende Fest mit besonderen Traditionen begangen, die nicht nur den Glauben feiern, sondern auch die Einheit und das harmonische Zusammenleben der verschiedenen christlichen Konfessionen im Königreich veranschaulichen.

Historisch gesehen haben die unterschiedlichen christlichen Konfessionen Ostern an verschiedenen Daten gefeiert, bedingt durch den Unterschied zwischen dem gregorianischen und dem julianischen Kalender. Doch vor fast einem halben Jahrhundert einigten sich die christlichen Gemeinschaften in Jordanien darauf, Ostern gemeinsam nach dem julianischen Kalender zu begehen. Ziel war es, die Einheit zwischen Katholiken Orthodoxen und Protestanten zu stärken und gemeinsam die Auferstehung Christi zu feiern.

Die Karwoche beginnt mit dem Palmsonntag, einem Tag von besonderer Bedeutung in Jordanien. Kirchen im ganzen Land füllen sich mit Gläubigen, die an feierlichen Zeremonien teilnehmen, Olivenzweige, Palmblätter und Kerzen hochhalten und in spezielle Gesänge einstimmen.

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On April 13, the Christian community gathered at the Church of Saints Constantine and Helena in Amman to celebrate Palm Sunday with song, prayer, and tradition—showing once again how faith and unity thrive in Jordan.

 

© Photo credit: Gloria Al-Khalasa

Am Karfreitag organisieren viele Gemeinden Kreuzprozessionen durch Städte und Dörfer. Gläubige tragen dabei das Kreuz, singen und gedenken der Kreuzigung und des Todes Jesu. In der Stadt Fuheis zum Beispiel halten die griechisch-orthodoxe, die melkitisch-katholische und die lateinische Kirche gemeinsam das „Gebet des Kreuzwegs“ ab. Diese Veranstaltung zieht viele Gläubige aus der Stadt und Umgebung an und steht exemplarisch für das Miteinander der Konfessionen.

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Good Friday service at the Church of Saints Constantine and Helena, Amman, April 18, 2025. The solemn rituals included the veneration of the cross and the Epitaphios procession, adorned with flowers and prayers, marking the crucifixion and burial of Christ.

© Photo credit: Gloria Al-Khalasa

Die interreligiöse Solidarität in Jordanien zeigt sich auch besonders deutlich zu Ostern. In den letzten Jahren positionierten sich junge Muslime in verschiedenen Teilen des Landes als Schutzwache vor Kirchen, um Christen eine friedliche Feier des Osterfests zu ermöglichen. Diese Geste unterstreicht den gegenseitigen Respekt und das friedliche Miteinander, das die jordanische Gesellschaft prägt. Auch die Regierung erkennt die Bedeutung der Osterfeierlichkeiten an und erklärt den Palmsonntag und Ostersonntag für christliche Beschäftigte im öffentlichen Dienst zu Feiertagen.

Ostern in Jordanien geht somit weit über einen religiösen Feiertag hinaus – es ist Ausdruck von Zusammenhalt, Glauben und gegenseitigem Respekt innerhalb einer vielfältigen Gesellschaft.