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Liberalismus
Vor 35 Jahren: Liberale gründen erste gesamtdeutsche Partei – noch vor der Einheit

Podium auf dem Vereinigungsparteitag 1990 in Hannover

Podium auf dem Vereinigungsparteitag 1990 in Hannover: Otto Graf Lambsdorff, Bruno Menzel, Lothar Ramin, Rainer Ortleb (v.l.n.r.).

© Darchinger, Nutzungsrecht: Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit

Zu den auffälligen Charakteristiken des deutschen Liberalismus gehört gerade auch, dass er in Sachen nationaler Einheit immer eine Vorreiterrolle gespielt hat: Er war der Motor der Nationalbewegung im 19. Jahrhundert, er hat die ersten gesamtdeutschen Organisationen ins Leben gerufen; die Liberalen unterhielten als einzige gesamtdeutsche Parteibeziehungen in der Zeit der deutschen Teilung.

Auch im Zuge der deutschen Wiedervereinigung kam ihre Avantgarde-Rolle nochmals zum Ausdruck, denn die erste gesamtdeutsche Partei wurde von den Liberalen aus Ost und West am 11. und 12. August 1990 gegründet, und damit sogar sechs Wochen vor der staatlichen Einigung, die bekanntlich erst am 3. Oktober erfolgte.

Der Weg zur gesamtdeutschen FDP war nicht ganz einfach gewesen: Zwar hatten westliche Freidemokraten (FDP) und östliche Liberaldemokraten (LDPD) auch zu Zeiten des Kalten Krieges als einzige unter den deutschen Parteien untereinander Kontakt gehalten und sich schnell nach dem Fall der Mauer auf eine enge Zusammenarbeit geeinigt. Aber wegen der ambivalenten Rolle der LDPD als Blockpartei im vorgetäuschten Mehrparteiensystem der DDR wollten nicht alle Sympathisanten des Liberalismus im Osten in dieser Partei mitarbeiten. Es kam deshalb zu weiteren liberalen Parteigründungen und allerhand Irritationen.

Vor allem dem Wirken des damaligen Vorsitzenden der FDP-Bundestagsfraktion Wolfgang Mischnick war es zu verdanken, dass diese Irritationen im Frühsommer 1990 ausgeräumt werden konnten und dass die drei liberalen Organisationen der DDR auf einem Sonderparteitag in Hannover der FDP beitraten.

Unter der Führung des in seinem Amt bestätigten Vorsitzenden Otto Graf Lambsdorff umfasste die neue, gesamtdeutsche Organisation weit über 150.000 Mitglieder, bis heute ein unerreichter Rekord in der Geschichte der FDP. In den Reden des alten und neuen Vorsitzenden und der Ehrenvorsitzenden Hans-Dietrich Genscher und Walter Scheel kam die vor allem von älteren Liberalen empfundene Bedeutung des Augenblicks zum Ausdruck, mit der sich viele Hoffnungen erfüllten, die sich unmittelbar nach 1945 leider nicht hatten verwirklichen lassen. Dieses gesamtdeutsche Vorpreschen legte auch den Grundstein für den großen Wahlerfolg bei den ersten gesamtdeutschen Bundestagswahlen knapp fünf Monate später.

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