Zum 85. Geburtstag
Hermann Otto Solms: freiheitsliebend, konsequent, loyal
Hermann Otto Solms
© picture alliance / Eibner-Pressefoto | Sandy DinkelackerEin halbes Jahrhundert bundesdeutscher Politik von der Ära Brandt/Scheel bis zum Ende der Kanzlerschaft Angela Merkels umfasst das parlamentarische Wirken von Hermann Otto Solms – ein unvergleichlicher Akteur der Parlaments- und liberalen Parteigeschichte. „Urgestein“ heißt es dann üblicherweise. Wer so charakterisiert wird, hat prägenden Einfluss auf die Geschicke des Landes ausgeübt. Ganz besonders gilt dies für Solms und seinen Begriff von Freiheit und Selbstbestimmung, Loyalität und Konsequenz in der Politik.
Die neue Reform- und Ostpolitik von Walter Scheel hatte 1971 den – wie Solms sich damals selbst beschrieb – „Schach spielenden, libertären Revolutionstouristen aus der oberhessischen Provinz“ zum Eintritt in die FDP bewogen. Ein eher ungewöhnlicher Schritt im ideologisch geprägten 68er Umfeld der Universitäten in Frankfurt und Gießen. Die Sympathie für den sozialliberalen Reformaufbruch verband sich bei Solms zugleich mit dem Interesse für wirtschafts- und finanzpolitische Fragen. Bereiche, die später den Schwerpunkt seiner parlamentarischen Arbeit bilden sollten.
Erheblichen Einfluss darauf dürfte auch seine politische „Lehrmeisterin“ Liselotte Funcke gehabt haben: Drei Jahre lang, von 1973 bis 1976, war Hermann Otto Solms Persönlicher Referent der langjährigen FDP-Finanzexpertin und Bundestagsvizepräsidentin. Zu diesem Zeitpunkt hatte Solms bereits im In- und Ausland erfolgreich eine Banklehre und ein Studium der Wirtschafts- und Agrarwissenschaften absolviert sowie einen entsprechenden Doktortitel erworben.
Eine erste Kandidatur zum Bundestag – auf einem aussichtslosen Listenplatz – scheiterte 1976. Statt sich damit lange aufzuhalten, wechselte er in die Wirtschaft und gründete ein Unternehmen, das Video-Spielautomaten vertrieb, später auch selbst herstellte und die Software entwickelte. „Stillstand ist Rückschritt“ – ein Leitmotiv seiner unternehmerischen wie politischen Arbeit. Er war wie so oft seiner Zeit voraus.
Trotz des sehr erfolgreichen Start-ups ließ ihn die Politik nicht mehr los, zumal Solms wichtig war, dass im Parlament nicht nur „Berufspolitiker ohne Lebenserfahrung“ säßen. Über die hessische Landesliste gelang ihm 1980 der Einzug in den Bundestag, dem er nun mit kurzer Unterbrechung von 2013 bis 2017 vier Jahrzehnte angehörte. Parlamentarier war Hermann Otto Solms von ganzem Herzen, war erst stellvertretender, dann von 1991 bis 1998 Fraktionsvorsitzender der Liberalen. In diesen Jahren – mit wechselnden Parteivorsitzenden – wurde er die Kontinuität verbürgende „stabile Figur“ in der FDP. Bei der Gestaltung der Deutschen Einheit und dem Aufbau Ost hat er sich bleibende Verdienste um unser Land erworben. Die Stabilität der Regierung von Helmut Kohl verdankt sich ihm. Anschließend wirkte er für 15 Jahre als Vizepräsident des Bundestags, für Liberale eine Rekordzeit.
Mit vollem Engagement konzentrierte sich Solms in seiner politischen Arbeit auf das Thema der Belastung von Bürgern und Unternehmen durch die Finanzgier der öffentlichen Hand. Eine leistungsfördernde Steuerpolitik und die Beseitigung investitionshemmender Vorschriften sollten das Gegengift sein, und auf europäischer Ebene „so viel Wettbewerb wie möglich, so viel Harmonisierung wie nötig“. Legendär sind seine steuerpolitischen Reformvorschläge, die mit den drei Schlagworten „einfach, niedrig und gerecht“ beinahe Kultcharakter bekommen haben. An Aktualität hat der Anspruch bis heute leider nichts verloren.
Solms wurde zum „profiliertesten Steuerpolitiker der letzten Jahrzehnte“, wie ihn sein finanzpolitischer Kontrahent Theo Waigel charakterisierte. Ein Zeugnis für das hervorragende Ansehen von Solms als Finanzexperten bildet auch die zu seinem 65. Geburtstag von Paul Kirchhof gestaltete Festschrift „Perspektiven eines modernen Steuerrechts“, deren Autoren und Autorinnen den wirtschaftspolitischen Sachverstand der Bundesrepublik widerspiegeln.
Sein Reformkonzept für die Steuer, ein Stufenmodell, trug erheblich zum grandiosen Wahlerfolg der FDP bei der Bundestagswahl 2009 bei. Dass diese Reform dann nicht umgesetzt wurde, war nicht die Verantwortung von Solms, ebenso wenig wie die Niederlage der FDP 2013. Vielmehr aber spielte Solms beim Wiederaufstieg der Partei in der Zeit der außerparlamentarischen Opposition eine herausragende Rolle. Den Wiedereinzug der FDP in den Bundestag nach vier Jahren krönte Solms mit der Eröffnung des Parlaments als Alterspräsident.
In ganz besonderer Weise hat sich Hermann Otto Solms um die Finanzen der Bundespartei verdient gemacht. Insgesamt 26 Jahre hatte er das wahrlich nicht einfache Amt des FDP-Schatzmeisters inne, auch das ein Rekord. Hier hat er sich immer wieder in die Pflicht nehmen lassen, auch und insbesondere in der schwierigen Zeit nach 2013.
Hermann Otto Solms und Christian Lindner beim 76. Ordentlichen Bundesparteitag der FDP.
© picture alliance/dpa | Bernd von JutrczenkaDie FDP weiß, was sie an ihm hat: Auf meinen Vorschlag hat sie ihn als ersten Nicht-Parteivorsitzenden zum Ehrenvorsitzenden der Partei gewählt. Und auch die Friedrich-Naumann-Stiftung fehlt nicht in der Reihe der Institutionen, die Hermann Otto Solms mit seiner Expertise unterstützt, denn seit vielen Jahren wirkt er im Kuratorium mit. Wer ihn kennt, der weiß, dass er auch jetzt wieder überlegt, wo er am Comeback der Freien Demokraten mitwirken kann.
Heute begeht Hermann Otto Solms seinen 85. Geburtstag. Herzlichen Glückwunsch!