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80. Geburtstag
Helmut Haussmann: Bodenständig, ehrgeizig und mit klarer Kante

Der ehemalige Bundeswirtschaftsminister wird 80 Jahre
Helmut Haussmann zusammen mit Guido Westerwelle

Helmut Haussmann zusammen mit Guido Westerwelle

© Archiv des Liberalismus, F2_0274

„Ich bin Wirtschaftler und komme aus der Wirtschaft“ – klarer hätte das Bewerbungsprofil von Helmut Haussmann nicht lauten können, als er Anfang Dezember 1988 die Nachfolge von Martin Bangemann als Bundeswirtschaftsminister antrat und damit den Höhepunkt seiner politischen Karriere erreichte. Wirtschaft und zwar mittelständische Wirtschaft war dem gebürtigen Tübinger geradezu in die Wiege gelegt. Der 1943 geborene Sohn eines mittelständischen Holzunternehmers, der im schwäbischen Bad Urach aufwuchs und bis heute dort lebt, besuchte das Gymnasium in Metzingen, absolvierte danach ein Bank- und Industriepraktikum und studierte schließlich Wirtschafts- und Sozialwissenschaften an den Universitäten Tübingen, Hamburg und Erlangen-Nürnberg. Dieses schloss er 1968 als Diplomkaufmann ab und wurde zunächst geschäftsführender Gesellschafter im väterlichen Betrieb. 1971 ging er zurück an die Universität und legte 1975 eine Dissertation zum Thema „Unternehmensordnung und Selbstbestimmung“ vor, in der er geradezu maßgeschneidert Theorie und Praxis miteinander verwob.

„Atomrebellen“

Nicht zufällig hatte der damalige FDP-Europapolitiker Ralf Dahrendorf ein Vorwort zu Haussmanns Doktorarbeit beigesteuert. Denn der Unternehmersohn hatte sich 1969 der liberalen Partei angeschlossen, war 1972 den Jungdemokraten beigetreten, saß ab 1975 im Stadtrat von Bad Urach und war Kreisvorsitzender in Reutlingen. Außerdem war er seit 1976 Mitglied des Deutschen Bundestages, seit 1978 Mitglied im FDP-Bundesvorstand und wurde 1983 stellvertretender Landesvorsitzender in Baden-Württemberg. Als er ab 1977 auch noch als wirtschaftspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion tätig wurde und im Wirtschaftsausschuss des Bundestags saß, schien die politische Karriere für den Mittdreißigjährigen reibungslos und rasend schnell zu verlaufen. Aber ganz so bequem machte es sich Haussmann nicht. Zum einen galt er als Befürworter der sozialliberalen Koalition, die nach dem Kieler Bundesparteitag 1977 aus den wirtschaftsliberalen Kreisen der FDP zunehmend kritisch betrachtet wurde. Zum anderen zählte er zu jenen sogenannten „Atomrebellen“, die sich 1979 gegen den Weiterbau des Schnellen Brüters im niederrheinischen Kalkar ausgesprochen hatten und erst durch die Rücktrittsdrohung der FDP-Bundesminister ihren Widerstand aufgaben. „Klare Kante“ blieb auch Haussmanns Motto, als er 1982 die Abkehr der FDP von der sozialliberalen Koalition bedauerte. Dennoch arbeitete er auch in der neuen Koalition mit der CDU/CSU konstruktiv und auch mit zunehmender Sympathie. Das war die Voraussetzung dafür, dass er mit dem Vertrauen des Bundesvorsitzenden Hans-Dietrich Genscher 1984 als Nachfolger von Irmgard Adam-Schwaetzer zum Generalsekretär der FDP gewählt wurde. Hier setzte er sich erfolgreich für eine strategische Offenheit der FDP zwischen mehreren möglichen Koalitionspartnern und eine Stärkung marktwirtschaftlicher Positionen in der bestehenden Koalition ein. Vier Jahre später wurde er dann Wirtschaftsminister.

Haussmann als Wirtschaftsminister

Haussmanns konsequenter Aufstieg war seinem Fleiß, seiner Disziplin, Konsequenz und überdies harter Arbeit zu verdanken. Der Wirtschaftsminister ging 1988 voller Elan in sein Amt: Eine Flexibilisierung der Ladenöffnungszeiten ebenso wie sein Einsatz für die Einführung einer Klimaschutzsteuer auf fossile Energieträger waren zwei seiner bekanntesten Initiativen. Dabei standen die größten Herausforderungen noch bevor. Da musste eine der wichtigsten Wettbewerbsentscheidungen, nämlich die Fusion von Daimler-Benz mit Messerschmidt-Bölkow-Blohm (MBB) getroffen werden, für die der Minister vom Instrument der Ministererlaubnis Gebrauch machte. Im Zusammenlegungsbegehren von MAN mit dem Schweizer Dieselmotorenproduzenten Sulzer legte Haussmann dagegen sein Veto ein. Doch bald schon ging es um eine viel größere Fusion: Die Vereinigung der beiden deutschen Staaten und damit der Um- und Einbau der DDR-Planwirtschaft in eine Soziale Marktwirtschaft stand auf dem Programm. Als die Wirtschafts- und Währungsunion auf den Weg gebracht worden war, sah Haussmann seine Mission als erfüllt an. Einen Tag vor dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik kündigte er den ministeriellen Ruhestand an, den er nach der Bundestagswahl im Januar 1991 umsetzte – voller Optimismus, dass die ostdeutschen Bundesländer nun gute Startchancen hätten.

Rastlosigkeit im „Ruhestand“

Von wirklichem Ruhestand konnte und kann bei dem rastlosen Haussmann aber gar keine Rede sein. Zum einen nahm er bis 2002 sein Mandat im Deutschen Bundestag wahr. Zum anderen war er seit 1991 bei der Unternehmensberatung Capgemini tätig, wurde 1996 zum Honorarprofessor für Internationales Management an der Universität Erlangen-Nürnberg berufen und lehrt seit 2010 als außerplanmäßiger Professor an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Tübingen. Auch in der Politik ließ er sich nochmals einspannen, als er 1999 zum Spitzenkandidaten der Liberalen bei der Europawahl aufgestellt wurde. Er zog aber nicht nach Brüssel und Luxemburg, weil die FDP die Wahl verlor.

Der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit ist Haussmann seit über vier Jahrzehnten eng verbunden, zunächst von 1979 bis 1982 als stellvertretender Vorsitzender und seit mehr als vierzig Jahren als derzeit am längsten amtierendes Kuratoriumsmitglied.

Trotz aller Weltläufigkeit, die er als Minister zu beweisen hatte, blieb Haussmann seiner Heimat Bad Urach, dem Kreis Reutlingen und dem Ermstal treu. Dies bescherte ihm zahlreiche Freundschaften in der Partei und vor allem eine große Beliebtheit in der Bevölkerung. 2022 wurde der Träger des Bundesverdienstkreuzes Erster Klasse deshalb zum Ehrenbürger von Bad Urach ernannt. Darauf ist der passionierte Tennisspieler, Angler und Wanderer besonders stolz.

Haussmann, der laut Fragebogen der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ Freiheit und Gelassenheit liebt, Falschheit verabscheut und Friedensschlüsse bewundert, vollendet am 18. Mai sein achtzigstes Lebensjahr. Dem „Graswurzeldemokraten“ (W. Henkels) ist noch viel Zeit in Gesundheit, Schaffensfreude und Gelassenheit zu wünschen.