EN

Liberale Denker
Friedrich Naumann: „Die Politik als Pflicht“ (25.3.1869-24.8.1919)

Friedrich Naumann

Friedrich Naumann, Namenspatron der Stiftung.

Kurzbiographie

Der Pfarrerssohn Friedrich Naumann studierte von 1879 bis 1883 Evangelische Theologie in Leipzig und Erlangen. 1886 wurde er Pfarrer im Erzgebirge und begab sich gleichzeitig auf politische Pfade, zum Beispiel im „Evangelisch-Sozialen Kongress.“ Nicht nur sein Blick für die „soziale Frage“, sondern auch sein Einsatz für die Emanzipation von Frauen und die Vermittlung zwischen Kunst und Industrie setzten ihn von „typischen“ Zeitgenossen des wilhelminischen Kaiserreichs ab. Während der Jahrhundertwende intensivierte er seinen Einsatz für den politischen Liberalismus und blickte dabei auch auf die Organisation der Partei. Nach der Niederlage des deutschen Kaiserreichs im Ersten Weltkrieg und der Novemberrevolution änderte sich seine politische Idealvorstellung der Staatsform weg von einer liberal-konstitutionellen Monarchie hin zur Demokratie der Weimarer Republik. Als Vorsitzender der Deutschen Demokratischen Partei war Naumann kurz vor seinem Tod 1919 noch an einer zentralen Weichenstellung des deutschen Liberalismus beteiligt.

Damals und heute

Dass Theodor Heuss sich ausgerechnet auf seinen Mentor Friedrich Naumann bezog, als er 1958 nach einem Namen für eine zu gründende liberale politische Stiftung suchte, ist kein Zufall. Die politische Bildung – nicht zuletzt in Form einer „Staatsbürgerschule“ – war ein Kernanliegen von Naumann, der damit einen wichtigen Beitrag für den Übergang von der Monarchie zur parlamentarischen Demokratie leistete. Als Redner, Abgeordneter und Netzwerker prägte Naumann den deutschen Liberalismus in zentralen Jahren der Zeitgeschichte. Die Forderung, dass es mündige Bürger – und Bürgerinnen! – braucht, um das politische Leben eigenverantwortlich zu gestalten, fand in Naumann einen gewichtigen Fürsprecher. In vielerlei Hinsicht ein Kind seiner Zeit, so ist es gerade dieser Anspruch an die „Pflicht zur Politik“, der die Zeitlosigkeit seines Liberalismus ausmacht. Die Übernahme von Verantwortung – von der Meinungsbildung bis hin zur direkten Mitwirkung am politischen Leben – wurde von Naumann in den Mittelpunkt gestellt.

Es ist merkwürdig, wie wenige Menschen sich ernstlich mit Politik beschäftigen. Man vergegenwärtige sich doch einmal den Zustand im Lande! Wenn ein hervorragender Redner kommt, ist natürlich der Saal gedrängt voll, aber die gewöhnlichen laufenden Versammlungen aller Parteien sind gering besucht. […] Gerade wie man früher durch allzu seichtes Geschwätz die Religion verdorben hat, so verdirbt man nun die Politik. In der Tat, wer täglich zum Kaffee eine ganz gedankenlose Anhäufung von zahllosen Bruchstücken und Urteilen in sich aufnimmt ohne je den Zwang zu fühlen, in sich selbst durch Nachdenken klarzuwerden, der muss an politischer Gehirnerweichung erkranken.

Naumann
Friedrich Naumann, Die Politik als Pflicht (1902)

Erziehung besteht aus Mitteilung und Gewöhnung. Was sich von Politik mitteilen lässt, ist so unbegrenzt wie das öffentliche Leben selber. Aber selbst wenn jemand alles wissen sollte, was in Geheimkanzleien, Parlamenten und Versammlungen gesagt und getan wurde, so würde er damit zwar ein historisches Wunderkind, aber noch kein politischer Mensch sein, denn das viele Wissen erzeugt keinen Willen. Im Gegenteil kommt es vor, dass Alleswisser die ärmlichsten Gesellen sind, sobald sie sich zu Rot oder Blau bekennen sollen. Dann stammeln sie lauter Wenn und Aber und sind vor Gescheitheit hilflos wie Kinder. Der Kern der politischen Erziehung ist die Willensbildung.

Naumann
Friedrich Naumann, Erziehung zur Politik (1914)

Ihr seid Bürger, auf euch beruht der Staat. In gewissem Sinne war das schon immer so, denn auch in den altmonarchischsten Zeiten wird kein Staat nur von denen gemacht oder getragen, die an der Spitze stehen. Wird etwa die Landwirtschaft vom Landwirtschaftsminister hergestellt oder die öffentliche Sicherheit vom obersten Polizeimeister? […] Demokratie ist das Wissen jedes Staatsbürgers über seine Staatsbedeutung. Indem ihr sprecht: wir sind der Staat, erfasst ihr den Kern aller politischen Bewegungen des verflossenen 19. Jahrhunderts und bietet euch dar als Bestandteile der regierenden Menge für die kommende Gestaltung. Ihr seid der Staat!

Naumann
Friedrich Naumann, Politische Pflicht (1919)

Bei Medienanfragen kontaktieren Sie bitte:

Florian von Hennet
Florian von Hennet
Leiter Kommunikation, Pressesprecher
Telefon: + 4915202360119