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Burkhard Hirsch
„Er war für uns ein Vorbild“ – digitale Gedenkveranstaltung für Burkhard Hirsch

Burkhard Hirsch, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und Gerhart Baum im Bundes- verfassungsgericht, 2007
Burkhard Hirsch, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und Gerhart Baum im Bundes- verfassungsgericht, 2007 © dpa

Im ungewöhnlichen Rahmen einer digitalen Gedenkveranstaltung lud am vergangenen Montag die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit sechs Mitwirkende ein. Erinnert wurde an den vor drei Monaten verstorbenen ehemaligen nordrhein-westfälischen Innenminister und Bundestagsvizepräsidenten Dr. Burkhard Hirsch (1930-2020). Die Journalistin Ute Welty begrüßte zur Podiumsdiskussion den Sohn des Verstorbenen, Rechtsanwalt Dr. Alexander Hirsch sowie die beiden politischen Zeitzeugen und liberalen Mitstreiter, die früheren Bundesminister Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und Gerhart Baum. Professor Ewald Grothe, Historiker und Leiter des Archivs des Liberalismus, referierte über die Biographie Hirschs, und der stellvertretende NRW-Ministerpräsident und Familienminister Dr. Joachim Stamp hielt zu Beginn ein Grußwort.

Stamp betonte, dass Hirsch ihn mit seiner loyalen und zugleich kritischen Haltung zur FDP tief beeindruckt und politisch nachdrücklich beeinflusst habe. Bis zuletzt habe er mit messerscharfem Verstand die wichtigen rechtspolitischen Debatten verfolgt und sei noch 2019 wichtiger juristischer Ratgeber beim nordrhein-westfälischen Polizeigesetz gewesen. Grothe zeigte Lebensdaten und Bilder von Hirsch in einer Präsentation und konzentrierte sich in seinen Ausführungen auf die Prägungen und die Erinnerungspunkte, die Hirsch in einem ausführlichen Interview vor drei Jahren eindrücklich geschildert hatte. Von seinen persönlichen Erfahrungen in zwei Diktaturen, im Nationalsozialismus und in der Sowjetischen Besatzungszone, blieben bei Hirsch Erinnerungen an nicht-freiheitliche Regime. Sein Lebensweg erzeugte einen Sinn für politische und soziale Gerechtigkeit sowie einen Drang zu Bürgerrechten und Grundfreiheiten, deren Gewährleistung, Aufrechterhaltung und Verteidigung zu seinem Lebensthema wurde.

In der anschließenden Diskussion wurden einige Punkte der Biographie und die lebensbestimmenden Themen Hirschs wieder aufgenommen. Es sei nicht immer leicht gewesen, Sohn eines bekannten Staatsmannes zu sein, betonte Alexander Hirsch. In Zeiten terroristischer Bedrohung Mitte der 1970er Jahre hätten andere Eltern Bedenken gehabt, ihre Kinder mit ihm spielen zu lassen, weil sie vielleicht verwechselt und Opfer einer Entführung werden könnten. Leutheusser-Schnarrenberger schilderte wie sie Hirsch nach 1990 begegnet sei. Zuerst als Konkurrent um das Amt des Bundesjustizministers, anschließend aber als Ratgeber und schließlich als Freund. 1995 hätten sie ihre beiden Rücktritte wegen des FDP-Mitgliederentscheids über den Großen Lauschangriff zusammengeführt, ihrer als Ministerin und seiner als innenpolitischer Sprecher der Fraktion. Gerhart Baum machte in bewegenden Worten deutlich, wie sehr er Hirsch vermisse. Er sei ein persönlicher Ratgeber, ein exzellenter Jurist, ein „Freund des offenen Wortes“ und ein „zutiefst von sozialer Verantwortung geprägter Mann“ gewesen. Hirschs Handlungen seien aus dem Geist der Humanität geboren; in den Freiburger Thesen von 1971 habe ihm besonders der Umweltschutz viel bedeutet. Als Dreiergespann Hirsch-Baum-Leutheusser-Schnarrenberger hätten sie vor dem Bundesverfassungsgericht vieles für die Freiheitsrechte und den Datenschutz erreicht.

Ein zentraler Gesprächsgegenstand war die mögliche Haltung Hirschs zur aktuellen Corona-Krise. Alexander Hirsch betonte, dass sein Vater die staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie sicher gutgeheißen hätte. Der Staat habe aus seiner Sicht eine eigene Würde und müsse den Schutz seiner Bürger gewährleisten, ohne dabei das Maß zu verlieren. Leutheusser-Schnarrenberger belegte dies mit einem eindrucksvollen Zitat Hirschs, der einen „stiefelknallenden Staat“ abgelehnt, aber einen handlungsfähigen Staat, der nicht als Vormund des Bürgers auftrete, befürwortet habe. Ihr und vielen Liberalen sei Hirsch mit seiner Haltung und seinen Werten ein Vorbild gewesen.

Zum Schluss dieser würdigen Gedenkveranstaltung war man sich in der Gesprächsrunde einig, dass Burkhard Hirschs Werte uns alle verpflichten sollten: Freiheitsrechte, soziale Verantwortung und ein wachsamer und wertegeleiteter liberaler Rechtsstaat. Den scharfsinigen Denker und den brillianten Formulierer, den stets ein feinsinniger Humor auszeichnete, vermissen wir alle.