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Philippinen
Demokratie in Bedrängnis: Duterte-Verbündete erobern den Senat

Der Rekorderfolg bestätigt die immense Beliebtheit des Präsidenten
Duterte

Eine Wahlbeobachterin schaut auf den Philippinen, wie die Wahl vor sich geht.

© Rappler

Seit dem Sturz von Diktator Markos und der Rückkehr zur Demokratie 1986 konnte bei allen Zwischenwahlen die Opposition Sitze im Senat gewinnen. Dieses Mal gewannen neun Regierungskandidaten und drei Unabhängige. Kein einziger Oppositionspolitiker wurde in den Senat gewählt.

Mit dem Triumph der Regierung geht die Befürchtung einher, dass Duterte die traditionell unabhängige Institution nun kontrolliert. Seine alten Forderungen, von der Herabsetzung des Mindeststrafalters, der Wiedereinführung der Todesstrafe bis zu einer Verfassungsänderung könnten nun Zustimmung durch den Senat erhalten.

"Die Demokratie steckt in Schwierigkeiten", sagte Socorro Reyes, ein Politikwissenschaftler, in einem Fernsehinterview. "Wir brauchen eine echte Opposition, die organisiert und nachhaltig ist." Momentan kontrolliert Duterte das Repräsentantenhaus, im 15-köpfigen Obersten Gerichtshof wurde die Mehrheit der Richter von ihm oder seinen Verbündeten ernannt.

In der Vergangenheit war der Senat ein wichtiger Teil der Gewaltenteilung, der vor allem als legislatives Gegengewicht die Macht des Präsidenten und des Verfassungsgerichts kontrollierte. Auf den Philippinen stellt sich nun die Frage, ob der Senat diese Funktionen in den nächsten drei Jahren konsequent ausüben kann.

Die zwölf neuen Senatsmitglieder

Von den 12 Wahlgewinnern gelten drei als eingefleischte Duterte-Loyalisten: Christopher „Bong“ Go, der frühere persönliche Referent des Präsidenten; Ronald „Bato“ de la Rosa, der ehemalige Polizeichef, der 2016 den blutigen Drogenkrieg einleitete; und Francis Tolentino, ein Berater des Präsidenten. Insbesondere mit dem sehr guten Wahlergebnis von Bong Go haben die Philippinen erneut gezeigt, wie durch die Unterstützung der Regierung Kandidaten ohne starke politische Erfahrung in den Senat gelangen können.

Der Präsident zeigte seine Präferenz für diese drei Kandidaten bei jeder Gelegenheit. Auch im Vergleich zu den anderen Mitgliedern der Regierungsliste für den Senat. Imee Marcos, die Tochter des verstorbenen Diktators, kandidierte ebenfalls auf der Regierungsliste. Ihre Familie, die die Politik in der Provinz Ilocos Norte im Norden der Philippinen beherrscht, hat sich eng mit Präsident Duterte verbündet. Ihr Wahlsieg ist ein Beispiel dafür, dass politische Dynastien, auch wenn sie mit einem der dunkelsten Kapitel der philippinischen Geschichte verbunden sind, nach wie vor stark sind und sich bei Wahlen durchsetzen können.

Abgesehen von der Regierung konnten drei Unabhängige die Sitze im Senat erringen: Die Wiederwahlkünstlerin Grace Poe und Nancy Binay sowie Lito Lapid, der von 2004 bis 2016 bereits als Senator fungiert hatte. Wie der Vorwahlbericht erwähnte, ist Lito Lapid ein hervorragendes Beispiel dafür, wie politische Leichtgewichte in den Senat gewählt werden können, wenn sie die Medienpräsenz durch ihren Promi-Bonus für sich nutzen.

Wenn der neue Senat im Juli zusammentritt, werden nur vier der 24 Senatoren der Opposition angehören. Die Senatoren Frank Drilon, Francis Pangilinan, Risa Hontiveros und Leila de Lima wurden 2016 gewählt, ihre Amtszeit läuft erst 2022 aus. De Lima, einer der entschiedensten Kritiker von Duterte, ist jedoch inhaftiert. Die Arbeitsgruppe der Vereinten Nationen für willkürliche Inhaftierungen ist zu dem Schluss gekommen, dass ihre Festnahme und Inhaftierung illegal sind. Es gab internationale Aufforderungen zur Freilassung, unter anderem vom Europäischen Parlament und Liberal International. Amnesty international betrachtet sie als "gewaltlose politische Gefangene".

Öffentliche Meinung spielt große Rolle

Für die Opposition werden die nächsten Jahre hart sein. Im Senat wird die Opposition ohne die Unterstützung unabhängiger Senatoren keine wirksame Arbeit leisten können. Hier wird die Opposition, je nach politischem Thema, immer wieder neue Allianzen schmieden müssen. In einigen Fällen wird sie sogar die Unterstützung durch Senatoren der Regierung suchen müssen. Dies kann erfolgreich sein.

Laut Ronald Holmes, Präsident des führenden Meinungsforschungsunternehmens, Pulse Asia, wird die öffentliche Meinung eine große Rolle spielen: „Ich gehe davon aus, dass einige von ihnen nicht immer die Regierungslinie vertreten werden, vor allem bei den Themen wo keine öffentliche Unterstützung besteht. Es sind Politiker.“ Holmes bezog sich hier auf die Tatsache, dass einige der Senatoren Ambitionen für das Präsidentenamt hegen. Auf den Philippinen starten viele Politiker ihre Präsidentschaftskampagnen als Senatoren. Im Vorfeld werden sich diese Senatoren von unbeliebten Programmen der Regierung distanzieren, um ihre Chancen für ihren Wahlkampf nicht aufs Spiel zu setzen.

Duterte

Sara Duterte

© Rappler

Eine andere Person, die in der Diskussion um die zukünftige Präsidentschaft erwähnt wird, ist keine andere als die Tochter von Präsident Duterte, die Bürgermeisterin der Stadt Davao, Sara Duterte. Sie leitete mit Unterstützung ihrer Verbündeten den Wechsel der Sprecherin des Repräsentantenhauses ein und gründete eine regionale politische Partei mit Verbindungen zu den erfolgreichen Senatorenkandidaten der Regierung. Aufgrund ihrer Wahlkampfaktivitäten und der hohen Medienpräsenz wird sie als potenzielle Nachfolgerin ihres Vaters gehandelt. Politische Experten beobachten die Entwicklung dieser politischen Familiendynastie mit Interesse.

Ungebrochene Unterstützung für autoritären Politiker

Die Zwischenwahlen unterstrichen die Tatsache, dass Duterte über eine starke Basis verfügt, die ihn auch aktiv unterstützt. Die Umfragewerte für den Präsidenten liegen bei 80 Prozent. So sieht Walden Bello, Soziologieprofessor und ehemaliges Mitglied des philippinischen Kongresses, die Wahlen als "Instrument zur Festigung der autoritären Herrschaft nicht aufgrund von Wahlmanipulationen, sondern aufgrund einer sehr aktiven Basis, insbesondere innerhalb der Mittelschicht". "Man muss sich der Tatsache stellen, dass man hier eine sehr beliebte Person hat, die liberale Rechte und Freiheiten der Demokratie verletzt und dennoch sehr beliebt ist“.

Umfragen auf den Philippinen zeigen, dass die Unterstützung für die Demokratie nicht sehr stark ist. Nur 15 Prozent der Bevölkerung stehen bedingungslos zu ihr. In Deutschland sind es 48 Prozent. Aufgrund der hohen Armutsrate und fehlender guter Regierungsführung in der Vergangenheit ist die Bevölkerung gewillt auch eine Politik der „harten Hand“ zu unterstützen. Die Wirtschaft auf den Philippinen ist weiterhin eine der stärksten in der Region, die populistischen Vorstöße des Präsidenten gegen Korruption, Drogen und Kriminalität werden von der Bevölkerung unterstützt. Der mittel- und langfristige Schaden für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte wird dabei nicht beachtet. 

Hier liegt die allgemeine Problematik bestehender demokratischer Herausforderungen weltweit. Der Wahlgang, ein zentraler Bestandteil jeder Demokratie, ist derselbe Prozess, der Gegner der Demokratie stärkt. Wie bereits andere internationale Politikwissenschaftler betonen, beginnt heutzutage der demokratische Rückschritt an der Wahlurne. Das tragische Paradoxon ist, dass die Gegner der Demokratie die demokratischen Institutionen nutzen um sie - langsam, subtil und legal – von innen heraus auszuhöhlen. Damit reiht sich die Entwicklung auf den Philippinen in eine globale Entwicklung ein. Vielleicht muss die Opposition auf den Philippinen aus den Erfahrungen anderer Länder lernen.

 

Marites Danguilan Vitug ist Autorin und Journalistin. Derzeit ist sie Chefredakteurin von Rappler.

Wolfgang Heinze ist Projektleiter der Friedrich-Naumann-Stiftung auf den Philippinen.