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Belarus
Botschaft des belarusischen Volkes in Deutschland eröffnet

Botschaft des belarusischen Volkes in Deutschland eröffnet
Das Kunstprojekt „Botschaft der freien demokratischen Republik Belarus“ gegenüber der belarusischen Botschaft in Berlin. © Mihail Taube

Am 10. Dezember 2020 sind in etlichen Ländern der Welt, darunter Deutschland, „Botschaften des Volkes von Belarus“ eröffnet worden. Initiiert und getragen von der belarusischen Diaspora-Gemeinschaft, sind sie Teil der Bemühungen, die dramatischen Ereignisse in Belarus auf der internationalen Agenda zu halten, ins Exil gedrängten Landsleuten zu helfen und einen demokratischen Machtwechsel im Land vorzubereiten.

Nicht zu verwechseln mit dem vor der belarusischen diplomatischen Vertretung in Berlin installierten Kunstprojekt „Botschaft der freien demokratischen Republik Belarus“, existieren die neu eröffneten Volksbotschaften bislang in Form einer Internetseite, jedoch mit realen verantwortlichen Teams aus der Diaspora und mit ernsthaften Aufgaben: So sollen sie Anlaufstellen für Informationen über die Lage in Belarus sein, die kulturellen und wirtschaftlichen Beziehungen mit den Gastländern fördern und belarusische Geflüchtete unterstützen. Sie nehmen damit Funktionen wahr, für die das repressive Regime von Alexander Lukaschenko samt seinem außenpolitischen Apparat die Legitimität verloren haben.

Die Initiative der Diaspora-Organisation „Belarusians Abroad“ wird sowohl von der Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja und dem Koordinierungsrat des belarusischen Volkes als auch vom Nationalen Anti-Krisenmanagement in Warschau unter Leitung von Pawel Latuschko unterstützt und beraten. In ihrer Ansprache zur Eröffnung der Volksbotschaften betonte Swetlana Tichanowskaja die vordringliche Aufgabe, die massiven Menschenrechtsverletzungen in ihrem Land zu stoppen. Der Tag der Eröffnung am Internationalen Menschenrechtstag sei nicht zufällig gewählt, sondern sehr symbolisch. „Indem wir gegen eine Regierung kämpfen, die sich offen gegen die Menschenrechte und die Bevölkerung stellt, zeigen wir dem Rest der Welt die Bedeutung der menschlichen Würde.“ Die Menschen in Belarus hätten ein Recht auf Freiheit und auf ein Leben in einem Land, in dem Menschenrechte keine leeren Worte seien.

Pawel Latuschko stellte den Anlass in den Kontext seiner langjährigen Karriere als Diplomat und Botschafter: „Ich habe in meinem Leben an verschiedenen Botschaftseröffnungen mitgewirkt, aber diese hier ist die beeindruckendste.“ Er sprach den Volksbotschaften eine wichtige Rolle beim Aufbau eines neuen, demokratischen Belarus zu und dankte der Exilcommunity für ihre harte Arbeit.

Herzliche Worte hatte Nicola Beer (FDP), Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, für die belarusischen Aktivisten: „Das neue freie Belarus gehört zu uns, zu Europa. Die Volksbotschaften sind eine wunderbare Idee, ein Zeichen, dass die Menschen nicht aufgeben, sondern ihren Kampf fortführen.“ Kritische Worte richtete sie an die EU, die zu lange gebraucht habe, um sich auf eine Sanktionsliste zu einigen, und noch länger, um auch Lukaschenko selbst auf diese Liste zu setzen. Immerhin sei mit der Verabschiedung des „Magnitsky Act“ am 7. Dezember eine Möglichkeit erreicht, Menschenrechtsverletzungen schnell zu sanktionieren. Es sei an der Zeit für die EU, für ihre Werte glaubhaft zu kämpfen. Ein wichtiger Schritt dazu wäre, wenn die EU endlich flexibler mit qualifizierter Mehrheit auf drastische Menschenrechtsverletzungen reagieren könnte, mahnte Beer.

Der grüne Europaabgeordnete Sergej Lagodinsky erinnerte daran, wie schwer man zu Beginn der Proteste Menschen habe finden können, die die Ereignisse erklären konnten. Diese Lücke werde nun gefüllt. Das Projekt sei eine großartige Idee, der Welt die Vision der Belarusinnen und Belarusen nahezubringen. „Sie sagen damit: ‚Wir sind das demokratische Belarus, genau genommen sind wir das einzig mögliche Belarus, denn wir sind das belarusische Volk‘“. Es gehe hier nicht um eine „pro-europäische“ Bewegung, sondern um eine Bewegung für Demokratie und für die Menschen.

Die Moderatorinnen und Initiatoren des Projektes, Michael Rubin und Bella Fox, erinnerten daran, dass die belarusische Diaspora bereits vier Wochen vor der gefälschten Präsidentschaftswahl wirkungsvolle Aktivität entfaltet habe. Mit hunderten Freiwilligen seien Exit-Polls in den Botschaften und Konsulaten weltweit organisiert worden mit erstaunlichem Resultat: In den meisten Fällen hätten die Nachwahlbefragungen mit den offiziellen Ergebnissen übereingestimmt und über 80% für Swetlana Tichanowskaja ergeben.

Die Idee zur Gründung der Volksbotschaften sei zunächst auf dem Weltkongress der Belarusen Ende Oktober/Anfang November 2020 diskutiert worden und in den vergangenen zweieinhalb Monaten mit Freiwilligen und erfahrenen Diplomaten umgesetzt worden. Michael Rubin betonte, dass es sich ausdrücklich nicht um Alternativbotschaften handle, sondern man jederzeit zum Dialog mit den offiziellen Vertretungen bereit sei. Nicht ohne Hintersinn wünschte er dem Projekt, nicht lange vonnöten zu sein: „Ich glaube, dass das Projekt ein kurzes Leben haben wird und dann ersetzt werden wird durch die echten Botschaften eines neuen, freien und demokratischen Belarus.“