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18. Bodrum Roundtable

Nachdenken über Krieg, Krise und Kooperation
18. Bodrum Roundtable
© Friedrich Naumann Foundation for Freedom

Die europäische Welt scheint seit dem 24. Februar aus den Fugen, und viele Gewissheiten über das Funktionieren internationaler Politik stehen seit dem russischen Überfall auf die Ukraine auf dem Prüfstand. Auch die Beziehungen der Türkei zu ihren Partnern und Nachbarn werfen Fragen auf – nach ihren Zielen und auch ihrer Verlässlichkeit. Es konnte kaum eine passendere Zeit geben, um mit dem 18. Bodrum Roundtable nach einer pandemiebedingten Pause wieder türkische und internationale Außenpolitikexperten, politische Entscheidungsträger und Journalisten physisch zusammenzubringen. Der Roundtable ist die jährliche Leuchtturmveranstaltung des Istanbuler Think-Tanks Centre for Economics and Foreign Policy Studies (EDAM), der in diesem Jahr in Kooperation mit dem Center for European Reform (CER) gestaltet wurde. Unterstützt wurde die dreitägige Veranstaltung unter anderem von der NATO und der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit.

Der EDAM-Vorsitzende, Ex-Botschafter Tacan Ildem, eröffnete das Treffen, gefolgt von Willkommensworten des Bodrumer Bürgermeisters Ahmet Aras. Den inhaltlichen Schwerpunkt des ersten Abends setzte der FDP-Bundestagsabgeordnete und Außenpolitiker Alexander Graf Lambsdorff mit Einblicken in die aktuelle Politik der Ampelkoalition. Die Debatten in Deutschland, das im Ausland als starker, vielleicht wichtigster Akteur in der EU wahrgenommen wird, sind für viele Beobachter nicht immer verständlich, sei es das Ringen um die Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke oder die zögerliche Haltung bei Waffenlieferungen an die Ukraine. Entsprechend lebhaft war das Interesse an Graf Lambsdorffs Einschätzungen aus liberaler Berliner Sicht.

Den zweiten Tag läutete ein Vortrag von Odile Renaud-Basso, Präsidentin der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) ein, die die Herausforderungen für die Arbeit der EBRD im Angesicht des russischen Angriffskrieges erläuterte. Das anschließende Panel befasste sich mit der Frage „Wie sollen wir über Russland nachdenken?“. Dazu diskutierten der Co-Vorstandsvorsitzende des European Council on Foreign Relations (ECFR), Carl Bildt, die stellvertretende Generalsekretärin für Public Diplomacy bei der NATO, Baiba Braze, Alexander Gabuev vom Carnegie-Zentrum Moskau, Bloomberg-Journalist Bobby Ghosh sowie die Direktorin des italienischen Istituto Affari Internzionali, Nathalie Tocci. Zu den Diskussionspunkten gehörte die Frage, wie ernst die nuklearen Drohungen aus Moskau zu nehmen sind und wie die NATO und die Ukraine mit ihnen umgehen sollte. Auch mögliche Szenarien für das Ende des Krieges wurden erörtert.

Das zweite Panel stand unter dem Motto „Türkische Außenpolitik – Wandel oder Kontinuität? Die Beziehungen mit den USA“. Es diskutierten der amerikanische Botschafter Jeffry Flake, die türkische Journalistin Barcin Yinanc und drei Abgeordnete des türkischen Parlaments: Volkan Bozkir (AKP), Ünal Ceviköz (CHP) und Ahmet Kamil Erozan (IYI-Partei). Weitgehende Einigkeit bestand darin, dass gute beiderseitige Beziehungen sowohl für die Türkei als auch die USA von großer Bedeutung und eigentlich alternativlos sind. Viel Raum nahm die Frage ein, was sich nach einem möglichen Wahlsieg der Opposition 2023 in der türkischen Außenpolitik ändern könnte oder wo Kontinuitäten zu erwarten sind. Die Meinungen gingen naturgemäß vor allem zwischen den Abgeordneten auseinander. Zum Abschluss des Panels lobte EDAM-Direktor, dass diese offene Diskussion in guter demokratischer Praxis möglich gewesen sei. Der Bodrum Roundtable endete mit einer Diskussion zur politischen Situation in Italien nach der Wahl.

Neben den hochkarätig besetzten Panels boten auch die Pausen reichlich Gelegenheit zum offenen und intensiven Austausch über Grenzen, Institutionen und Professionen hinweg. So wurde der Bodrum Roundtable einmal mehr zu einer Gelegenheit des gemeinsamen Nachdenkens und zum politischen Dialog im besten Sinne.