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China Bulletin
Bachelets Besuch in Xinjiang: Xi Jinping dürfte zufrieden sein

Bachelet in China

Michelle Bachelet in Guangzhou mit dem Chinesischen Außenminister Wang Yi

© picture alliance / Xinhua News Agency | Deng Hua

Als die Hohe Kommissarin für Menschenrechte Michelle Bachelet Ende Mai zu einem Besuch in China eintraf, hatte sie riesige Erwartungen zu erfüllen. Es war der erste Besuch einer UN-Hochkommissarin in China seit 2005. Bereits im Vorfeld der Reise hatte es Befürchtungen und zahlreiche Prognosen gegeben, dass Bachelet keine richtige Untersuchung durchführen könne und der Besuch zu Propagandazwecken genutzt würde. Diese Prognosen haben sich bestätigt. Michelle Bachelet ist den Erwartungen der internationalen Gemeinschaft, internationaler Menschenrechtsverteidigern und Menschenrechtsverteidigerinnen und – was sicherlich am schwersten wiegt ist – der Uiguren und Uigurinnen nicht gerecht geworden. Der vielleicht fatalste Eindruck, den ihr Besuch hinterlassen hat: Präsident Xi Jinping und die Kommunistische Partei Chinas dürften mit dem Besuch zufrieden gewesen sein.

Denn in der abschließenden Pressekonferenz sprach sie erst über die Fortschritte Chinas, etwa bei der Armutsbekämpfung, bevor sie sich Xinjiang widmete. Damit erweckte sie den Eindruck, als könnte das, was viele Experten als Verbrechen gegen die Menschlichkeit bezeichnen, in irgendeiner Art und Weise aufgewogen werden.

In einer Welt der Diplomatie müssen Menschenrechtsschützer die Unerschütterlichen, ja vielleicht die Radikalen sein. Deshalb offenbarte die diplomatische Sprache von Bachelet gewissermaßen auch ein Missverständnis über die zentrale Aufgabe der Menschenrechtsinstitutionen: Der internationale Menschenrechtsschutz funktioniert nur ohne Wenn und Aber. Er braucht VertreterInnen, die von diplomatischen Erwartungen unberührt sind, sie auch nicht selbst an sich stellen. Ihre einzige Verpflichtung sind die Menschenrechte. Sie sind universell, unteilbar und unveräußerlich – sie sind nicht verhandelbar.

In der Menschenrechtspolitik darf es kein Taktieren geben

Die Erkenntnisse der Reise Bachelets sollen nun auch in den lange angekündigten und geforderten Report zur Lage in Xinjiang einfließen. Eigentlich hätte dieser schon Anfang 2022 veröffentlicht werden sollen. Dass die Verzögerung mit der Einwilligung der chinesischen Seite zum Besuch zusammenhängt, ist ein Gedanke, den man zumindest in Betracht ziehen muss. Und wieder entsteht ein Bild, das dem Grundprinzip widerspricht: In der Menschenrechtspolitik darf es kein Taktieren geben. Zumal der Bericht inzwischen beginnt, eine fragwürdige Funktion einzunehmen. Denn in welcher Form wird dieser Report – dem am Ende die umfassende Vor-Ort-Untersuchung fehlen dürfte – noch zu einer umfassenderen Aufklärung der Situation beitragen? Kurz vor dem Besuch von Bachelet hatten akribisch arbeitende JournalistInnen mit den Xinjiang Police Files massivste Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang bestätigt. Diese Verbrechen sind inzwischen für jeden sichtbar. Sie sind entsetzlich, sie sind unerträglich.

Selbstverständlich muss dieser Bericht trotzdem sobald wie möglich veröffentlicht werden. Idealerweise so, dass transparent und nachvollziehbar ist, welche Erkenntnisse schon vor der Reise der Hochkommissarin gesichert waren. Davon unabhängig dürfen wir aber den Moment nicht verpassen, in dem der auf rechtsstaatlichen Grundsätzen und Überzeugungen begründete Wunsch und die Forderung nach einer umfassenden Aufklärung nur noch dazu dienen, konkretes Handeln – mit all seinen Konsequenzen – vor sich herzuschieben. Das würde im Übrigen auch das Konzept des Berichtssystems der internationalen Menschenrechtsinstitutionen ab Absurdum führen.

Die Kommunistische Partei Chinas begeht nach allem, was wir wissen, in Xinjiang Verbrechen gegen die Menschlichkeit und wir müssen uns darüber Gedanken machen, wie wir damit umgehen. Das ist nicht nur ein Arbeitsauftrag, der sich an Michelle Bachelet und ihren Amtsnachfolger richtet. Er geht an die gesamte internationale Gemeinschaft, auch an unsere Bundesregierung und an uns als Mitglieder des Deutschen Bundestages.

Gyde Jensen (FDP) ist seit 2017 Mitglied des Deutschen Bundestages. Sie ist stellvertretende Fraktionsvorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion. In der vorangegangenen Wahlperiode war sie Vorsitzende des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe.

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Weltoffen: Menschenrechtsverbrechen in Xinjiang: Wie China die Uiguren unterdrückt

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