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Philippinen
Dutertes Verbrechen im Visier des Internationalen Strafgerichtshofes

Anti-Drogen-Krieg auf den Philippinen
Rodrigo Duterte
Rodrigo Duterte bei seiner letzten Rede zur Lage der Nation © picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Jam Sta Rosa

Mit seinem Amtsantritt Mitte 2016 begann der philippinische Staatschef Rodrigo Duterte mit der Umsetzung seines zentralen Wahlversprechens: Landesweit sollte nun vehement gegen Drogenkonsumenten und Dealer vorgegangen werden. Vorbild dafür war seine Politik in der südphilippinischen Stadt Davao, die Duterte vor seiner Präsidentschaft als langjähriger Bürgermeister regierte. Auch dort war er für seine „Todesschwadronen“ berüchtigt, die er zur Ausschaltung von vermeintlichen Kriminellen etablierte. Seiner landesweiten Kampagne, die er euphemistisch zum sogenannten „Anti-Drogen-Krieg“ erklärte, fielen offiziell bisher mehr als 6000 Zivilisten zum Opfer. Menschenrechtsorganisationen schätzen die tatsächliche Zahl der Getöteten auf ein Vielfaches. Recherchen etwa von Journalisten der Nachrichtenagentur Reuters deckten zahlreiche Fälle außergerichtlicher Tötungen auf.

Bereits 2018 begann der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag Vorermittlungen zu den mutmaßlichen Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit Dutertes Anti-Drogen-Kampagne. Die Untersuchungsergebnisse der letzten drei Jahre sind nun in einem Report von fast 60 Seiten Länge zusammengefasst. Auf Basis von Zeugenaussagen, Ermittlungsdetails von Menschenrechtsgruppen und Angaben von Polizei, Rechtsanwälten und Regierungsvertretern stuft der Bericht Dutertes Vorgehen gegen die eigne Bevölkerung als Verbrechen gegen die Menschlichkeit ein.

Weiterhin deckt der Report eine konsistente Vorgehensweise bei der Tötung von vermeintlichen Verdächtigen auf: Angeblich handelte die Polizei bei den Erschießungen aus Notwehr, um sich selbst vor Übergriffen durch die Verdächtigen zu schützen, die als erste zu Waffen gegriffen hätten. Zeugenaussagen belegen jedoch, dass sich die Opfer zum Zeitpunkt der Tötung meist bereits in einer wehrlosen Haltung befanden und die angeblichen Tatwaffen ihnen später nachträglich beigelegt wurden.

Die Anklagebehörde des Internationalen Strafgerichtshofs hat inzwischen genügend Beweise gesammelt und beantragte daher im Juni 2021 offizielle Untersuchungen der außergerichtlichen Tötungen und Morde einzuleiten. Aufgrund der Ähnlichkeiten zwischen den Verbrechen von Dutertes aktueller Kampagne des „Anti-Drogen-Krieges“ mit den Todesschwadronen in Davao empfiehlt die Anklagebehörde, dass die Vorfälle von Dutertes Bürgermeisterzeit in Davao ebenfalls in die Untersuchungen mit einbezogen werden. Der Untersuchungszeitraum wird dann weiter ausgedehnt, bis ins Jahr 2011.

Austritt aus dem Römischen Statut

Der philippinische Präsident hat bereits versucht, sich möglichen Ermittlungen zu entziehen: Zum 18. März 2019 erklärte er den Austritt der Philippinen aus dem Römischen Statut. Das Römische Statut ist die Rechtsgrundlage für den Internationalen Strafgerichtshof, um Kriegsverbrechen und Völkermord auf internationaler Basis verfolgen zu können. Der philippinische Supreme Court und somit das höchste Gericht des südostasiatischen Inselstaats lehnte im Juli 2021 die Auffassung Dutertes ab. Einstimmig entschieden die verantwortlichen Richter, dass sich Duterte und alle Beteiligten weiterhin gegenüber dem ICC für Handlungen und Befehle verantworten müssen, die vor dem Austritt der Philippinen aus dem Römischen Statut erfolgt sind. So auch für die bis dahin begangenen Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Zuge der Kampagne des „Anti-Drogen-Kriegs“.

Momentan genießt Präsident Duterte als philippinisches Staatsoberhaupt noch Immunität. Auf den Philippinen können sich Präsidenten jedoch nicht zur Wiederwahl aufstellen lassen. Somit wird Dutertes politischer Status mit den Präsidentschafts-Wahlen im Mai 2022 aller Voraussicht nach auslaufen. Durch eine mögliche Kandidatur zum Vize-Präsidenten hofft Duterte weiterhin an der Macht und gleichzeitig immun gegen die drohende Anklage durch den Internationalen Strafgerichtshof zu bleiben.

Es ist allerdings fraglich, ob seine Strategie, sich auf diese Weise dem bevorstehenden Gerichtsverfahren in Den Haag zu entziehen, aufgeht: Der philippinische Verfassungsexperte Pacifico Agabin erklärte in einem Interview mit dem Nachrichtenportal Rappler, die Immunität des Präsidenten vor Strafverfolgungen beruhe auf der Verantwortung von Staatsgeschäften – eine Aufgabe, die dem Vizepräsident jedoch nicht unterliegt.

Erfolgsaussichten zu Untersuchungen durch das ICC

Der International Strafgerichtshof in Den Haag wird in den kommenden Monaten über den Antrag auf offizielle Untersuchungen entscheiden. Bis zum heutigen Tag wurden alle Anträge der Anklagebehörde durch die Vorkammer des Internationalen Strafgerichtshofs bewilligt. Der internationale Druck, andere erfolgreiche Verfahren vorzuweisen, die nicht Täter von Verbrechen auf dem afrikanischen Kontinent anklagen, ist groß.

Duterte auf der anderen Seite bestreitet jegliche Rechtsverletzungen und kündigte an, nicht mit dem Internationalen Strafgerichtshof zu kooperieren. Die begangenen Straftaten müssen in Verbindungen mit individuellen Tätern gebracht werden, um eine Anklage zu erheben. Noch ist Duterte in der besten Position, um genau dies zu verhindern oder andere mutmaßliche Täter zu präsentieren. Der in Manila lebende Menschrechtsanwalt Neri Colmenares, der als ehemaliger Kongressabgeordnete im Detail mit der Situation auf den Philippinen und den Vorwürfen des ICC vertraut ist, kommentierte die Lage jedoch hoffnungsvoll: „Es wird ein langer und anstrengender Prozess. Aber das ist die Art und Weise wie man kämpfen muss, um am Ende zu gewinnen.“

Rebecca Zistel ist designierte Leiterin des FNF-Büros in Manila.