Menschenrechte
Schluss mit illegalen Push-Backs!

Ein Gastbeitrag für FocusOnline
Migranten vor der italienischen Küste
Migranten werden vor der italienischen Küste von einer Organisation für private Seenotrettung gerettet © picture alliance / ROPI | Selene Magnolia

Immer wieder werden Menschenrechtsverstöße in Europa aufgedeckt. Eine neue Dimension sind illegale Push-Backs. Obwohl sich die Staats- und Regierungschefs regelmäßig treffen, wie aktuell, verrät die Europäische Union an den Außengrenzen noch immer ihre eigenen Werte.

Anfang Juni erklärte Notis Mitarakis, griechischer Minister für Migration und Asyl, die Türkei zu einem absolut sicheren Land für Asylsuchende aus Syrien, Afghanistan, Pakistan, Bangladesch und Somalia. Dies war eine deutliche Botschaft, die sich nach innen, an die eigene Küstenwache, aber auch nach außen, an die Türkei und an die EU richtete. Damit verschärft Athen die eigene Flüchtlings- und Asylpolitik. Das Vorgehen zeigt einmal mehr, dass es kein abgestimmtes Vorgehen in der europäischen Asylpolitik gibt.

2016 einigten sich Brüssel und Ankara im Rahmen des EU-Türkei-Abkommens auf den sogenannten 1:1-Mechanismus, worin sich die Türkei ausdrücklich bereit erklärte, syrische Flüchtlinge zurückzunehmen, die griechische Inseln auf illegale Weise erreicht hatten. Im Gegenzug gestattete die EU derselben Anzahl an syrischen Flüchtlingen aus türkischen Flüchtlingslagern die legale Einreise und sicherte finanzielle Zahlungen an die Türkei zu.

Griechenland will den Mechanismus nun einseitig und ohne vorherige Rücksprache auf weitere Nationalitäten erweitern. Mit dem Attest, die Türkei sei ein sicherer Drittstaat, können und wollen die griechischen Behörden ab sofort mehr Geflüchtete in die Türkei zurückschicken und ihnen untersagen, einen Asylantrag zu stellen. Griechenland nimmt Flüchtlinge aus den anderen Hauptfluchtländern Afghanistan, Pakistan, Bangladesch und Somalia ins Visier.

Flüchtlinge sind Menschen, keine Waren

Ein weiterer schwerwiegender Effekt dieser Ankündigung: Künftig werden geflüchtete Menschen, die sich von der Türkei auf dem Seeweg Richtung griechische Inseln begeben, vermutlich noch gezielter von den griechischen Hoheitsgewässern ferngehalten werden. Für den menschenverachtenden Vorgang, der das aktive Zurückdrängen von Flüchtlingen und Migranten durch die Grenzpolizei beschreibt, gibt es mit „Push-Backs“ sogar einen eigenen Begriff.

Mit dem jüngsten Ministerbeschluss wurde nun ein neuer Rahmen für die illegalen Push-Backs durch die griechische Küstenwache geschaffen. Die Gefahren der Push-Backs bestehen darin, dass geflüchtete Menschen ertrinken oder sie traumatische physische oder psychische Folgen erleiden. Push-Backs verstoßen nicht nur gegen die Achtung der Menschenrechte, sondern auch gegen das sogenannte Non-Refoulement-Prinzip der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951. Es untersagt die erzwungene Rückkehr von Flüchtlingen in ein Land, wo Verfolgung, die Gefahr menschenunwürdiger Behandlung und Folter drohen. Jeder Mensch hat das Recht, einen Asylantrag zu stellen, denn erst dann kann rechtsstaatlich geprüft werden, ob die Person zurückgeschickt wird oder nicht. Und dieses Recht gilt auch an EU-Außengrenzen.

Die griechische Ombudsperson, Andreas I. Pottakis, hatte im April erstmalig in einem Bericht eingeräumt, dass es in der Vergangenheit zu Push-Backs gekommen war. Verantwortlich seien aus der Sicht der Ombudsperson jedoch „Menschenhändler und nicht identifizierte Personen“. Die Rolle der griechischen Behörden wird damit aus Sicht des unabhängigen zivilgesellschaftlichen Border Violence Monitoring Network (BVMN) falsch dargestellt. An illegalen Push-Backs von mehr als 6.000 registrierten Menschen seit 2019 war die griechische Grenzpolizei laut BVMN aktiv beteiligt. Die illegalen Zurückweisungen gehen häufig mit grausamer Behandlung der Menschen einher, die BVMN in seinem Jahresbericht 2020 dokumentiert hat.

Längst sind Push-Backs weltweit als menschenverachtende Praktik verbreitet, wie der UN Sonderberichterstatter für die Menschenrechte von Migranten und Migrantinnen, Felipe González Morales, in seinem neuesten Bericht an den UN Menschenrechtsrat kritisiert. Push-Backs seien inzwischen gar zu einem „Routineelement bei Grenzkontrollen“ geworden. Deutschland und andere Staaten, die keine EU-Außengrenze haben, können nicht länger wegsehen.

Menschenrechte müssen die Antwort sein

Die EU muss dringend den UN Migrationspakt umsetzen, sichere Migrationsrouten schaffen, zügiger Asylverfahren ermöglichen und eine bessere Verteilung der geflüchteten Menschen garantieren. Die Last darf nicht alleine bei Griechenland, der Türkei und anderen Mittelmeeranrainern liegen.

Den Praktiken der illegalen Push-Backs muss eine deutliche Absage erteilt werden. Geflüchtete Menschen haben Menschenrechte, wie jeder Mensch, der nicht gezwungen ist, aus einem Kriegsgebiet oder aus bestimmten anderen Gründen das eigene Heimatland zu verlassen. Europäische Migrations- und Asylpolitik kann nur inklusiv auf der Grundlage der universellen Menschenrechte und der Achtung der Genfer Flüchtlingskonvention gestaltet werden, damit wir unsere eigenen Werte nicht länger verraten.

Dieser Beitrag erschien erstmals am 25.06.2021 bei FocusOnline.