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In Memoriam
Ein liberaler Nothelfer und „gesamtdeutsches Wesen“

Zum Tod von Horst Rehberger.
Horst Rehberger ist mit 87 Jahren gestorben

Horst Rehberger ist mit 87 Jahren gestorben.

© picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Jens Wolf

Solange ich unterwegs sein kann, ist mir das ganz recht“. Mit diesem Satz endete ein Videointerview, das Jürgen Frölich vom Archiv des Liberalismus im Juli 2019 mit Horst Rehberger führte. Tatsächlich war Rehbergers Leben ganz davon geprägt, dass „Eisenbahnerblut“ in seinen Adern floss. Getreu seinem Lebensmotto „gern unterwegs zu sein und dazu lernen zu wollen“, bewegte er sich zeitlebens in verschiedenen Regionen West- und Ostdeutschlands. In Karlsruhe geboren und in Mülheim an der Ruhr groß geworden, startete er seine politische Laufbahn in der nordbadischen Heimat, bevor er von dort ins Saarland und schließlich nach Sachsen-Anhalt umzog – immer in liberaler Mission unterwegs.

Aber zurück zu den Anfängen: Rehberger kam als Sohn eines Reichsbahnbeamten und dessen Frau 1938 zur Welt und wechselte durch die Umzüge der Eltern mehrfach die Schule, bevor er schließlich in Karlsruhe sein Abitur ablegte. Noch bevor er volljährig war, trat er – der festen Überzeugung, im liberalen Spektrum seine politische Heimat zu finden – den Jungdemokraten und der Freien Demokratischen Partei (FDP) bei. Er studierte Jura in Heidelberg und Berlin und wurde als erster Jurist in der Familie 1966 mit einer verfassungsgeschichtlichen Doktorarbeit über die Gleichschaltung des Landes Baden 1932/33 promoviert. In Karlsruhe stand er bald an der Spitze der Jungdemokraten und organisierte Veranstaltungen mit dem früheren Bundesjustizminister und Ex-Parteivorsitzenden Thomas Dehler. Ab 1965 gehörte er als Benjamin dem Karlsruher Stadtrat an, in dem er durch seine Anträge gegen die Mehrheit bald einen Ruf als „Störenfried“ erlangte.

Zunächst als Anwalt aktiv, arbeitete Rehberger von 1970 bis 1984 als hauptamtlicher Bürgermeister, der sich um die öffentlichen Betriebe, insbesondere die Stadtwerke, kümmerte. In diesen Jahren holte er das Nachwuchstalent Jürgen Morlok in die FDP, der später in den baden-württembergischen Landtag einzog und Landesvorsitzender wurde.

Rehberger begrüßte 1969 die Bildung der sozialliberalen Koalition, denn gerade in der Ostpolitik und bei vielen gesellschaftlichen Fragen sah er großen Reformstau. Aber genauso wie diesen Politikwechsel betrachtete er auch die „Wende“ des Jahres 1982 als unvermeidlich. Nachdem als Folge dieser Grundsatzentscheidung zugunsten der CDU/CSU auf Bundesebene eine herbe Niederlagenserie der FDP in den Ländern gefolgt war, versuchte der Parteivorsitzende Hans-Dietrich Genscher einen Kurswechsel rechtzeitig vor der Landtagswahl im Saarland einzuleiten. Auf seinen Wunsch hin löste Rehberger dort 1984 mehrere liberale Vorgänger, u.a. Werner Klumpp, als liberalen Wirtschaftsminister ab. Und obwohl er dort von Beginn an sehr erfolgreich wirkte und bei den Wahlen 1985 die Stimmenzahl für die FDP von knapp 7 auf 10 % geradezu sensationell steigerte, musste er bei einer absoluten Mehrheit für die SPD unter Oskar Lafontaine den Ministersessel räumen.

Das hervorragende Wahlergebnis tröstete über den Verlust der Regierungsbeteiligung zwar hinweg, gleichwohl war die Oppositionsrolle mühsam. So kam die zweite Wende, nämlich jene in der DDR 1989/90, gerade recht, um Rehberger für eine neue Mission zu mobilisieren. Erneut kam Genscher auf ihn als Nothelfer zu, um in seiner ostdeutschen Heimatregion Sachsen-Anhalt als Zugpferd in den Landtagswahlkampf zu ziehen. Dieser endete für die FDP mit 13,5 % äußerst erfolgreich und bugsierte Rehberger in das Amt als Minister für Wirtschaft, Technologie und Verkehr. Bis 1993 die Regierung an der sogenannten Gehälteraffäre, einem „Tiefschlag“ für ihn persönlich, zerbrach, arbeitete Rehberger an der Umstellung von der sozialistischen Plan- zur sozialen Marktwirtschaft – eine große Herausforderung, bei der er aber durch Geschick und Zähigkeit etliche Erfolge verzeichnen konnte. Tiefgreifende Strukturreformen und nachhaltige Tourismusförderung waren zwei der zahlreichen Schwerpunkte seiner ministeriellen Tätigkeit.

Nachdem die sachsen-anhaltinische FDP mit Werten unter der 5%-Hürde bei den folgenden Landtagswahlen zweimal gescheitert war, gelang 2002 mit 13,3 % eine geradezu grandiose Rückkehr. Und Horst Rehberger bekam die Chance, nach fast einem Jahrzehnt als Minister für Wirtschaft und Arbeit an seine früheren Erfolge wiederanknüpfen zu können. In dieser Zeit holte er übrigens auch einen geborenen Saarländer an Bord: Karl-Heinz Paqué, seit Jahren bereits als Nationalökonom an der Magdeburger Universität tätig, arbeitete bald eng mit ihm zusammen und wurde als Finanzminister sein direkter Kabinettskollege.

Mit der Wahlniederlage und dem Ausscheiden aus der Regierung 2006 endete Rehbergers aktive politische Laufbahn Doch aufs Altenteil zog er sich keineswegs zurück. Das hätte auch gar nicht zu ihm gepasst. Vielmehr wirkte er schon seit 1997 im Kuratorium der Friedrich-Naumann-Stiftung mit und stieß auch hier – ganz wie er es in der Politik gewohnt war – mehrfach Strukturveränderungen an. Horst Rehberger war und blieb zeitlebens ein Liberaler durch und durch. Er setzte nachdrücklich auf Freiheit, Verantwortung und bürgerschaftliches Engagement; auch blieb er stets offen für Neues und verfolgte aufmerksam die politische Szene. Seine Tatkraft und sein umtriebiges Wesen, seine Neugier und sein politischer Mut werden der Stiftung, dem liberalen Kosmos und darüber hinaus fehlen.