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Desinformation
Wenn Desinformation Sexistisch wird

Wie Desinformation Politikerinnen international angreift und die liberale Demokratie herausfordert
**Diana Moukalled, libanesische Journalistin, die immer wieder Ziel koordinierter genderbasierter Desinformation und digitaler Einschüchterung wird.**

Diana Moukalled, libanesische Journalistin, die immer wieder Ziel koordinierter genderbasierter Desinformation und digitaler Einschüchterung wird.

© picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Hussein Malla

Längst ist Desinformation als gesellschaftliches Problem erkannt. Phänomene wie Propaganda, KI-generierte Falschinformationen und algorithmische Verstärkung werden mittlerweile breit diskutiert. Zum heutigen internationalen Tag gegen Desinformation soll ein Schlaglicht auf einen weniger breit beleuchteten Aspekt des Themas geworfen werden. Oft richtet sich Informationsmanipulation gegen Frauen und Minderheiten und wird so zur ernsthaften Bedrohung für demokratische Grundwerte. Sie nutzt gesellschaftliche Vorurteile und Stereotypen aus, um die Kompetenz, Moral und Legitimität der Betroffenen infrage zu stellen und ihre Stimmen aus dem öffentlichen Diskurs zu drängen.

Geschlechtsspezifische Desinformation in Tschechien und der Slowakei

Die Friedrich-Naumann-Stiftung hat in mehreren Ländern mit betroffenen Frauen über ihre Erfahrungen gesprochen. In Tschechien und der Slowakei wird deutlich, wie die gender-spezifische Desinformation aussehen kann. In beiden Ländern ist der Anteil von Frauen in der Politik nach wie vor niedrig. Polarisierte Debatten über Korruptionsskandale, die NATO, die EU, die Ukraine und innenpolitische Kulturkonflikte bieten einen fruchtbaren Boden für Desinformationskampagnen. In diesen umkämpften Räumen sehen sich Politikerinnen nicht nur politischer Kritik, sondern auch Angriffen auf ihr Aussehen, ihre Moral und ihr Privatleben ausgesetzt. Dabei unterscheidet sich die Art der Angriffe in beiden Ländern. In Tschechien werden Politikerinnen besonders häufig als inkompetent dargestellt. Sie bekommen herablassende Spitznamen und man wirft ihnen intellektuelle Unzulänglichkeit vor. Währenddessen wird Politikerinnen in der Slowakei häufiger moralische Korruption vorgeworfen. Sie werden dargestellt als Politikerinnen, die ihre Nation verraten wollen oder eigentlich im Interesse fremder Staaten handeln. In beiden Ländern spielten etablierte politische Akteure, einschließlich führender Regierungsvertreter, eine zentrale Rolle bei der Verstärkung dieser Narrative: Ein Beleg dafür, dass geschlechterbezogene Desinformation keineswegs auf extreme Ränder online beschränkt ist. Die psychologischen Auswirkungen solcher Angriffe sind verheerend. Betroffene leiden häufig unter Angstzuständen, Depressionen und posttraumatischen Belastungsstörungen. Viele ziehen sich aus dem öffentlichen Leben zurück. In Tschechien und der Slowakei hat die Autorin aber auch viel Resilienz beobachtet.

Geschlechtsspezifische Desinformation im Libanon

Geschlechtsspezifische Desinformation wird zudem als geopolitisches Werkzeug eingesetzt. Staatliche und nicht-staatliche Akteure nutzen sie, um gesellschaftliche Spaltungen zu vertiefen. Auch im Libanon hat die Friedrich-Naumann-Stiftung mit Politikerinnen und Journalistinnen zu ihren Erfahrungen mit Gewalt im Netz und Desinformationskampagnen gegen sie gesprochen. Interviews mit neun betroffenen Frauen zeigen, dass politische Kritik oft der Auslöser ist für sexualisierte Beleidigungen, Ehrverletzungen und Angriffe auf ihre Familien. Schmutz-Kampagnen bedienen sich erfundener Geschichten, manipulierter Bilder und sektiererischer Narrative, um die Frauen als unmoralisch, käuflich oder illoyal gegenüber ihrer Gemeinschaft darzustellen. Ähnlich Narrative wie in der Slowakei. Eine Studie der Maharat Foundation zeigt, dass Online-Gewalt im Libanon selten spontan ist, sondern organisiert, instrumentalisiert und oft politisch ausgelagert wird. Netzwerke aus parteinahen Troll-Armeen und verbundenen Medienakteuren greifen Journalistinnen, Politikerinnen und Aktivistinnen gezielt mit genderisierter Sprache an. Die libanesische Journalistin Diana Moukalled erlebte dabei besonders die grenzüberschreitende Dimension dieser Angriffe: Sobald sie zu sensiblen Themen Stellung nahm, verstärkten Bot-Schwärme aus Ägypten, den Golfstaaten oder Syrien die Hetze und wurden von Phishing-Versuchen begleitet, die auf ihre Nutzer-Konten abzielten. Es wird also deutlich, dass digitale Gewalt und genderspezifische Desinformation nicht nur lokal verankert ist, sondern in ein breiteres regionales Ökosystem der Einschüchterung eingebettet ist.

Geschlechtsspezifische Desinformation als demokratische Herausforderung

Geschlechterbezogene Desinformation ist nicht nur ein Angriff auf Frauen – sie ist ein Angriff auf die Demokratie selbst. Sie zu erkennen und zu bekämpfen, ist daher nicht nur für die Gleichberechtigung entscheidend, sondern für die Gesundheit und Zukunftsfähigkeit demokratischer Politik und politischer Systeme insgesamt. Für die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit ist dieses Thema zudem eng mit liberalen Werten wie Freiheit, Pluralismus und gleichberechtigter Teilhabe verbunden. Die Stimmen von Frauen in der Politik zu schützen, heißt, das Prinzip zu verteidigen, dass jede Bürgerin und jeder Bürger das Recht hat, das öffentliche Leben ohne Einschüchterung und Verzerrung mitzugestalten. Die Bekämpfung geschlechterbezogener Desinformation ist daher zentral für die Sicherung der liberalen Demokratie selbst.

Die Studie zu geschlechtsspezifischer Desinformation in Tschechien und der Slowakei können Sie hier lesen. Die Studie aus dem Libanon wird in Kürze veröffentlicht.