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Female Forward
Strafbarkeit der Vergewaltigung in der Ehe

Sexuelle Selbstbestimmung
© picture alliance/KEYSTONE | PETER SCHNEIDER

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP): Bonn, Donnerstag, 15.05.1997, 175. Sitzung des 13. Deutschen Bundestages.

Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen!

Auch wenn es, formal betrachtet, nur um einen einzigen Paragraphen geht, den § 177, geht es doch heute um sehr viel mehr. Von daher ist dieser Tag wegen dieser Debatte bestimmt auch ein historisch ganz bedeutender Tag.

Denn – das ist schon beim letzten Mal, aber auch heute von den Vorrednerinnen und Vorrednern gesagt worden – seit über 25 Jahren beschäftigen wir uns mit dem Thema der Vergewaltigung in der Ehe und haben die unterschiedlichen Argumente und Rechtspositionen zum Schutz von Ehe und Familie sowie zur Gleichbehandlung von Frauen, die in der Ehe vergewaltigt werden, ausgetauscht, begründet und immer wieder betont.

Heute bin ich froh, daß es auf Grund der Äußerungen, die hier, aber auch in den letzten Tagen zu vernehmen waren, doch so aussieht, daß jetzt mit breiter Mehrheit der Gruppenantrag beschlossen werden wird. Es ist wichtig, diese jahrzehntelange Debatte so abzuschließen. Das ist auch ein Zeichen dafür, daß sich ein so langer Weg letztendlich lohnt, weil man doch mit guten Argumenten überzeugen kann und weil sich auch diejenigen, die vielleicht vor einem oder einem halben Jahr noch eine andere Position vertreten haben, jetzt diesen guten Argumenten und Gründen anschließen werden.

Es geht – Herr Eylmann hat das richtig betont – darum, daß Ehemänner nicht strafrechtlich privilegiert werden, daß die Tatsache, verheiratet zu sein, nicht ein Grund ist, strafrechtlich anders behandelt zu werden, wenn denn – da sind wir uns einig – die Tat bewiesen werden kann. Daß dann im Verfahren die Strafprozeßordnung und das Zeugnisverweigerungsrecht gelten, ist ganz normal und üblich. Das gilt auch bei anderen Delikten, die in der Ehe begangen werden. Das war in der letzten Debatte aus meiner Sicht der entscheidende Grund, zu sagen, daß in dieser Frage, der Vergewaltigung in der Ehe, nicht die Widerspruchsregelung als absolutes Novum eingeführt werden soll.

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Wir haben uns in den letzten Tagen – gerade auch gestern in den Ausschüssen – noch einmal juristisch, politisch und emotional mit der Frage beschäftigt, wie denn das Verhältnis von § 177 zu § 179 ist. Ich bin, Frau Schewe-Gerigk, anders als Sie nicht der Auffassung, daß die Aufnahme dieses Textes, wie der Vorsitzende des Rechtsausschusses es vorgetragen hat, in die Beschlußempfehlung – mit einer besonderen Bemerkung – ohne Auswirkung ist. Das sind Rechtsmaterialien, die natürlich in der Rechtspraxis herangezogen werden. Wenn man sich fragt, was denn der Wille des Gesetzgebers war – das ist ja die entscheidende Frage bei der Auslegung des Begriffs „Ausnutzen einer hilflosen Lage“ –, dann wird, wenn der Text nicht sowieso schon in den Kommentierungen steht, auf diese Materialien zurückgegriffen.

Von daher ist es gut, daß wir diesen Weg gewählt haben. Ich glaube, das erleichtert heute auch das Abstimmungsverfahren. Ich denke, wir werden ein gutes Ergebnis bekommen.

Wenn andere Anlässe bestehen, werden aktuell auftretende Probleme immer mit einbezogen und erörtert werden. Ich sehe, daß im Moment doch vieles dafür spricht, zu sagen, der § 179 sollte so bestehen bleiben, um bloß keine Strafbarkeitslücke auftreten zu lassen und um zu sehen, wie sich die Rechtsprechung entwickelt.

Ich verbinde aber mit dem heutigen Tag nicht die Hoffnung und auch nicht die Erwartung, daß es jetzt zu möglichst vielen Verurteilungen kommt und daß das nun die Erfolgsbilanz dieses langen Beratungs- und Gesetzgebungsprozesses sein sollte. Wenn von dieser Beschlußfassung ausgeht – auch in die Bevölkerung –, daß Vergewaltigung in der Ehe ein Verbrechen ist, und wenn sich dieser Beschluß bewußtseinsändernd auswirken kann, dann hätten wir sehr viel Präventives erreicht. Darauf setze ich.

Ich möchte nicht in einem Jahr eine Bilanz anhand der Strafverfolgungs- und Strafverurteiltenstatistik ziehen. Von daher war es richtig, daß wir nicht in irgendeiner Form befristete Regelungen aufgenommen haben, weil man ja gar nicht weiß, wie man den Erfolg solcher Regelungen messen kann.

Zum Schluß noch eine Bemerkung: Natürlich ging es auch in dieser Frage um Gleichbehandlung von Frauen und um Gleichberechtigung. Wenn gesagt wird, daß mit dem alten § 177 ein Fossil zu Grabe getragen wird und daß eine Bastion fällt, was die Gleichberechtigung angeht, dann ist alles das richtig. Ich muß sagen, ich freue mich wirklich, daß wir zusätzlich als Geburtstagsgeschenk für eine Kollegin diese Debatte heute abschließen können.

Vielen Dank.