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Liberale Menschenrechtsarbeit 2022
Masih Alinejad: "Wir kämpfen um unsere Existenz"

Frauenrechte
© picture alliance / ZUMAPRESS.com | Thomas Krych

Masih ist eine iranisch-amerikanische Journalistin im Exil, die nun in New York lebt, wo sie weiter gegen die religiöse Diktatur in ihrem Heimatland Stellung nimmt. Ihr Widerstand gegen Teherans autoritäres religiöses Regime führte 2009 zu ihrer Ausweisung aus dem Iran. Sie ist seitdem zu einer internationalen Expertin in den sozialen Medien geworden, stellt iranischen Frauen Kommunikationsplattformen zur Verfügung, um ihre Kopftuch-freien Fotos und Videos zu feiern, und ermutigt weitere Ausdrucksformen der persönlichen Freiheit.

Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit: Was hat dich dazu bewegt, deinen Widerstand offen zu äußern?

Masih Alinejad: Du musst dich entscheiden, ob du ins Gefängnis gehst oder ob du in einem größeren Gefängnis namens Iran bleibst. Freiheit ist nicht umsonst [...]. Wenn wir stumm bleiben, sterben wir ganz langsam, ohne Würde. Werden wir laut, wissen wir wenigstens, dass wir uns gegen die Unterdrückung zur Wehr gesetzt haben.

Vielleicht glauben Sie, dass ich nicht länger in Gefahr bin, weil ich den Iran verlassen habe. Dass ich außerhalb des Landes sicher bin. Aber dem ist nicht so. Noch immer muss ich mich entscheiden: in Sicherheit sein, stumm bleiben, mein Leben genießen oder an die Millionen von Frauen denken, die mich bitten, ihre Stimme zu sein. Und diese Stimme will ich sein. Aus diesem Grund erhalte ich selbst außerhalb des Irans täglich Drohungen.

Was macht Menschen so viel Angst vor einer Frau, die Geschichten von anderen Frauen im Iran schildert?

Sie haben Angst vor Frauen – die Taliban, der IS, die Islamische Republik. Sie alle haben Angst vor freien Frauen [...]. Sie haben Waffen und Munition; sie haben Gefängnisse; sie haben Macht; sie haben alle Medien. Sie haben alles. Sie können dich umbringen; sie können dich foltern; sie können dich hinrichten. Wir haben keines dieser Dinge: Wir haben keine staatlichen Medien; wir töten keine Menschen; wir erhängen keine Menschen; wir foltern keine Menschen; wir haben keine Gefängnisse. Aber wir haben unsere Worte; wir haben unsere sozialen Medien. Wir haben Würde. Das ist es, was ihnen Angst macht: Dass wir uns für unsere Würde stark machen. Es geht nicht um mich. Sie haben Angst vor unserer Geschlossenheit.

Es fragen wohl viele Männer „warum sprichst du über den Hijab? Wir haben so viel größere Probleme“. Kannst du etwas dazu sagen?

Ja, auf jeden Fall. Ich möchte mich sehr deutlich ausdrücken: Ich kämpfe nicht gegen ein kleines Stück Stoff. Für mich ist das obligatorische Tragen eines Hijab der Hauptpfeiler einer Geschlechterapartheid und einer religiösen Diktatur [...]. Wenn du gezwungen wirst, einen [Hijab] ab dem Alter von sieben Jahren zu tragen, heißt das, dass du nichts bist. Gleichzeitig wirst du nicht existieren, wenn du im Iran oder in Afghanistan keinen Hijab trägst.  Das zeigt, dass wir nicht gegen den Hijab oder einen kleinen Fetzen Stoff kämpfen. Wir kämpfen um unsere Existenz: wir wollen existieren und wir wollen Würde haben. Wir sind erwachsen genug, um Entscheidungen über unseren Körper zu treffen.