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Public History

Liselotte Funcke

Der Kampf um die Gleichberechtigung von Mann und Frau

Nicht nur im Bundestag, sondern auch in der Partei strebte Liselotte Funcke nach oben. Seit 1964 wurde sie zum Mitglied des Bundesvorstands ihrer Partei gewählt, seit 1968 saß sie neben Walter Scheel, Hans-Dietrich Genscher und Wolfgang Mischnick im Bundespräsidium der FDP, dem sie bis 1982 angehörte, zuletzt sieben Jahre lang als stellvertretende Bundesvorsitzende. In vielen Fällen war sie in ihrer Partei eine von recht wenigen Frauen – deren krasse Unterrepräsentanz zeigte sich aber als Problem in allen deutschen Parteien und Parlamenten. Funcke wurde
zu einer Zeit Abgeordnete im Deutschen Bundestag, in der weniger als 10 % der Abgeordneten weiblich waren. Auch an Themen, die man spezifisch Frauen zuordnete, mangelte es nicht: Dazu zählte vor allem die Familien- und Bildungs-, gelegentlich auch die Gesundheitspolitik. Jedenfalls ganz unspezifisch in der Wahrnehmung vieler Bundestagskollegen galt Funcke als Expertin für Finanzpolitik, in der ihr mit Ingrid Matthäus-Maier eine weitere Liberale (nach 1982: Sozialdemokratin) später folgte. Aber es ging im Bundestag auch um eher marginale Fragen des weiblichen Auftretens, die heute nur noch Verwunderung auslösen. So stellte sich eine über den engeren Kreis des Parlaments wahrgenommene Situation ein, als eine SPD-Abgeordnete mit langer Hose im Plenum erschien und sich herausstellte, dass Funcke sie zu diesem Auftritt ermutigt hatte. Angesichts dieses als ungeheuerlich empfundenen Vorgangs beschworen konservative Abgeordnete, die Würde der Frau – und schlimmer noch – die Würde des Hauses und könnten verletzt worden sein.

 

Die sichtbaren, zählbaren und messbaren ‚Erfolge‘ der Frauen in den Parlamenten aller Ebenen sind nicht so leicht in eine stolze Bilanz zu fassen.

Liselotte Funcke

Funcke kämpfte bei ganz verschiedenen Themen für Verbesserungen der sogenannten Frauenrechte: Es ging um die Möglichkeit der Teilzeitarbeit, die Anrede „Frau“ statt „Fräulein“ für Unverheiratete, die Teilung der Rentenansprüche im Fall einer Scheidung, die Sicherstellung
der Unterhaltsleistungen bei Nichtzahlung der Väter oder den betrieblichen Versicherungsschutz bei Unfällen auf dem Umweg zum Kindergarten. Sicherlich beeindruckte Funcke dabei durch ihre Hartnäckigkeit in der Sache. Auf den heftigsten Widerstand stieß allerdings ihre Forderung nach Straffreiheit der Frau im Rahmen einer Fristenregelung nach § 218 Strafgesetzbuch. Als die von der sozialliberalen Koalition beschlossene Reform vom Bundesverfassungsgericht verworfen wurde, kommentierte Funcke dies scharf: „Die Frauen leben in einer Zeit, die nach den Maßstäben der Männer regiert wird. Männer machen Gesetze, und Männer legen sie aus. Am Richtertisch in Karlsruhe sitzen sieben Männer
und eine Frau. Sie entscheiden über das Ureigenste der Frau, die Schwangerschaft.“ Die Regelung trat schließlich nach weiteren langwierigen Beratungen in Kraft.

Die Frauen leben in einer Zeit, die nach den Maßstäben der Männer regiert wird. Männer machen Gesetze, und Männer legen sie aus.

Liselotte Funcke

Liselotte Funcke trat nachdrücklich für eine konsequente Gleichberechtigung der Geschlechter ein, wohl wissend, dass es ein weiter Weg dahin war. Aber dadurch, dass sie sich von den radikalen Forderungen der von ihr sogenannten „modernen Frauenbewegung“ distanzierte, gewann sie
fraktionsübergreifend manche Unterstützer und Sympathisanten und erreichte nach und nach auch Kompromiss- und Teillösungen, auf die sich andere Frauen nicht so ohne Weiteres eingelassen hätten. Dass sie wiederum überparteilich als Autorität galt und Anerkennung genoss, zeigt auch ein Band mit Reden von Frauen im Bundestag, den sie 1979 herausgab. In den 52 abgedruckten Reden aus acht Legislaturperioden zeigt sich die thematische „Vielseitigkeit der Frauen“. Das Buch, so der Klappentext, „soll helfen, Vorurteile abzubauen. Nicht zuletzt aber will es die Frauen ermutigen, den hier gegebenen Beispielen zu folgen und auf dem Felde der Politik aktiv – noch aktiver – zu werden.“ Gleichstellung der Geschlechter war für Liselotte Funcke auch immer ein Thema der gesellschaftlichen Gerechtigkeit.