EN

Der Faktor Modi

Indiens Ministerpräsident setzt seinen Siegeszug fort
Narendra Modi
Der wichtigste Faktor für Modis Macht ist Modi selbst. © CC BY-NC-ND 2.0 flickr.com/ British High Commission, New Delhi

Indien ist wie Deutschland eine Bundesrepublik. In einem der 29 Bundesländer der größten Demokratie der Welt ist immer Wahlkampf; wie in Deutschland gelten die regionalen Urnengänge als wichtige Stimmungsbarometer. In den Bundesländern Gujarat und Himachal Pradesh fanden jetzt Landtageswahlen statt. Seit Wochen beherrschen die regionalen Abstimmungen die politischen Schlagzeilen des Landes.

Im Fokus des Interesses standen vor allem die Wahlen in Gujarat, der Heimat von Ministerpräsident Narendra Modi. Hier hatte Modi drei Legislaturperioden regiert – und sich mit einer wirtschaftsfreundlichen Politik für den Spitzenjob auf nationaler Ebene profiliert.

Zwar erreichte Modis hindunationalistische BJP nicht das selbstgesetzte hohe Wahlziel. Mit leichten Zuwächsen erringt die Partei aber eine Mehrheit der Mandate und wird zum sechsten Mal in Folge die Regierung bilden.

In der Schlussphase des Wahlkampfes  war es nochmal spannend geworden, als der frisch gekürte Vorsitzende der Kongress-Partei Rahul Gandhi für Aufwind bei der Opposition sorgte: Am Ende siegte Modis Partei mit 49 Prozent der Stimmen aber deutlich. Beobachter werten die 41 Prozent für den Kongress als Achtungserfolg.

Während sich der junge Gandhi und seine Verbündeten über das Abschneiden in Modis Hochburg freuen durften, verlor die Traditionspartei im nordindischen Himachal deutlich, so dass auch in diesem Bundesland fortan die BJP das Sagen haben wird.

Mit strategischem Weitblick zum Sieg

Bis zu den nächsten nationalen Parlamentswahlen im Frühjahr 2019 ist es noch ein langer Weg. Die Konturen der politischen Zukunft Indiens bis weit ins nächste Jahrzehnt hinein sind indes schon heute erkennbar: Sie stehen im Zeichen des Siegeszuges von Narendra Modi und seiner BJP-Partei.

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Inhalt ergänzt. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen.

Die Farbe der Hindu-Nationalisten ist safrangelb: Unter dem Banner der BJP ist die „Safranisierung“ – so nennen Kritiker den Prozess der Machtübernahme der Modi-Partei in allen Landesteilen – weit vorangeschritten: Hatte die BJP und ihre Verbündeten 2012 in sechs Bundesländern das Sagen, so hat sich diese Zahl inzwischen auf neunzehn erhöht.

Modis Macht hat viele Väter: im Mittelpunkt steht eine hochprofessionell geführte Massenpartei. Die BJP ist eng verbunden mit einer Vielzahl ideologisch nahestehender Vorfeldorganisationen.

 Angeführt wird die BJP von Amit Shah, einem engen Vertrauten Narendra Modis, der mit strategischem Weitblick und eiserner Faust die BJP zur größten Volkspartei der Welt mit über 100 Millionen Mitgliedern ausgebaut hat.

Das Gespann Modi-Shah (beide stammen aus Gujarat) hat es verstanden, die BJP als Partei der wirtschaftlichen Entwicklung und zugleich des Hindu-Nationalismus in den Köpfen der Massen zu verankern. Entwicklung und Hindu-Nationalismus ist in Indien eine kaum schlagbare Kombination. Geschickt variieren die BJP-Strategen je nach Bedarf mit den Elementen der Strategie. Mal geht es bei den Wahlkampfauftritten Modis staatstragend um die wirtschaftliche Entwicklung. Wenn es eng wird und die Stammwähler mobilisiert werden müssen, greifen die BJP-Wahlkämpfer gern auch zu härteren Methoden und polemisieren gegen Minderheiten und Andersdenkende.  

Der wichtigste Faktor für Modis Macht ist Modi selbst: „Modi bleibt der mit Abstand populärste Politiker Indiens“, schreiben die Meinungsforscher des US amerikanischen Pew Research Center in einem aktuellen Bericht. Demnach haben neun von zehn Indern eine „positive“, sieben von zehn Indern gar eine „sehr positive“ Meinung über Modi.

Für die BJP ist Modi nicht von ungefähr der wichtigste Wahlkämpfer. Der Regierungschef scheut nicht davor zurück, vor wichtigen Wahlen im Dienste der Partei durchs Land zu ziehen und feurige Reden zu schwingen: Im Vorfeld der Gujarat-Wahlen trat Modi auf nicht weniger als 30 Großkundgebungen auf.

„Wenn er in den kommenden Wahlen genauso eingesetzt wird wie jetzt in Gujarat, besteht die Gefahr, dass die Menschen bis 2019 seiner überdrüssig werden, dass eine Ermüdung eintritt“, schreibt Santosh Desai in The Times of India und legt sodann ein gutes Wort für die lange gebeutelte Kongress-Partei ein. Diese, so Desai, habe zwar verloren, die Partei habe aber „nach einer langen Weile ansatzweise Widerstand geleistet“.

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Inhalt ergänzt. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen.

Kein Publikumsliebling in der Traditionspartei

Tatsächlich waren die großen Erfolge der BJP in den zurückliegenden Jahren in hohem Maße auch eine Folge der Schwäche der Kongress-Partei. Diese hat sich bis heute nicht von der schweren Niederlage bei den nationalen Parlamentswahlen von 2014 erholt.

Ein wesentlicher Grund für die Schwindsucht der Traditionspartei, die bei einer Landtagswahl nach der anderen unter die Räder kam, war die ungeklärte Führungsfrage. Durch Krankheit geschwächt hatte sich Parteichefin Sonia Gandhi weitgehend aus dem politischen Geschäft zurückgezogen. Derweil zierte sich der designierte Nachfolger Rahul Gandhi das Erbe offiziell anzutreten.

Wenige Tage vor den Landtagswahlen in Gujarat hat die Partei Rahul Gandhi, den Enkel Indira Gandhis und den Sohn Rajiv Gandhis (beides Ministerpräsidenten, die politischen Attentaten zum Opfer fielen) förmlich zum Parteichef gekürt.

Im Unterscheid zu Modi ist der junge Gandhi alles andere als ein Publikumsliebling. Viele Inder halten ihn für unerfahren, unentschlossen, und letztlich ungeeignet für das höchste Regierungsamt, das er als Chef der Opposition jetzt anstrebt. Die Traditionen der Traditionspartei gebieten, dass ein Mitglied des Gandhi-Clans die Partei anführt; der Name Gandhi ist der Kitt, der die unterschiedlichen Interessengruppen zusammenhält, sagen die Experten.

Mit großem Elan hat sich der frisch gekürte Parteichef in den Wahlkampf gestürzt und dabei durchaus gute Zwischennoten geerntet. Dass die Partei jetzt in Modis Stammland zulegen konnte, werten politische Beobachter als einen guten Start für den Herausforderer.

Bevor Rahul Gandhi jedoch eine ernste Bedrohung für Narendra Modi werden kann, wird der 47-Jährige noch viel politisches Lehrgeld zahlen müssen.   

Ronald Meinardus leitet das regionalbüro Südasien der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in neu-Delhi.