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Wirtschaftsfreiheit 2017: Es ist noch viel Luft nach oben

Economic Freedom
Ranking Economic Freedom
© Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit

Deutschland Wirtschaft wächst, daran lassen die Marktdaten keinen Zweifel. Auch die soeben veröffentlichte Gemeinschaftsdiagnose der Wirtschaftsforschungsinstitute bescheinigt Deutschland eine hohe konjunkturelle Dynamik. Die deutsche Wirtschaft ist im Auftrieb; knapp 2% steigt in diesem Jahr das Bruttoinlandsprodukt. Es wird kräftig investiert und die Lage auf dem Arbeitsmarkt hat sich verbessert. Aber das bedeutet nicht, dass die Wirtschafts- und Wachstumskraft unseres Landes ausgereizt wäre. Da ist noch viel Luft nach oben. Deutschlands Wirtschaft könnte sich noch dynamischer entwickeln, müsste sie sich nicht gegen staatliche Lasten und Überregulierung behaupten. Im Vergleich zu anderen Industrienationen bescheinigt der heute veröffentlichte Economic Freedom of the World Index 2017 dem deutschen Staat noch immer keine befriedigende Performance hinsichtlich wichtiger wirtschaftlicher Freiheiten. Mit 7,69 Punkten teilen wir uns den 23. Rang mit Guatemala. Langjährige Spitzenreiter sind Hongkong (8,97)*, Singapur (8,81) und Neuseeland (8,48). Schlusslichter sind Venezuela (2,92), die Zentralafrikanische Republik (4,62) und die Republik Kongo (4,81). Die Studie fasst die Ergebnisse der Bewertung der wirtschaftlichen Freiheit für 159 Länder in einem Index zusammen. Dieser wurde auf der Basis von Daten aus dem Jahr 2015 erstellt.

Zwar konnte Deutschland seinen Rang gegenüber dem Vorjahresbericht von 30 auf 23 verbessern, spürbare Gewinne an Wirtschaftsfreiheit sind jedoch nicht zu verzeichnen. In führenden Wirtschaftsnationen, wie der Schweiz, Großbritannien, Australien, Kanada und die USA, lässt der Staat Unternehmern mehr Spielräume, Marktchancen wahrzunehmen. Aber auch innerhalb der EU liegen wir nur im Mittelfeld, zwischen Malta und Österreich (siehe Abbildung). Irland ist das wirtschaftlich freiste Land innerhalb der EU; Griechenlands Wirtschaft ist hingegen den umfangreichsten Restriktionen ausgesetzt.

Vergleich EU-28-Länder
© Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit

Deutschland leistet sich im globalen Maßstab einen sehr umfangreichen Staat, der über Steuern, Subventionen und Staatseigentum tief in die Wirtschaft eingreift (Rang 117). Einschränkungen der internationalen Mobilität von Waren und Dienstleistungen (Rang 42) finden in stärkerem Maße statt wie in anderen Industrieländern. Ebenso findet hierzulande eine vergleichsweise intensive Regulierung der Finanzmärkte (Rang 83) und des Arbeitsmarkts (Rang 47) statt. Ein stabiles Rechtssystem und verlässlicher Eigentumsschutz (Rang 19) sowie eine vergleichsweise stabile Währung (Rang 19) zählen hingegen zu den Stützen des internationalen Rankings in Deutschlands. Nach langen Jahren unterdurchschnittlicher Platzierung findet sich Deutschland inzwischen bei der Unternehmensregulierung (Rang 19) ebenfalls im vorderen Feld der Rangliste.  Dennoch hat sich die wirtschaftliche Freiheit in Deutschland gegenüber dem Vorjahresbericht (7,67) nicht wesentlich erhöht. Nach der Finanzkrise erfolgte Einschränkungen der Wirtschaftsfreiheit wurden noch nicht vollständig wieder abgebaut.

Das passt zu den Empfehlungen der Wirtschaftsforschungsinstitute, die mit der aktuellen Herbstdiagnose verbunden sind. Die von den Wirtschaftsexperten gelobte Flexibilisierung des Arbeitsmarkts der vorletzten Bundesregierung spiegelt sich bereits im Economic Freedom Index wider. Jedoch wird die mangelnde Wachstumsorientierung der zurückliegenden Legislaturperiode von den Wirtschaftsforschungsinstituten kritisiert. Nach wie vor sind die Arbeitseinkommen im internationalen Vergleich hoch mit Abgaben belastet. Das betrifft sowohl die steuerliche Belastung als auch die Sozialabgaben, die gerade für Bezieher niedriger Einkommen von Bedeutung sind. Dementsprechend findet sich Deutschland beim Teilindex „Umfang des Staates“ im internationalen Ranking relativ weit hinten (Rang 117) wieder.

Seit 1980 ist ein Zuwachs der wirtschaftlichen Freiheit in vielen Ländern zu verzeichnen. Besonders erfreulich ist dabei der Zuwachs an Wirtschaftsfreiheit in Entwicklungs- und Transformationsländern. Gerade aus der Gruppe der Transformationsländer zählen heute einige zu den wirtschaftlich freisten Ländern der Welt, wie beispielsweise Estland, Litauen und Lettland, die jeweils einen höheren Rang als Deutschland aufweisen. Die Indexwerte vieler Entwicklungsländer näherten sich über Jahrzehnte den Industrieländern an, jedoch hat sich der Abstand seit 2010 wieder leicht vergrößert. Die höchsten Freiheitszuwächse konnten seit 2000 Rumänien (+2,35), Bulgarien (+1,87) und Ruanda (+1,55) verbuchen. Bedauerlicherweise mussten die Menschen in einigen Ländern im gleichen Zeitraum auch herbe Verluste ihrer wirtschaftlichen Freiheit hinnehmen. Venezuela, seit einigen Jahren das rangletzte Land, verlor 2,83, Argentinien 2,31 und Bolivien 0,88 Indexpunkte, mit spürbaren negativen Konsequenzen für Wirtschaftskraft, Wohlstand und Entwicklungschancen.

Der Economic Freedom of the World Report 2017 ist das Ergebnis einer Kooperation des kanadischen Fraser Institutes, des  US-amerikanischen Cato Institutes, der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit  und anderen im Economic Freedom Network organisierten internationalen Denkfabriken. Der Gesamtindex für 159 Staaten und Territorien setzt sich aus folgenden Einzelindikatoren zusammen: 1) Fiskalische Staatseingriffe und Staatsunternehmen, 2) Rechtsstaatlichkeit und Schutz des Privateigentums, 3) Stabilität der Währungspolitik, 4) Freiheit des internationalen Handels sowie 5) Regulierung von Finanzmarkt, Arbeitsmarkt und Unternehmen.

Für Rückfragen zu den Ergebnissen und der Methodik: Steffen Hentrich, steffen.hentrich@freiheit.org, Tel. 030 28 78 87 36.

 

*Wie lange Hongkong seinen Spitzenplatz vor dem Hintergrund des wachsenden Einflusses der chinesischen Zentralregierung auf die Sonderverwaltungszone noch halten kann, lässt sich kaum sagen. Nicht nur für Bürgerrechte und politische Freiheiten, sondern auch für die wirtschaftliche Freiheit in Hongkong ist Chinas wachsende Macht eine ernsthafte Gefahr. China liegt mit seiner Zentralverwaltungswirtschaft im internationalen Ranking lediglich auf Platz 112.