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Eine Kolumne von Karl-Heinz Paqué

Zukunftsforum 23
Wir können schnell

LNG-Beschleunigungsgesetz im Juni, LNG-Fertigstellung im November. Es geht doch, wenn man nur will.
Minister Wissing fordert beim Zukunftsforum 23 mehr Schnelligkeit

Minister Wissing fordert beim Zukunftsforum 23 mehr Schnelligkeit

© Frank Nürnberger

Unser Land ist zu langsam. Darüber waren sich die Teilnehmer beim ersten Zukunftsforum der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in Berlin weitgehend einig. Das Thema der Tagung: Marktwirtschaftliche Agenda statt noch mehr Hilfspakete? Ihre Botschaft: Wir brauchen in Deutschland eine neue Angebotspolitik, die es erlaubt, die großen Herausforderungen unserer Zeit durch wirtschaftliches Wachstum – und nicht durch schmerzlichen Verzicht – zügig zu bewältigen. Die Engpässe des Wachstums liegen vor allem im Netz der Digitalisierung, in der Qualität der Verkehrsinfrastruktur, in der Sicherheit der Energieversorgung sowie in der Knappheit von Arbeitskräften. In all diesen Bereichen muss gehandelt werden. Und zwar schnell.

Zentrales Problem: Planung und Durchführung von Großprojekten dauern in Deutschland viel zu lange. Der Berliner Flughafen und Stuttgart21 sind nur die augenfälligsten Beispiele für anspruchsvolle Infrastrukturvorhaben, deren Realisierung sich über lange Jahre hingezogen haben (bzw. noch hinziehen) und dann am Ende in einer Form umgesetzt werden, die dann eher schon wieder als veraltet gelten kann. Über diesen allgemeinen Missstand wird schon seit Jahren geklagt, aber nie hat sich etwas Grundlegendes verändert, um die Prozesse zu beschleunigen – von der Bürgerbeteiligung über die Planfeststellung bis zu den Bauarbeiten und deren Begleitung durch eine kritische Öffentlichkeit.

Merkwürdig ist dabei, dass völlig in Vergessenheit geraten ist, mit welcher Geschwindigkeit es Deutschland vor drei Jahrzehnten schaffte, den physischen „Aufbau Ost“ zu bewältigen – im Nachgang zur deutschen Vereinigung am 3. Oktober 1990. Damals gab es auf breiter Front eine massive Beschleunigung aller Verfahren der behördlichen Genehmigungen. Es dauerte nur wenige Jahre der Anspannung aller Kräfte, um die marode Infrastruktur und Bausubstanz des postkommunistischen Ostens rundum zu erneuern und damit die Grundlage für künftiges Wachstum zu schaffen.

Nun stehen wir wieder vor einer tiefen Transformation unseres Landes – diesmal mit Blick auf jene Infrastruktur der Zukunft, die nötig ist, um die ökonomischen und ökologischen Herausforderungen zu bewältigen. Und siehe da: Die dramatische Zuspitzung von Russlands Krieg gegen die Ukraine hat uns erstmals wieder Beine gemacht, jedenfalls bei einem kleinen, aber wichtigen Projekt. Am 16. November 2023 meldeten die Medien, dass der erste Terminal für LNG (Liquified Natural Gas) in Wilhelmshaven fertiggestellt wurde, nach nur 194 Tagen Bauzeit. Erst zum 1. Juni 2023 war mit dem LNG-Beschleunigungsgesetz die rechtliche Voraussetzung für den Bau beschlossen worden, mit Beschluss des Bundestags von 19. Mai 2022, ziemlich genau ein halbes Jahr vor der Fertigstellung. In diesem Gesetz wurden Zulassungs-, Vergabe- und Nachprüfungsverfahren beschleunigt, Ausnahmen zur Umweltverträglichkeitsprüfung erlaubt und die Beteiligung der Öffentlichkeit auf eine Frist von zwei Wochen verkürzt. Wir können also auch schnell.

Damit ist ein erstes Exempel statuiert. Zugegeben, Projekte der Infrastruktur unterscheiden sich in vielerlei Hinsicht, und nicht überall mag eine derartig drastische Beschleunigung möglich sein wie bei LNG-Terminals. Gleichwohl zeigt der Fall, was im Einzelfall an Schnelligkeit erreichbar sein mag, wenn man nur will. Es ist eben eine Frage der politischen Priorität. Und die lag in den letzten beiden Jahrzehnten nach Auslaufen des physischen „Aufbau Ost“ in der inhaltlich intensiven und zeitlich aufwändigen fachlichen Detailprüfung sowie der öffentlichen Diskussion. Das muss sich ändern – natürlich im Rahmen rechtsstaatlicher Verfahren, aber eben mit dem nötigen politischen Nachdruck.

Um dies zu gewährleisten, bedarf es grundlegender und mutiger Schritte in Richtung der Vereinfachung eben dieser Verfahren. Das ist der Kern der immer wieder geforderten Entbürokratisierung. Es sind hier vor allem das Ministerium für Digitalisierung und Verkehr sowie das Ministerium der Justiz gefordert. Beide werden von liberalen Ministern geführt, beide haben sich – wie die gesamte Regierung – mit der Koalitionsvereinbarung der Ampel  nachdrücklich zur Entbürokratisierung verpflichtet. Dass diese gelingt, ist inzwischen nicht mehr nur eine Frage der politischen Präferenz, sondern auch der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Zukunft unseres Landes. Genau dies ist und bleibt eine der Kernbotschaften des jüngsten Zukunftsforums der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit.