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Taiwan
„Mit großer Macht kommt auch große Verantwortung“

Wunschliste aus Taiwan an die nächste Bundesregierung
Taiwanerinnen mit Maske in Taipei
Viele Taiwaner hoffen, dass sich die Beziehungen zwischen Deutschland und Taiwan mit einer Ampelkoalition vertiefen. © picture alliance / ZUMAPRESS.com | Brennan O'Connor

Mit der neuen Bundesregierung wird sich in Deutschland auch die Außenpolitik ändern. Taiwanerinnen und Taiwaner erzählen dem „FNF China Bulletin“ was ihre Hoffnungen, Wünsche und Erwartungen an die neue Bundesregierung sind.

Am 26. September hat die Bundesrepublik Deutschland ein neues Parlament gewählt. Zwar ist die alte Regierung weiterhin geschäftsführend im Amt, aber klar ist: Es wird sich etwas ändern. Das gilt nicht nur für die Zusammensetzung der Regierung, sondern auch für die zukünftige Politik der Bundesrepublik. Insbesondere bei der Haltung Deutschlands zu China werden Veränderungen erwartet.  Die scheidende Kanzlerin Angela Merkel wurde von Xi Jinping in ihrem letzten Telefonat mit herzlichen Worten verabschiedet, er bezeichnete sie als eine „alte Freundin“. Die Grünen und die Liberalen haben sich im Gegensatz dazu bereits im Wahlkampf deutlich für eine härtere Haltung gegenüber Peking ausgesprochen.

Das hat auch Auswirkungen auf die Insel Taiwan. Xi hatte in den vergangenen Jahren mehrfach die Eingliederung Taiwans als sein „zentrales Vorhaben“ bezeichnet, notfalls geschehe das auch mit Gewalt. Für den Fall eines chinesischen Angriffs hat US-Präsident Joe Biden jüngst den Taiwanerinnen und Taiwanern die Hilfe Washingtons zugesichert – aus Deutschland kam bisher kein solches Bekenntnis. Wie die meisten Staaten unterhält Berlin keine offiziellen diplomatischen Beziehungen zur demokratisch legitimierten Regierung in Taipei. Zwar ist nicht davon auszugehen, dass sich daran oder an dem deutschen Bekenntnis zur Ein-China-Politik etwas ändert. Dennoch gibt es durchaus Dinge, die sich Taiwanerinnen und Taiwaner von der voraussichtlichen neuen Regierungskoalition aus SPD, FDP und Grünen wünschen.

Fei-fan Lin, Stellvertretender Generalsekretär, Demokratische Fortschrittspartei DPP

„Ich gratuliere dem deutschen Volk zur Bildung seiner neuen Regierung durch eine demokratische Wahl. Ich erwarte, dass Deutschland und Taiwan ihre Zusammenarbeit weiter vertiefen und gemeinsam für Demokratie, Freiheit, Menschenrechte und andere universelle Werte eintreten werden. Ich hoffe auch, dass Deutschland und Taiwan kontinuierlich zusammenarbeiten können, um den Klimawandel zu bekämpfen, die wirtschaftlichen Beziehungen und den Handel zwischen Taiwan und Europa zu stärken, den Frieden und die Stabilität in der indo-pazifischen Region zu erhalten und die Freundschaft zwischen den beiden Ländern zu festigen." 

Kuan-Ting Chen, CEO der Taiwan NextGen Foundation:

„Die mögliche Bildung einer so genannten ‚Ampelkoalition‘ birgt das Versprechen, die taiwanisch-deutschen Beziehungen zu erweitern und zu vertiefen. Insbesondere weil wir wissen, dass die Freie Demokratische Partei und die Bündnis 90/Die Grünen an der Spitze der Bemühungen um engere Beziehungen zwischen Berlin und Taipei stehen. Gleichzeitig glaube ich, dass der Grad des gegenseitigen Verständnisses in den taiwanisch-deutschen Beziehungen nach wie vor begrenzt ist. Das hindert uns daran, das volle Potenzial der zwischenmenschlichen Beziehungen auszuschöpfen, und schmälert unsere jeweiligen Soft-Power-Arsenale.

 

Ich hoffe, dass die neue Regierung in Deutschland die Akteure der Zivilgesellschaft aktiv einbinden und sie dabei unterstützen wird, nachhaltige Plattformen für den Austausch und die Interaktion mit ihren taiwanischen Kolleginnen und Kollegen zu schaffen. Soziale Innovation, Civic Tech, der Kampf gegen die Klimakrise und die Vergangenheitsbewältigung/Transitional Justice sind einige der wichtigsten Bereiche von gemeinsamem Interesse für Taiwan und Deutschland. Durch Instrumente wie Vernetzungsplattformen, Austauschprogrammen und bilateralen Trainings kann die neue Regierung in Berlin die Beziehungen zu Taiwan auf individueller Ebene festigen, was eine solide Grundlage für die weitere Zusammenarbeit auf höherer Ebene bilden würde.“ 

Thung-Hong Lin, Research Fellow, Institution of Sociology, Academia Sinica

„Mit großer Macht kommt große Verantwortung. Ich denke, deshalb wird von Deutschland in der Regel erwartet, dass es die europäische Diplomatie anführt, die globalen Menschenrechte fördert und sich weltweit gegen Tyrannei wehrt. Wir hoffen, dass die neue deutsche Regierung gegenüber einigen aggressiven Mächten und Autokraten, die die Menschenrechte in Asien verletzen, entschlossen und kontinuierlich für die Freiheit eintreten wird.“ 

Ya-wei Chou, Program Manager, Global Innovation Hub der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit

„Taiwan, Deutschland und viele andere Länder in der Welt stehen vor großen Herausforderungen: Demokratie ist in Gefahr, und autoritärer Einfluss nimmt zu. Das erinnert uns daran, dass Demokratien untereinander solidarisch sein sollten, um die Demokratie zu schützen. Ich hoffe, dass die neue deutsche Regierung die Beziehungen zu Taiwan vor diesem Hintergrund vertiefen kann, denn das wird mehr Möglichkeiten der Zusammenarbeit schaffen und helfen, die Ausbreitung des Autoritarismus in Asien zu verhindern.“

I-Chung Lai, President, The Prospect Foundation

„Was die deutsch-taiwanischen Beziehungen betrifft, ist es wichtig zu wissen, dass wir die deutsch-taiwanischen und die deutsch-chinesischen Beziehungen als parallel betrachten müssen, obwohl wir wissen, dass es immer eine Verbindung zwischen diesen beiden Beziehungen geben wird. Man muss sich aber bewusstmachen, dass es in den Beziehungen zwischen Taiwan und Deutschland immer Elemente gibt, die sich von den Beziehungen zwischen Deutschland und China unterscheiden, wie zum Beispiel die Achtung der Menschenrechte, die Liebe zur Freiheit, das alltägliche Management der demokratischen Regierungsführung, die Wertschätzung der handwerklichen Fähigkeiten. Es gibt auch eine starke Verbindung zwischen Taiwan und Deutschland auf dem Gebiet der christlich-theologischen Wissenschaft als Grundlage für den philosophischen Austausch zwischen Taiwan und Deutschland.

 

Es gibt bereits eine starke Partnerschaft zwischen Taiwan und Deutschland im Bereich der Technologie, und der wirtschaftliche Austausch zwischen den beiden Ländern ist beträchtlich. Diese Tatsachen zeigen, dass die Beziehungen zwischen Taiwan und Deutschland nicht in den trilateralen Beziehungen zwischen Taiwan, China und Deutschland untergebracht werden können, die von vielen Wissenschaftlern als Rahmen für das Verständnis der Beziehungen herangezogen werden. Diese philosophische Neuinterpretation ist der Schlüssel für einen stabilen und gesunden Neubeginn der Beziehungen zwischen Taiwan und Deutschland.”