Schuldenbremse
Christian Lindner hatte Recht
Schriftzug an der Außenwand des Bundesministeriums der Finanzen in Berlin.
© picture alliance / CHROMORANGE | Michael BihlmayerEs ist erst wenige Monate her, da wurden die Freien Demokraten mitsamt ihrem Spitzenkandidaten Christian Lindner aus dem Bundestag herausgewählt. So mancher "kluge" Beobachter hielt Lindners Festhalten an der Schuldenbremse für einen Fehler.
Nun kommt aus der Wissenschaft eine bemerkenswert kraftvolle Bestätigung seiner Sichtweise, die übrigens vor der Bundestagswahl auch noch - vehement vertreten - die Meinung des heutigen Bundeskanzlers Friedrich Merz (CDU) war. Die 28 Mitglieder des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium der Finanzen, allesamt hochangesehene Professorinnen und Professoren der Wirtschaftswissenschaft mit dem Berliner Jörg Rocholl als Vorsitzenden und dem Frankfurter Alfons Weichenrieder als sein Stellvertreter, haben in einem jüngst vorgelegten 52-seitigen Gutachten in dieser Hinsicht ein klares Verdikt gefällt und detailliert begründet.
Dieses Verdikt lautet in Thesenform: Die Schuldenbremse ist für die Finanzpolitik in Deutschland weiterhin von überragender Bedeutung. Dafür gibt es im Wesentlichen drei Gründe:
- Sie hilft aus polit-ökonomischer Sicht, die natürlichen Ausgabeninstinkte der Politik zu disziplinieren, vor allem was die staatlichen Konsumausgaben betrifft.
- Sie mindert, wie die empirische Evidenz zeigt, keineswegs die staatlichen Investitionen und verschlechtert nicht die Wettbewerbsfähigkeit, wie ökonometrische Studien sowie der Vergleich mit der Schweiz und den "fiskalischen Musternachbarn" der EU, Dänemark und den Niederlanden, ganz deutlich zeigen.
- Sie ist - gerade im wirtschaftlich großen und zentral gelegenen Deutschland - von gewaltiger internationaler Bedeutung, da sie das Vertrauen in den Euro stützt und den Euro-Währungsraum vor Krisen bewahrt, weil sie der Staatsfinanzierung Nachhaltigkeit verleiht und die Märkte davon überzeugt, dass es nicht zu einer Inflationierung durch Gelddrucken kommt, denn es gibt einen verlässlichen "Anker der Stabilität", eben Deutschland.
All dies bestätigt im Wesentlichen die Erkenntnisse, die schon ein empirisch fundiertes Gutachten Ende letzten Jahres öffentlich machte, das im Auftrag der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit vom Walter-Eucken-Institut in Freiburg i. B. erarbeitet wurde. Genau wie die seinerzeitigen Gutachten kommt auch der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium der Finanzen zu dem Schluss: Die Schuldenbremse muss bleiben - ggf. mit ein paar Elementen zusätzlicher Flexibilität in konjunkturellen Krisenzeiten, aber mehr nicht. Sie sollte die Schuldenquote auf längere Sicht einigermaßen konstant halten, möglichst bei den "traditionell" avisierten 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.
Davon kann bei der derzeitigen Bundesregierung nicht die Rede sein. Sie steuert mit ihrer Politik schnurstracks auf jene 90 Prozent Schuldenquote zu, die üblicherweise als "kritischer" Wert gelten und in Ländern wie Frankreich, Großbritannien, Italien und den USA längst überschritten sind.
Ein stabilitätspolitisch überaus gefährlicher Weg, der im Übrigen den künftigen Generationen massive zusätzliche Steuerlasten aufbürden wird. Die Freien Demokraten und vor allem Ex-Finanzminister Christian Lindner haben nachdrücklich davor gewarnt. Ihre Diagnosen werden nun mit starken Argumenten der Wirtschaftswissenschaft unterstützt. Aber dies interessiert die regierende Koalition aus CDU und SPD offenbar reichlich wenig. Das wird sich noch für Deutschland rächen.