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Rede zur Lage der Nation
It’s never a good bet to bet against America

Joe Bidens Rede zur Lage der Nation
Joe Biden

US-Präsident Joe Biden bei der Rede an die Nation

© picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Alex Brandon

Optimismus, Selbstbewusstsein und beginnender Wahlkampf

In seiner Rede zur Lage der Nation vor beiden Häusern des Kongresses setzte Präsident Biden auf eine optimistische und das Land vereinigende Botschaft. Er betonte die Erfolge seiner Regierung und rief, wie in all seinen Grundsatzreden, zur Einigkeit und zur Zusammenarbeit über Parteigrenzen hinweg auf. Gleichzeitig attackierte er die Republikaner an einigen Stellen jedoch deutlich und gab so in den Augen vieler einen Vorgeschmack auf seinen mit hoher Wahrscheinlichkeit bevorstehenden Wahlkampf. Insgesamt war die Atmosphäre während der Rede deutlich aufgeheizter und konfrontativer als noch vor einem Jahr, wofür in erster Linie die republikanischen Abgeordneten sorgten.

Die Rede war traditionell vor allem nach innen, an die Bürgerinnen und Bürger der USA gerichtet, enthielt aber auch eine Botschaft an den Rest der Welt: „It’s never a good bet to bet against America.“ Die USA unter Joe Biden verfolgen konsequent die Agenda, das eigene Land im internationalen Wettbewerb zu stärken und gleichzeitig auf vielen Feldern wieder die Führungsrolle einzunehmen, die in den letzten Jahren ins Wanken zu geraten schien.

Wirtschaft: Investitionen und „Buy American“

Die wirtschaftliche Entwicklung in den USA ist überaus positiv. Biden betonte die wachsende Beschäftigung und den einsetzenden Erfolg der großen staatlichen Investitionsprogramme. Die Arbeitslosenquote liegt mit 3,5 % auf einem 50-Jahres-Tief. Er nannte Beispiele für große staatliche Infrastrukturprojekte, aber auch für neue große Investitionen in industrielle Produktionsstätten, so bei der Chip-Produktion. Sein Ziel ist es, so betonte er, die USA in vielen Bereichen wieder zum führenden Produktionsstandort der Welt zu machen. Teil dieser Politik ist es auch, bei staatlichen Investitionen inländische Anbieter deutlich zu bevorzugen – also auf „Buy American“ zu setzen. Diese protektionistische Tendenz, die er mit seinem Amtsvorgänger teilt, stößt bei vielen Handelspartnern auf Kritik – gerade auch in der EU.

Gleichzeitig fokussierte er, wie schon in seinem Wahlkampf, stark auf die Arbeitenden in der Industrie – er betonte, dass er ihre Chancen weiter stärken will, dass sie wieder stolz auf ihre Arbeit sein können, dass ihre Einkommen steigen sollen. Gerade für diese Zielgruppe ist die immer noch hohe Inflation ein wichtiges Thema – Joe Biden verwies jedoch auf den Abwärtstrend der Inflationsrate in den letzten Monaten.

Finanzen: Steuerpolitik für einen ausgeglichenen Haushalt

Die Erhöhung der Schuldenobergrenze, des sogenannten „debt ceiling“, durch den Kongress ist traditionell ein wichtiges Anliegen jedes Präsidenten, um die staatlichen Institutionen handlungsfähig zu halten. Biden betonte, dass er zu Gesprächen mit den Republikanern bereit ist, aber nicht auf weitreichendere strukturelle Forderungen hinsichtlich des Haushalts eingehen wird – er forderte eine bedingungslose Erhöhung. Im Zusammenhang damit bekannte er sich zum Ziel der Reduzierung des Haushaltsdefizits und verwies darauf, dass dieses in den letzten Jahren reduziert werden konnte. Allerdings spielen hier, so muss angemerkt werden, die vorherigen Sondereffekte der Pandemie eine wichtige Rolle. Der Weg des Präsidenten und seiner Partei zu einer Konsolidierung des Staatshaushaltes soll ganz klar über Steuererhöhungen für sehr Wohlhabende sowie profitable Großunternehmen gehen. Biden betonte, dass niemand mit einem Jahreseinkommen unter 400.000 US$ mehr Steuern zahlen solle. Ganz im Narrativ seines Wahlkampfes und seiner Partei forderte er, dass Unternehmen einen größeren Beitrag zu den öffentlichen Haushalten leisten sollen.

Wichtige Anliegen der Demokraten

Die Differenzen zu den Republikanern betonte Biden besonders stark in seinen Ausführungen zu den großen Sozialprogrammen wie etwa Medicare. Er warf der Opposition vor, diese abschaffen zu wollen und positionierte sich als Verteidiger der in großen Teilen der Bevölkerung populären Programme.

Ein wichtiges Thema der politischen Auseinandersetzung in den USA ist die Gesetzgebung zu Schutzwaffen. Hier sprach sich Biden für deutliche stärkere Regulierungen aus, insbesondere für intensivere Checks vor dem Waffenkauf und das Verbot sogenannter „assault weapons“, ohne aber auf Maximalforderungen zu setzen.

Die Rolle in der Welt

Traditionell spielt die Außenpolitik eine eher untergeordnete Rolle in der Rede zur Lage der Nation. Biden betonte – auch das ein wichtiges Merkmal seiner Präsidentschaft – sein Anliegen, die Allianzen mit den Partnern überall auf der Welt zu stärken und erwähnte explizit die NATO. Im Mittelpunkt dieses Teils standen jedoch das Verhältnis zu China und der Angriffskrieg Russlands in der Ukraine. China ist kein Feind, aber der wichtigste globale Konkurrent – und Biden kündigte an, diesen Wettbewerb auf allen Feldern konsequent zu führen. Der Ukraine versicherte er die dauerhafte Unterstützung in ihrer Verteidigung gegen die russische Invasion – die Botschafterin der Ukraine war anwesend und wurde explizit erwähnt. Ein interessantes rhetorisches Detail ist, dass er das Wort „Russland“ nicht einmal gebrauchte, sondern nur von Putin sprach, den er hart attackierte.

Die Unity-Agenda – langfristige Ziele

Zum Abschluss seiner Rede knüpfte Biden an die vierteilige Unity-Agenda an, die er während der letztjährigen Rede angekündigt hatte. Das Ziel der langfristig angelegten Agenda ist es, Krebs zu besiegen, Veteranen, ihre Betreuer und Überlebende besser zu unterstützen, die Krise der psychischen Gesundheit anzugehen und die Opioid-Epidemie zu bekämpfen.

Letztes Jahr hatte Biden angekündigt, die Cancer Moonshot-Initiative zu überarbeiten, ein Zuschussprogramm, das Unternehmen, gemeinnützige Organisationen, Denkfabriken und andere Organisationen dazu anregen soll, zusammenzuarbeiten, um auf den Sieg über Krebs als tödliche Krankheit hinzuarbeiten. Biden berichtete, dass sich seit der Überarbeitung des Cancer Moonshot über 60 Organisationen mit neuen Aktionen und Kooperationen engagiert haben.

Bei der Unterstützung von Veteranen hat es, so betonte Biden, spürbare Verbesserungen gegeben. Aber trotz dieser Verbesserungen gibt es weiterhin einen Mangel an psychologischer Unterstützung. Mehr als 71.000 Veteranen sind durch Selbstmord gestorben. Biden machte deutlich, dass die „heilige Verpflichtung“ gegenüber den amerikanischen Militärangehörigen weiterhin Priorität für ihn hat.

Laut einer aktuellen Studie der Kaiser Family Foundation glauben 90 % der Amerikaner, dass die psychische Gesundheit ab 2022 eine nationale Krise darstellt. Biden legte dar, wie seine Regierung das Problem angeht. Er nannte soziale Medien eine Quelle für psychische Gesundheitsprobleme und forderte bessere Maßnahmen in sozialen Medien, um Kinder zu schützen. Darüber hinaus möchte er Technologieunternehmen strenger regulieren, die Daten sammeln und Algorithmen verwenden.

Bezüglich der Opioid-Epidemie kündigte er an, stärker gegen den Handel und die Verteilung von Fentanyl vorzugehen.