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Eine Kolumne von Lukas Köhler

Klimaziel 2030
Wo ist der Weg zum Klimaziel?

Die Treibhausemissionen in der Europäischen Union sollen innerhalb von zehn Jahren um 55 Prozent sinken
Klimaziel 2030
© picture alliance / Geisler-Fotopress | Christoph Hardt/Geisler-Fotopres

Vor einigen Tagen hat die EU angekündigt, man wolle das Klimaziel für 2030 verschärfen. Nun soll eine Senkung der Emission von Treibhausgasen um 55 Prozent avisiert werden. Bisher waren 40 Prozent geplant. Der Umweltausschuss des Europäischen Parlaments fordert sogar 60 Prozent. Begründet wird dies mit der Senkung um 25 Prozent, die seit 1990 erreicht worden ist – bei einem Wirtschaftswachstum von 62 Prozent. Geht doch – das ist Botschaft. Warum nicht einfach draufsatteln? Auch Bundeswirtschaftsminister Altmaier hat mit seinem jüngsten 20-Punkte-Plan ins gleiche Horn gestoßen.

Es ist fast schon ein Sport geworden, immer ambitioniertere Klimaziele zu verkünden. Über die konkrete Höhe des Ziels für 2030 lässt sich natürlich streiten, auch die FDP fordert ja die 55% ein, es bleibt aber nichts anderes als ein Zwischenziel auf dem Weg zum eigentlichen Hauptziel: der Klimaneutralität der EU-Wirtschaft zur Mitte dieses Jahrhunderts. Diese zu erreichen ist ohnehin noch ein langer Prozess, und es geht bei der zeitlichen Verteilung der Lasten „nur“ um das erste Drittel des Weges, gewissermaßen die langgezogene mittelfristige Weichenstellung.

Praktisch und politisch weit wichtiger als das konkrete numerische Ziel ist aber die Frage des Weges zum Ziel. Ohne Skizzierung des Weges bleibt das Ziel eine hohle Deklaration. Was die Europäische Union (EU) und Deutschland in dieser Hinsicht bisher bieten, ist völlig unzureichend. Dabei gibt es längst einen konzeptionell klaren Weg, das Ziel zwingend zu erreichen: die Einführung eines umfassenden Emissionshandels mit einer festen gesamtwirtschaftlichen Obergrenze des Ausstoßes von Treibhausgasen und variablem Preis. Nur er stellt sicher, dass das Ziel erreicht wird, weil nur er die Menge der Emissionen im Vorhinein festlegt und alles weitere der Lenkungswirkung der Preise von Emissionen überlässt.

Genau dies schlagen in Deutschland die Freien Demokraten längst vor. Im Kern geht es darum, den bereits für die Energiewirtschaft und die Industrie verpflichtenden EU-Emissionshandel auch auf die verbleibenden Sektoren der Volkswirtschaft zu übertragen, als da sind: Verkehr, Gebäude, Landwirtschaft und Abfallbeseitigung. Für die gibt es bisher nur windelweiche Vereinbarungen, aber es fehlt an einem klaren gesamtwirtschaftlichen Mengenziel, das sich dann – je nach Vermeidungskosten – auf die verschiedenen Sektoren verteilt. Genau das ist auch zweckmäßig, denn warum sollte nicht jener Sektor am wenigsten (meisten) beitragen, der die höchsten (niedrigsten) Kosten des Emissionsverzichts hat? Das ist ökologisch und ökonomisch sinnvoll.

Natürlich gibt es bei einer solchen Lösung eine lautstarke Diskussion der Lobbyisten verschiedener Industrien, Nationen und Regionen, die mehr oder weniger stark betroffen sind. Aber das ist ohnehin völlig unvermeidlich – auch übrigens bei der Einführung von Lenkungssteuern, die aber viel weniger zielgenau sind als die Mengenbegrenzung der Emissionen. Je schneller man also über politische Methoden des Übergangs und der Kompensation nachdenkt und verhandelt, umso besser. Sinnlos ist es dagegen, immer weiter mit neuen Zielgrößen zu hantieren, ohne den Weg zum Ziel auch nur im Geringsten zu konkretisieren.

Politisch fragt man sich: Wo bleibt nur die Initiative des mächtigen Ratspräsidenten Deutschland, den Weg zum Ziel durch konkrete Vorschläge der Ausweitung des Emissionshandels konkret politisch vorzubereiten? Wo bleibt das Gespräch von Angela Merkel mit Ursula von der Leyen – und zwar nicht über den politischen Fensterschmuck der Klimaziele, sondern über den durchaus steinigen Weg dahin? Immerhin gibt es ja den Emissionshandel auf europäischer Ebene längst, er muss eben nur umfassend auf alle Sektoren angewandt werden. Die EU-Kommission hat diesen Vorschlag übrigens bereits in ihren Instrumentenkasten aufgenommen. Es liegt jetzt an Deutschland, die hehren Ziele mit diesem zentralen Werkzeug der Klimapolitik zu untermauern. Auch für die Industrie sowie Verkehrs-, Gebäude-, Land- und Abfallwirtschaft ist dies von überragender Bedeutung, denn sie stehen alle vor einer großen Umstrukturierung, der größten seit Jahrzehnten. Dies offen anzusprechen ist ein Gebot nicht nur der wirtschaftlichen Planungssicherheit, sondern auch der politischen Redlichkeit.

 

Karl-Heinz Paqué ist Vorstandsvorsitzender der Friedrich-Naumann-Stiftung und Inhaber des Lehrstuhls für Internationale Wirtschaft an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg.

Lukas Köhler MdB ist klimapolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion.

© Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit