Ifo-Institut
Sozialstaat: Ein deutscher Dschungel
Demonstranten mit Plakat "Ich liebe den Sozialstaat".
© picture alliance / IPON | Stefan BonessEs könnte eine Satire sein, aber es ist bitterer Ernst. Das Ifo-Institut hat eine fast 50-seitige Studie vorgelegt, die aus nichts anderem besteht als einer - unkommentierten - Kompilation aller Gesetze und Regeln unseres Sozialstaats. Man ist versucht auszurufen: Bravo, endlich!
Schaut man sich diese Kompilation an, bleibt einem die Spucke weg. Sie übertrifft alles, was man sich selbst mit der blühendsten Phantasie hätte träumen lassen: Mehr als 500 Vorschriften aus rund 40 unterschiedlichen Bereichen. Der Anblick allein dieser Auflistung macht einen fassungslos: Was hat über die Jahrzehnte die Deutschen dazu bewegt, ein derart komplexes Geflecht von Gesetzgebung zu stricken - immer mehr, immer differenzierter, immer einzelfallorientierter? Hier ist ein Volk - oder zumindest seine politischen Vertreterinnen und Vertreter - angestrengt bemüht, es jedem Bedürftigen recht zu machen und im Vorhinein alles ganz genau festzulegen.
Dies führt - wie könnte es anders sein - ins Absurde. Im Ergebnis liefert diese verdienstvolle Inventur auch ohne weitere wissenschaftliche Detailanalyse den schlagenden Beweis, dass wir in Deutschland dringend eine grundlegende Entbürokratisierung brauchen, und zwar wenn schon nicht mit der Kettensäge des rabiaten argentinischen Präsidenten Javier Milei, so doch mit einer allerdings gigantisch großen "Gartenschere" (der Begriff stammt von meinem geschätzten liberalen Kollegen Stefan Kolev).
Wohlgemerkt: "Staatsreform" ist dafür ein noch verharmlosender Begriff. Es bedarf vielmehr einer grundlegenden Veränderung des "Mindset" und seiner praktischen Umsetzung. Ein funktionierender Sozialstaat muss menschlich helfen, nicht bürokratisch durchregulieren. Dazu braucht es ein Regelwerk, das dem intuitiven Ermessen jenen Spielraum gibt, der erst dafür sorgt, dass der gesunde Menschenverstand nicht völlig auf der Strecke bleibt. Davon sind wir - die Ifo-Studie zeigt es - in unserem Land meilenweit entfernt. Höchste Zeit also, an die Arbeit zu gehen. Die Bundesregierung sollte den Befund ernst nehmen und die gigantisch große Gartenschere in die Hand nehmen, bevor wir Deutsche uns in unserem eigenen, selbst geschaffenen Dschungel endgültig verirren.