Vereinte Nationen
Die Gründung der Vereinten Nationen
Am 24. Oktober 1945 wurden die Vereinten Nationen offiziell gegründet, nachdem die VN-Charta von 29 Nationen, darunter den fünf ständigen Mitgliedern des Sicherheitsrats, ratifiziert worden war.
Dies stellt einen Wendepunkt in der Geschichte des 20. Jahrhunderts dar und symbolisiert die gemeinsame Antwort der Welt auf die Gräuel des Zweiten Weltkriegs. Die Vereinten Nationen wurden als internationale Organisation konzipiert, die darauf abzielt, künftige Konflikte zu verhindern, den Frieden zu fördern und die Zusammenarbeit zwischen den Nationen zu stärken.
Die San-Francisco-Konferenz: Ein entscheidender Moment der globalen Diplomatie
Das Gründungsdokument der VN, die Charta der Vereinten Nationen, wurde auf der San-Franzisco-Konferenz entworfen und angenommen, die vom 25. April bis 26. Juni 1945 stattfand. Die Konferenz war die größte internationale Zusammenkunft ihrer Zeit und brachte 850 Delegierte aus 50 Nationen zusammen. Diese Nationen waren hauptsächlich Alliierte, die gegen die Achsenmächte im Zweiten Weltkrieg gekämpft hatten. Die Konferenz wurde von den „Großen Vier“ dominiert: den Vereinigten Staaten, der Sowjetunion, dem Vereinigten Königreich und China. Diese Länder hatten bereits in früheren Verhandlungen wie der Jalta-Konferenz im Februar 1945 die Grundlagen für die Charta gelegt. Weitere wichtige Vorläufer waren die Atlantik-Charta (1941), die Erklärung der Vereinten Nationen (1942) und die Dumbarton-Oaks-Konferenz (1944). Die Aggressorstaaten Deutschland, Italien und Japan waren von der Konferenz ausgeschlossen.
Die Konferenz war in vier Hauptkommissionen gegliedert, die jeweils für einen anderen Teil der Charta verantwortlich waren: die Generalversammlung, den Sicherheitsrat, den Internationalen Gerichtshof und das Sekretariat. Die Außenminister der Großen Vier führten abwechselnd den Vorsitz bei den Plenarsitzungen, was ihren großen Einfluss widerspiegelte. Die Atmosphäre war von Optimismus, aber auch von Spannung geprägt. Die Delegierten waren sich der Schrecken des Krieges und der dringenden Notwendigkeit bewusst, einen dauerhaften Frieden zu schaffen, mussten jedoch gleichzeitig nationale Interessen und ideologische Differenzen ausgleichen.
Gemeinsame Prinzipien trotz tiefer Spaltungen
Trotz erheblicher Unterschiede gelang es den teilnehmenden Nationen, auf der San-Francisco-Konferenz eine Reihe gemeinsamer Grundprinzipien festzulegen, die die Mission und Struktur der Vereinten Nationen definieren sollten. Diese Prinzipien betonten den Multilateralismus als grundlegende Voraussetzung für dauerhaften Weltfrieden.
Frieden und Gewaltverzicht:
Die Charta verbietet ausdrücklich den Einsatz von Gewalt durch Mitgliedstaaten, außer in Fällen der Selbstverteidigung oder kollektiver Sicherheitsmaßnahmen, die vom Sicherheitsrat genehmigt werden.
Dies war eine direkte Reaktion auf die unkontrollierte Aggression, die zum Zweiten Weltkrieg geführt hatte.
Souveräne Gleichheit:
Dieses Prinzip wurde eingeführt, um sicherzustellen, dass jeder Mitgliedstaat – unabhängig von Größe oder Macht – eine gleichberechtigte Stimme in der Generalversammlung hat. Kleinere Staaten bestanden auf dieses Prinzip, um ihre Gleichwertigkeit mit den Großmächten, insbesondere in Fragen der Friedenssicherung, zu gewährleisten.
Menschenrechte und Grundfreiheiten:
Die Charta betont die Bedeutung der Menschenrechte und des Schutzes der Grundfreiheiten
als Eckpfeiler des internationalen Friedens und der Sicherheit. Sie verpflichtet alle Mitgliedstaaten, „die Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten für alle ohne Unterschied nach Rasse, Geschlecht, Sprache oder Religion“ zu fördern.
Der Schatten des Kalten Krieges
Die VN wurde in einer Welt gegründet, die sich bereits in rivalisierende Blöcke zu spalten begann. Dies schränkte zwar ihre Wirksamkeit ein, machte ihre Existenz jedoch umso wichtiger. Es verdeutlicht, welch diplomatisches Meisterwerk die erfolgreiche Gründung einer globalen Friedensorganisation war.
Zum Zeitpunkt der Ratifizierung der VN-Charta begannen die Beziehungen zwischen den westlichen Alliierten und der UdSSR bereits zu zerfallen. Streitigkeiten über Osteuropa und die Zukunft Deutschlands sowie ideologische Differenzen führten zu tiefen Spannungen.
Dies zeigte sich in den Verhandlungen in Form intensiver Debatten und Kompromisse.
So etwa war das Vetorecht der fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats (USA, UdSSR, Vereinigtes Königreich, Frankreich und China) ein umstrittener, aber notwendiger Kompromiss, um die Unterstützung der Großmächte zu sichern. Die Struktur des Sicherheitsrats mit fünf ständigen und sechs rotierenden Mitgliedern spiegelte sowohl die Realität der Machtpolitik als auch den Wunsch nach breiterer Repräsentation wider.
Die erste große Bewährungsprobe der VN-Einheit, die Iran-Krise von 1946, zeigte diese Spaltungen deutlich und kündigte die Lähmung des Sicherheitsrats während des Kalten Krieges an. Trotz dieser Herausforderungen zwang die gemeinsame Angst vor einem weiteren Weltkrieg zur Zusammenarbeit, und die VN spielte weiterhin eine entscheidende Rolle bei der Förderung des Friedens.
Die Rolle der kleineren Staaten: Herausforderung für die Großmächte
Obwohl die Hauptalliierten des Zweiten Weltkriegs die San-Francisco-Konferenz dominierten, spielten kleinere Staaten eine wichtige Rolle bei der Gestaltung der VN-Charta. Länder aus Lateinamerika, den Philippinen und kleineren europäischen Staaten setzten sich gegen die Dominanz der Großmächte zur Wehr und forderten mehr Repräsentation und Schutzmechanismen gegen deren Übermacht.
Kleinere Staaten erreichten beispielsweise, dass Artikel 2(7) der Charta aufgenommen wurde, der die Einmischung der UN in innere Angelegenheiten begrenzt, sowie die Erweiterung des Wirtschafts- und Sozialrats (ECOSOC) als eines der Hauptorgane der VN, um globale Ungleichheiten zu bekämpfen. Diese Maßnahmen gaben kleineren Nationen eine institutionalisierte Stimme – etwas, das der Völkerbund nicht geschafft hatte – und spiegelten einen inklusiveren Ansatz der Weltordnung wider.
Von der Gründungscharta zur Realität: Die ersten Monate der VN
Die VN-Charta wurde am 25. Juni 1945 einstimmig angenommen und am folgenden Tag zur Unterzeichnung geöffnet. China war das erste Land, das unterzeichnete, gefolgt von der UdSSR, dem Vereinigten Königreich, Frankreich und den Vereinigten Staaten. Im Juli 1945 ratifizierte der US-Senat die Charta mit 89 zu zwei Stimmen. Bis zum 24. Oktober 1945 hatten genügend Nationen die Charta ratifiziert, um die Vereinten Nationen offiziell ins Leben zu rufen.
1947 erkannte die Generalversammlung den 24. Oktober offiziell als Tag der Vereinten Nationen an, und 1971 wurde er zu einem internationalen Feiertag erklärt. Die ersten Monate der VN waren geprägt von symbolischen und praktischen Schritten zur Aufnahme ihrer Arbeit, darunter die Wahl von New York als Sitz der Organisation und die Ernennung von Trygve Lie zum ersten Generalsekretär.
Die UNO stand sofort vor großen Herausforderungen, darunter die dringende Notwendigkeit, den Wiederaufbau nach dem Krieg und Flüchtlingskrisen zu bewältigen. Diese frühen Erfahrungen bildeten die Grundlage für die sich entwickelnde Rolle der VN in den internationalen Beziehungen. Die Charta der Vereinten Nationen und ihre Geschichte bleiben ein Zeugnis für die Möglichkeit internationaler Zusammenarbeit – selbst in Zeiten tiefer Spaltung. Während die Welt weiterhin mit komplexen Herausforderungen konfrontiert ist, bieten die Lehren der San-Francisco-Konferenz und der frühen Jahre der Vereinten Nationen wertvolle Einsichten in den anhaltenden Kampf für Frieden und Gerechtigkeit.
Autorin
Henrike Claussen, Historikerin und freie Kulturberaterin mit einem Schwerpunkt auf Demokratievermittlung.