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Eine Kolumne von Karl-Heinz Paqué

Handel
Amerika auf Abwegen

Der „Inflation Reduction Act“ ist ein Schlag gegen die Prinzipien des fairen und freien Handels. Allerdings: Die Reaktion der EU ist es auch.
Joe Biden, Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika USA, und Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission

Joe Biden, Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika USA, und Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission

© picture alliance/dpa | Kay Nietfeld

Allen liberalen Volkswirten muss es die Sprache verschlagen: Bidens USA plant mit dem Inflation Reduction Act (IRA) Investitionen von 369 Milliarden Dollar in grüne Energie. Soweit, so gut und legitim. Aber dieses Paket enthält u. a. Steuergutschriften für den Kauf von Elektroautos und Batterien, die ausschließlich in Nordamerika montiert worden sind. Das ist eine glasklare Verletzung der Prinzipien einer Welthandelsordnung, die ausdrücklich die Diskriminierung von ausländischen Produzenten verbietet.

Nun hat sich die Europäische Union (EU), so ließe sich argumentieren, dieses Problem selbst eingebrockt. Der Grund: Die neuen amerikanischen Pläne nehmen ausdrücklich Länder aus, mit denen die USA Handelsverträge abgeschlossen haben. Dazu zählen eben nicht die Nationen der EU, denn vor einigen Jahren scheiterten die Pläne zum Abschluss von TTIP, der Transatlantic Trade and Investment Partnership, vor allem auch deshalb krachend, weil der grüne Geist in der deutschen Politik keine Kompromisse mit Blick auf die Gesundheits- und Umweltvorschriften sowie die Existenz von außerstaatlichen Schiedsgerichten zur Entscheidung von Handelsstreitigkeiten wollten. Die Angst vor dem Chlorhühnchen und der Macht von amerikanischen Großkonzernen stand im Vordergrund. Die Quittung dafür wird jetzt aus Washington zugestellt.

Das stimmt. Die EU hat eine historische Chance in der ersten Hälfte des letzten Jahrzehnts zur Zeit der Präsidentschaft von Barack Obama verpasst. Und danach kam Donald Trump, der von Handelsabkommen aus protektionistischer rechtspopulistischer Starrköpfigkeit heraus nichts mehr wissen wollte. Stellt sich dann allerdings die Frage, wie man mit der neuen misslichen Situation umgeht. Und da ist die Reaktion der EU in Gestalt der Kommissionspräsidentin von der Leyen geradezu abenteuerlich: Sie will der unfairen amerikanischen Subventionsoffensive mit eigenen Subventionsprogrammen begegnen: Aufweichung der Beihilfekontrollen und eigene Unternehmenssubventionen, eine Art Aufblähung des Programms für „Important Projects of Common European Interest, IPCEI, das sich heute auf 5,4 Milliarden Euro beläuft. Sie will offenbar quantitativ in eine ganz andere Dimension vorstoßen, um dem amerikanischen Angriff zu trotzen, und dies alles mit zusätzlichen Schulden finanzieren. 

Also: der Marsch in den Subventionskrieg. Mit Verlaub: Das ist der völlig falsche Weg. Richtig ist es, in einem geordneten Beschwerdeverfahren bei der Welthandelsorganisation die Rücknahme der amerikanischen Handelsdiskriminierung zu erwirken. Und sollten die USA nicht frühzeitig konstruktiv reagieren, zu handelspolitischen Sanktionen zu greifen, die den amerikanischen Freunden wehtun. Es wird nicht schwer sein, Branchen zu finden, bei denen dies der Fall ist – man denke nur an den weiten Bereich der Informationstechnologie.

Aber so weit sind wir natürlich noch nicht. Davor stehen intensive Verhandlungen. Wohlgemerkt: mit wirtschaftlich und geopolitisch starken Anreizen auf beiden Seiten zu einer vernünftigen Einigung zu kommen. Denn seit Jahrzehnten ist heute der denkbar schlechteste Zeitpunkt, einen massiven transatlantischen Streit vom Zaun zu brechen. Putins Russland würde jubilieren. Und Chinas Führung würde sich die Hände reiben. Es wird Zeit, dass man auf beiden Seiten des Atlantiks zur Vernunft kommt. Am besten wäre es, schnell eine pragmatische Einigung zu avisieren und sich dann gleich an den Entwurf eines neuen transatlantischen Handelsabkommens zu setzen, das solche Vorfälle für die Zukunft ausschließt. Es muss nicht so ambitioniert sein, wie das TTIP war. Eine Blaupause liegt ja inzwischen vor: CETA, das europäisch-kanadische Wirtschafts- und Handelsabkommen.