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Frankreich
Zweite Runde der französischen Regionalwahlen bestätigt Konservative und Sozialisten im Amt

Dramatisch niedrige Wahlbeteiligung

Die zweite Runde der am 26. Juni abgehaltenen Regional- und Departementwahlen in unserem französischen Nachbarland haben fast alle Trends bestätigt, die sich seit der ersten Wahlrunde eine Woche vorher abgezeichnet hatten. Auf lokalpolitischer Ebene setzten sich die bisherigen Amtsinhaber durch die Bank weg durch: die Sozialisten (PS) behalten ihre fünf Regionen Okzitanien, Bretagne, Nouvelle-Aquitaine, Centre-Val-de Loire und Bourgogne-Franche-Comté, wohingegen die Konservativen (Les Républicains, LR) ihre Vormachtstellung in den anderen sieben Regionen sichern konnten. Die einzige Veränderung bei der Besetzung der Regionalräte bezieht sich auf La Réunion, wo die PS/La France Insoumise-Kandidatin Huguette Bello den scheidenden Ex-LR-Präsidenten Didier Robert schlug. Doch was steckt hinter diesem Wahlverhalten auf lokaler Ebene, das nicht mit den Umwälzungen der politischen Landschaft seit den letzten Präsidentschaftswahlen und dem Eintritt von La République en Marche (LREM) einhergeht?

Wahlbeteiligung bleibt auf historischem Tief und spielt Konservativen und Sozialisten in die Karten

Es ist Vorsicht bei weitreichenden Interpretationen geboten, da auch bei dieser zweiten Wahlrunde  lediglich 34,3 Prozent der Franzosen und Französinnen und damit lediglich knapp ein Prozentpunkt mehr als bei der ersten Wahl diesen Sonntag ihre Stimme abgaben. So sollte der Höhenflug, den die Konservativen in den Erfolgen von Xavier Bertrand (52,4% in Haut-de-France), Laurent Wauquiez (55,1% in Auvergne-Rhône-Alpes) oder Valérie Pécresse (45,9% in der Île-de-France) bereits als Anzeichen für ein politisches Comeback auf nationaler Ebene sehen wollen und die Diskussionen um einen künftigen Präsidentschaftskandidaten, der Emmanuel Macron und Marine le Pen die Stirn bieten könnte, mit Blick auf die Wahlbeteiligung relativiert werden. Diejenigen die zur Wahl gingen, vor allem Ältere und der Mittelschicht angehörende Menschen, zählen potenziell zu den Stammwählern von PS und LR. So könnte man schnell den Eindruck bekommen, in Frankreich sei alles wie beim Alten, also klar zwischen linkem und rechtem Parteispektrum aufgeteilt. Doch die Realität, die sich in für die lokalpolitische Ebene noch nie dagewesener Wahlabstinenz niederschlägt, zeigt viel mehr, dass ein Großteil der Wählerschaft sich trotz allgegenwärtiger Appelle, beim zweiten Wahlgang von ihrem Stimmrecht Gebrauch zu machen, offenbar nicht vom Angebot der Parteien vertreten fühlt.

Pakt von LREM und LR gegen Rechtsextreme in südfranzösischem PACA hat funktioniert

Zwischen erstem und zweiten Wahlgang wurde viel darüber spekuliert, ob das rechtsextreme Rassemblement National von Marine le Pen in der südfranzösischen Region Provences-Alpes-Côte d’Azur einen Achtungserfolg erlangen könnte und damit zum ersten Mal überhaupt einen Regionalrat leiten würde. Mit 57 zu 43 Prozent hat sich nun der konservative Kandidat Renaud Muselier gegenüber dem RN-Kandidaten Thierry Mariani durchgesetzt, was wohl nur durch die Hilfe von LREM möglich war. Diese hatten nach der ersten Wahlrunde ihren entsprechenden Kandidaten zu Gunsten einer gemeinsamen Wahlliste zurückgezogen und ihre Wähler und Wählerinnen entsprechend dazu aufgerufen, sich der „republikanischen Front“ gegen Rechts anzuschließen. Diese Strategie war im Vorfeld heftig kritisiert worden und führte zu nichts weniger als einer Sinnkrise bei den Konservativen. Und LREM wurde vorgeworfen, sich gegenüber den Konservativen nicht genug abzugrenzen. Auch wenn die 43 Prozent für den RN ein dramatisches Ergebnis sind, ist das Abwenden eines Sieges der Rechtsextremen in der Region durch die republikanische Front nicht nur für die Regionalpolitik Frankreichs bedeutsam. So hätte ein Sieg des Europaabgeordneten Thierry Mariani möglicherweise weitreichendere Folgen gehabt. Dieser wurde gerade wie weitere EU-Abgeordnete wegen einer pro-russischen Wahlbeobachtungsmission in der Krim auf eine schwarze Liste gesetzt. Zudem sprach sich Mariani immer wieder gegen den deutsch-französischen Vertrag von Aachen und gegen eine angebliche Übermacht der EU aus. Wie der Politikwissenschaftler Paul Maurice bei der FAZ anmerkt, verfolgt Mariani „einen klar pro-russischen Diskurs und könnte versuchen, sich russische Alternativen zur EU-Finanzierung zu erschließen“. Derartige Szenarien konnten mit dem Wahlergebnis vom Sonntag nun glücklicherweise abgewendet werden.

LREM muss sich neu erfinden

Nachdem die Regierungspartei von Emmanuel Macron beim ersten Wahlgang leicht unter den Prognosen abschnitt, konnte sie wie zu erwarten auch bei dieser zweiten Runde keine Erfolge geltend machen und erreichte mit 7 Prozent im nationalen Durchschnitt ein denkbar schlechtes Ergebnis. In den acht Regionen, in denen LREM ihre Liste beim zweiten Wahlgang überhaupt aufrecht erhielt, belegte die Partei höchstens den dritten Platz. Die Wahl sei eine „Schelte für die Demokratie und für unsere politische Partei“ so die Reaktion des LREM-Fraktionsvorsitzenden in der Assemblée Nationale, Christophe Castaners. Aller Voraussicht nach wird dieses Scheitern jedoch nicht zu einer umfassenden Regierungsumbildung führen, sondern lediglich einzelne Minister könnten Anfang Juli ausgetauscht werden. Offen ist allerdings, ob sich in der Führungsriege von LREM etwas tut und der in Kritik geratene Generalsekretär, Stanislas Guerini, das Feld räumen wird. Neben diesen personellen Fragen wird für LREM in den nächsten Monaten vermutlich wesentlich wichtiger werden, einen inhaltlich klar definierbaren Kern herauszuarbeiten und die Ausfaserung mit Blick auf die Vielzahl der anderen zentristischen Parteien (vor allem dem Mouvement Démocrate und Agir) einzuhegen, um geschlossen in den Präsidentschaftswahlkampf einzutreten. Man kann nur hoffen, dass die Sommerpause den einen oder anderen zu kreativen Ideen verhilft, die strategische Ausrichtung der Partei zu schärfen.

 

Jeanette Süß ist European Affairs Managerin im Regionalbüro „Europäischer Dialog“ der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in Brüssel.