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Eine Kolumne von Karl-Heinz Paqué

30 Jahre Srebrenica
Die Schande von Srebrenica

Vor 30 Jahren wurden 8.000 Bosniaken ermordet. Es war ein Völkermord – kaltblütig geplant und grausam ausgeführt. Er geschah unter den Augen von UN-Blauhelm-Truppen. Er wird noch heute geleugnet, trotz erdrückender Faktenlage.
Eine Frau trauert neben dem Grab ihres Verwandten, eines Opfers des Völkermordes von Srebrenica.

Eine Frau trauert neben dem Grab ihres Verwandten, eines Opfers des Völkermordes von Srebrenica.

© picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Armin Durgut

Der 11. Juli 1995 wird für immer im Gedächtnis Europas eingebrannt bleiben. In Srebrenica kam es zum größten Massaker seit Ende des Zweiten Weltkriegs. Soldaten der Armee der Republika Srpska und paramilitärischer Einheiten der Serben unter der Führung von Ratko Mladić ermordeten 8.000 Bosniaken, die meisten davon Männer. Die furchtbaren Ereignisse wurden in den späteren Gerichtsverfahren in Den Haag durch erdrückendes Beweismaterial belegt und können längst als gesichert gelten.

Zu Recht gilt das Massaker als ein moralischer Tiefpunkt der europäischen Nachkriegsgeschichte. Es wirkt bis heute nach. Neben der Grausamkeit der Tat sind zwei Gründe dafür verantwortlich:

  1. Das Massaker fand unter den Augen von mehr als 400 niederländischen UN-Blauhelm-Soldaten statt. Da diese nur leicht bewaffnet waren und keine Erlaubnis hatten, ihren Auftrag mit Gewalt durchzusetzen, verhielten sie sich weitgehend passiv. Die UN erwies sich damit als völlig außerstande, ihrer humanitären Aufgabe militärisch gerecht zu werden – ein geradezu tragischer Beweis für die Unfähigkeit, den hochtönenden moralischen Appellen und Worten konkrete praktische Taten folgen zu lassen. Dafür hat die niederländische Regierung die Nachfahren der Opfer 2022 um Verzeihung gebeten. Diese respektable Geste ändert aber nichts an der Machtlosigkeit der UN in Fragen des militärischen Einsatzes der internationalen Gemeinschaft. Auch heute noch ist die UN weit davon entfernt, ihre völkerrechtlich begründete Schutzverantwortung („responsibility to protect“) durchsetzen zu können.
     
  2. Das Massaker wird bis heute von Teilen der Weltöffentlichkeit in seinem genozidalen Charakter geleugnet bzw. heruntergespielt. Dies gilt in erster Linie für Politiker in Serbien und in Bosnien-Herzegowina. Es gehört dort zum üblichen Repertoire der politischen Rhetorik serbischer Nationalisten, die Ereignisse in ihrer Dimension und Qualität als eher „normalen“ Akt des Krieges bzw. der Rache darzustellen und den längst belegten planvollen Charakter der Operation zu bestreiten. Diese Haltung wird dabei noch international von Stimmen aus den rechtspopulistischen Lagern Europas unterstützt, genauso wie von einzelnen prominenten Intellektuellen wie dem österreichischen Schriftsteller Peter Handke, der 2019 mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet wurde. Er warb bei einer Fülle von Gelegenheiten für Verständnis für die Gräueltaten – und wurde dafür vom serbischen Staat mit Ehrungen überhäuft.  

30 Jahre danach muss die Schande von Srebrenica jeden demokratisch-liberalen Bürger Europas mit Trauer erfüllen. Und mit einem tiefen Mitgefühl für die Hinterbliebenen der Toten.

Karl-Heinz Paqué, S.E. Damir Arnaut, Botschafter von Bosnien und Herzegowina

Karl-Heinz Paqué, Vorstandsvorsitzender der Friedrich-Naumann-Stiftung, empfing S.E. Damir Arnaut, Botschafter von Bosnien und Herzegowina, anlässlich des 30. Jahrestags des Völkermords von Srebrenica.

© FNF

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