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Unabhängiger Journalismus
Unabhängiger Journalismus in Krisenzeiten

Herausforderungen, Verantwortung und Resilienz.
Unabhängiger Journalismus trotzt in Krisenzeiten Desinformation und Repression.
© picture alliance / ZB | Britta Pedersen

Die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit durfte vom 4. bis 6. Juli 2025 ein inspirierendes und wegweisendes Seminar in der FNF-Bildungsstätte ausrichten. Unter dem Titel „Unabhängiger Journalismus in Krisenzeiten: Herausforderungen, Verantwortung und Resilienz“ versammelte die Veranstaltung eine beeindruckende Riege von Medienschaffenden mit Expertise aus der ganzen Welt (Afghanistan, Aserbaidschan, Türkei, Mexiko, Polen, Ukraine, Belarus, Kirgistan, Russland und UK). Das Seminar war ein voller Erfolg und unterstrich die unverzichtbare Rolle des unabhängigen Journalismus in einer Zeit des sogenannten democratic backsliding.

Ein Kampfmittel gegen globale Bedrohungen

Angesichts der weltweit wachsenden Bedrohungen für demokratische Systeme und die Medienfreiheit – sei es durch Desinformation, Propaganda oder die Einschränkung von Menschenrechten und Transnational Repression – setzte dieses Seminar ein klares Zeichen. Es bot die dringend benötigte Plattform für gerade diejenigen Medienschaffenden, die in Kriegs- und Diktaturländern mutig für die Wahrheit eintreten und oft im europäischen Exil Zuflucht suchen müssen. In vor dem Zugriff neugieriger Dritter geschützten Räumen konnte somit ein sehr lebendiger Austausch stattfinden, wobei die intensive internationale Vernetzung im Mittelpunkt stand. Gemeinsam wurden Perspektiven für eine engere Zusammenarbeit zwischen Exil- und Lokaljournalisten sowie der Zivilgesellschaft entwickelt, um Medienfreiheit und Demokratie aktiv zu verteidigen.

Ein Programm voller Impulse und hochkarätiger Expertise

Das sorgfältig konzipierte Programm des Seminars bot eine Fülle von Einsichten und Diskussionsmöglichkeiten, welche die hohe Qualität der Veranstaltung widerspiegelten:

Nach herzlicher Begrüßung durch Martin Reif, Teresa Morrkopf-Widlok, Belma Bagdat und Peter Cichon von der Stiftung setzte Prof. Dr. Heiko Reusch von der Hochschule Macromedia den Auftakt. Sein kraftvoller Impulsvortrag zur Bedeutung des unabhängigen Journalismus für Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Politik stimmte die Teilnehmenden auf die Notwendigkeit ein, in jeder Zeit passende und innovative Lösungen zu finden. Die wichtigsten Herausforderungen des journalistischen Alltags wurden angesprochen, was auch dafür wichtig ist, um lauernde Risiken für liberale Gesellschaften rechtzeitig zu erkennen.  Der Wissenschaftler, der bis 2018 selbst Journalist war, verdeutlichte die komplexe Problematik zwischen neuer Medienrealität und verlorengegangenem Vertrauen in klassische Medien. Der harte Kampf in der heutigen Aufmerksamkeitsökonomie wurde ebenso thematisiert wie die Gefahren, die daraus entstehen, wenn der Journalismus zum lästigen Störgeräusch in den Ohren der Adressaten wird. Die Übersättigung mit meist negativen Nachrichten und wiederkehrenden Inhalten (Trump, Pandemie, Klima, Migration, Kriege), die uns auf Schritt und Tritt verfolgen, legt es nahe, dass ein gefährlicher Zustand aus Misstrauen, Überbelichtung und politischer Polarisierung resultierendem kollektiven Burnouts erreicht werden kann, und in Teilen der Bevölkerung bereits erreicht wurde. Viele Menschen weigern sich, faktenbasierte Nachrichten an sich heranzulassen. Alle Beteiligten aus Medien, Gesellschaft, Wirtschaft und Politik hätten es nötig, gegenüber Krisen resilienter zu werden. Die Hoffnung liegt wie immer bei der Jugend, die mit Foreign Information Manipulation and Interference (FIMI), der künstlichen Intelligenz (KI) und Algorithmen deutlich selbstbewusster umgeht und die nötigen Abwehr- und Schutzmechanismen entwickeln kann.

Der wissenschaftlich fundierte Impulsvortrag legte den Grundstein für die an den folgenden Tagen geführten produktiven Diskussionen, die allesamt der Überwindung von Herausforderungen und der Stärkung beziehungsweise besseren Wahrnehmung der eigenen Bedeutung im Kampf gegen Autoritarismus und Diktatur dienten.

Der zweite Seminartag war gefüllt mit dynamischen Panel-Diskussionen, die das Engagement und die Expertise der Teilnehmenden eindrucksvoll unter Beweis stellten:

  1. Journalismus vs. Desinformation: Eine Podiumsdiskussion mit renommierten Expertinnen von DW-Faktencheck, Correctiv und NewsGuard bot überzeugende Beispiele, wie der Journalismus den wachsenden Desinformationskampagnen begegnen und seine Glaubwürdigkeit stärken kann. Die offenen Diskussionen zeigten innovative Wege auf, um die Angriffe auf liberale Demokratien abzuwehren. Die Mobilisierung des Widerstandes gegen Feinde der Demokratie in der Gesellschaft kann belegbar aufgrund von gut kommunizierter innovativer Medienrecherche gelingen.
  2. Die Rolle des Lokaljournalismus: Es wurde deutlich, dass gerade von lokalen Medien ausgehend neue Ideen und Wirkungsfelder entstehen, die für eine starke Verankerung in der Gesellschaft entscheidend sind. Zugleich sind diese Ideen und deren Akzeptanz der beste Indikator für den Zustand der Medien und der jeweiligen Gesellschaft, denn allzu oft träumen die Journalisten in den Hauptstädten noch von der heilen Wohlstandswelt, während die Medienschaffenden in den Provinzen, wie beispielsweise im Falle Russlands, den nationalen Minderheiten angehörend, bereits unter Repressionen einer aufsteigenden Diktatur leiden müssen. Die Angst, die auch hier in Deutschland die lokalen Medienteams während der Berichterstattungsarbeit über Aktivitäten der AfD beziehungsweise Organisationen in ihrem Umfeld in Sachsen oder Thüringen begleitet, blieb nicht unerwähnt.
  3. Die Rolle der Exilmedien: Zwei inspirierende Sessions widmeten sich der vitalen Arbeit von Exilmedien. Experten und Expertinnen mit Expertise zur Türkei, Afghanistan, Aserbaidschan, Russland und im Exil lebende Medienschaffende in Deutschland teilten ihre einzigartigen Perspektiven. Die Diskussionen über die Verbindungen zum Heimatland, die Herausforderungen im Gastland und die Funktion der Exilmedien als Brückenbauer waren von unschätzbarem Wert. Aus Diskussionen auf und zu den beiden Panels wurde deutlich, dass sich gerade die Exil-Medienschaffenden aus Staaten, die Menschenrechte brechen, völkerrechtswidrig Kriege führen und Diktaturen fördern oder sind, nach der Flucht ihre Dialogbereitschaft, Reflektiertheit, ihr Verantwortungsbewusstsein und ihren Gerechtigkeitssinn nicht nur bewahren können, sondern diese Fähigkeiten sogar ausbauen. Sie tun es angesichts des Versagens von korrupten Eliten in der Heimat und diesen trotzend.
  4.  Das Kamingespräch - Berichterstattung in und aus einem Kriegsgebiet: Das tief bewegende abendliche Panel mit aus dem überfallenen und kämpfenden Land angereisten ukrainischen Medienschaffenden bot Einblicke in die ukrainische Berichterstattung unter Kriegsbedingungen. Die Leidenschaft und der unerschütterliche Kampfgeist der auftretenden Medienschaffenden waren zutiefst beeindruckend und zeigten die enorme Bedeutung ihrer Arbeit und Beharrlichkeit für den Zusammenhalt der Nation und die Freiheit Europas.

Am Sonntag, dem letzten Tag der Konferenz, ging es um Verantwortung und Resilienz als das Fundament der Zukunft. Bei dem Versuch, entscheidende ethische und strategische Fragen aus der Sicht der Medienschaffenden zu diskutieren, ging es um folgende Themen:

  • Verantwortungsvoller Journalismus - Kann ein Journalist auch Aktivist sein? Die Podiumsdiskussion regte zu einem fundamentalen Austausch über die Rolle von Neutralität und die Verantwortung von Medienschaffenden an. Es wurde konstruktiv erörtert, wie Medienschaffende, insbesondere im Exil, ihre Positionen definieren und welche Freiheiten sie in ihrer Berichterstattung beanspruchen können beziehungsweise sollen.
  • Resilienter Journalismus - was können wir von verfolgten Journalisten lernen? Den Abschluss bildete eine kraftvolle Podiumsdiskussion mit zwei Medienschaffenden im Exil, die beide bereits konkrete Verfolgung und Verhaftung erlebten. Ihre Erfahrungen und Einblicke in das Scheitern und den Aufbau von Resilienz gegen Autokratie und Diktatur waren zutiefst inspirierend. Es wurde deutlich, dass Exil- und Diaspora-Medien nicht nur Informationskanäle, sondern auch entscheidende Akteure im Kampf für demokratische Werte sind. Sie sind oft viel flexibler als die autokratischen Machthaber des Heimatlandes, schreiben und veröffentlichen Sachbücher auf Englisch, wenn es mit Zeitungsgründungen in der Wahlheimat nicht klappen mag, und haben Erfolg damit. Zugleich ist allen im Saal klar geworden, dass Medienschaffende auch nur verletzliche Menschen sind, die an ihre Kraftgrenzen stoßen können und in jeder Hinsicht Perspektiven und existenzsichernde Begleitung im Exil benötigen. Sie wissen am besten darüber zu informieren, dass die Regime in der Heimat, nicht nur der Grund ihrer Flucht sind, sondern ihre Angehörigen und Freunde, ihr zurückgelassenes Eigentum und sogar sie selbst im Exil durch Ausspionieren, Erpressung, Einschüchterung, Ergreifungs- beziehungsweise Vergiftungsversuche bedrohen können. Diese Regime tun es auch aus der Ferne, egal ob die Befehlsgeber in Moskau, Minsk, Peking oder in Teheran in einem Bunker sitzen.

Ein Erfolg, der Mut macht

Das Seminar "Unabhängiger Journalismus in Krisenzeiten" war ein großer Erfolg, der die Exzellenz und das Engagement der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Förderung der Medienfreiheit und Demokratie unterstrich. Die inspirierenden Beiträge der hochkarätigen Panelgäste und die aktive Beteiligung der Teilnehmenden schufen eine Atmosphäre des Vertrauens und der gemeinsamen Zielsetzung. Das Medien-Seminar hat nicht nur wichtige Erkenntnisse geliefert, sondern auch neue Kooperationen angestoßen, die für die Erhöhung der Resilienz-Fähigkeit der grenzübergreifenden unabhängigen Medienlandschaft nachhaltig sorgen können. Es war ein leuchtendes Beispiel dafür, wie durch Austausch, Vernetzung und geteilte Ideen eine Zukunftsvision gestaltet werden kann, in der Medienfreiheit und Demokratie erhalten und fortentwickelt werden können.

Für Medien darf es keinerlei Tabus geben, wenn es um die Verbreitungswege des Qualitätsjournalismus und um die Lösungsvorschläge für die Herausforderungen unserer Zeit geht. Sie dürfen sich nicht einschüchtern lassen und müssen in der Lage sein, mittels verifizierter Inhalte zu widersprechen, wenn Grund- und Menschenrechte, von Algorithmen und KI unterstützt, an den virtuellen Stammtischen in Frage gestellt werden. Alle Medien, ob zuhause oder im Exil, haben die Pflicht, Fakten und Ereignisse zu dokumentieren, damit der Rechtsstaat handeln kann oder muss, wenn Unrecht geschehen ist beziehungsweise geschieht, es zu diesem Zeitpunkt niemand merkt oder unterbinden kann. Doch auch der Journalismus braucht einen ständigen Austausch mit der Zivilgesellschaft und eine Verankerung in seinen Zielgruppen, um Vertrauen bei den Abnehmern seiner Produkte zu genießen.

Der breit angelegte Dialog schafft Vertrauen. Für diesen wollen wir geschützte Räume anbieten, und an der grenz- und kulturübergreifenden Dialogbereitschaft unter Medienexperten und -profis, im Exil, innerhalb von Diasporagruppen und daheim, weiter zur Stärkung und Verteidigung unserer gemeinsamen liberalen Werte mitwirken.

Wir danken allen Beteiligten für ihren unermüdlichen Einsatz und freuen uns auf die Fortsetzung dieser wichtigen Arbeit!