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75. Geburtstag
Manfred Richter – Von Bremerhaven in die Welt

Manfred Richter

Manfred Richter

Dass ein Berufspolitiker auf allen drei Ebenen der deutschen Staatlichkeit Verantwortung trägt und dann auch noch erfolgreich Liberale in aller Welt berät, ist außergewöhnlich. Es zeigt einen Menschen mit Herz und Verstand, mit Mut und Entschlossenheit. Manfred Richter feiert seinen 75. Geburtstag.

Richter ging in Bremerhaven zur Schule. Ein besonderes Jahr war für ihn 1958 – da war er gerade einmal zehn Jahre alt: In der Wochenzeitung „Die Zeit“ erzählte Richter 2019:

Elvis war nur 30 Minuten in Bremerhaven. Eine reale Bedeutung für die Stadt hatte er nicht, […] aber seine Ankunft stand symbolisch für eine Kultur, die es vorher in Deutschland so nicht gegeben hat: für den Rock 'n' Roll.“ […] „Richter, Anfang der Neunzigerjahre zeitweise parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, ist ein bodenständiger Kosmopolit – gemütlich im Gang und von scharfem Verstand, die Haare kurz und grau, die Brille randlos. […] Richter wuchs in Bremerhavens Amüsierviertel zwischen Rickmersstraße, Reuterplatz und dem späteren Rotlichtbezirk in der Lessingstraße auf. Er erzählt, wie damals in diesem quirligen Szenequartier immer neue Bars öffneten, aus denen Livemusik drang. In den Straßen begegneten sich Einheimische, Seemänner und Servicepersonal von den im Hafen liegenden Frachtern und Passagierdampfern der Reederei Norddeutscher Lloyd.“ Rund 35 Jahre später, Mitte der Neunzigerjahre, ließ Richter „zusammen mit dem Elvis-Freund Joe Esposito eine Gedenktafel am Kai zwischen Weser und Kreuzfahrterminal ein.“ „Die Seeleute und selbst die einfachen Soldaten lebten hier wie die Fürsten, sie konnten sich alles leisten“, sagt er. Richter erinnert sich, dass der Zeitgeist damals in Bremerhaven sehr international war, auch kulinarisch. Während in deutschen Wohnzimmern sonntags schwere Kost aufgetischt wurde, eröffnete in Richters Kiez schon in den Sechzigern ein chinesisches Restaurant. „Wir waren es gewohnt, dass Menschen aus der ganzen Welt, mit verschiedenstem Aussehen und Hautfarben, in Uniform oder auch in Zivil, bei uns vor der Tür entlangliefen. Für mich war das sogenannte Fremde nie irritierend.

Manfred Richter

Richter machte sein Abitur an einem Wirtschaftsgymnasium in Bremerhaven, bevor er 1967 ein Studium der an der Pädagogischen Hochschule Bremen aufnahm. Nach bestandenem Examen wurde er Lehrer und wirkte schließlich ab 1985 als Rektor der Pestalozzischule in Bremerhaven, an der er 18 Jahre zuvor Abiturient gewesen war. Mit seiner Frau Margret, die er 1973 geheiratet hat, wohnt er im südlichen Bremerhavener Stadtteil Wulsdorf.

Richter trat 1966 in die Freie Demokratische Partei ein, als sie sich bundespolitisch gerade in die außerparlamentarische Opposition verabschiedet hatte. Schon in relativ jungen Jahren engagierte er sich bei den Deutschen Jungdemokraten. Seine politische Karriere in der FDP begann rund ein Jahrzehnt später: 1978, als er stellvertretender Landesvorsitzender der FDP Bremen, 1980 Vorsitzender des Kreisverbands Bremerhaven und 1987 Vorsitzender der FDP Bremen wurde. Hier war er „Ein-Mann-Landesgruppen“-Chef „ohne eigene Truppen“, wie er später berichtete. Von 1979 bis 1983 und von 1987 bis 1999 gehörte er dem Bundesvorstand der FDP an. Er war außerdem parlamentarisch tätig: 1978 bis 1983 in der Bremischen Bürgerschaft, 1987 bis 1994 als Mitglied des Deutschen Bundestags und schließlich von 1990 bis 1994 als Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion. Der vom damals neuen Fraktionsvorsitzenden Hermann Otto Solms vorgeschlagene Richter verstand sich als „Drahtzieher“, der überdies auch die maritimen Interessen Bremens im Verkehrsausschuss vertrat. Für das internationale Seerecht, das Schifffahrtswesen und die Werften schlug Richters Herz. Wirtschaftsminister Martin Bangemann soll einmal gesagt haben: „Wenn ich Sie sehe, fallen mir immer die Werften ein.“ Der Bonner Generalanzeiger charakterisierte ihn als eine „Mischung aus Vollblutpolitiker und gewissenhaftem Lehrer, theologisch nachdenklichem Reformierten.“

Neben der Bundespolitik blieb Richter auch im Land Bremen stets präsent. Eine Bremer Erfindung ist die „Ampel-Koalition“: Unter seiner Mitwirkung als Landesvorsitzender kam sie in der Freien und Hansestadt im Dezember 1991 zustande. Das war zu einer Zeit, als er im Deutschen Bundestag für den Ausbau des deutschen Verkehrsnetzes nach der Einheit eintrat, um damit Bremens Hafen zu stärken.

Richters größter politischer Erfolg ereignete sich aber ohne Zweifel nicht in Bonn, sondern in seiner Heimatstadt: die Wahl zum hauptamtlichen Oberbürgermeister der Stadt Bremerhaven im Jahr 1995. Richter wurde durchaus überraschend und wegen einer zerstrittenen SPD gewählt. Er werde – so prophezeite der Bonner Generalanzeiger, sicher „kein bequemer Zaunkönig“ im Senat sein. 1999 musste der auf acht Jahre Berufene aus gesundheitlichen Gründen sein Amt vorzeitig aufgeben. In den 2000er Jahren war er mehrfach als Wahlkampfleiter in Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Brandenburg im Einsatz.

2003 wurde er in den Vorstand der Friedrich-Naumann-Stiftung gewählt und übte hier über zwei Jahrzehnte das Amt des Schatzmeisters aus, gelassen, humorvoll und souverän, aber auch klug, präzise und, wenn es sein musste, mit der nötigen Härte.

Durch seine Zeit als Präsident der Deutschen Gruppe von Liberal International interessierte er sich von jeher für die Auslandsarbeit der Stiftung. Deshalb war er in diesen Jahren auch immer wieder als Vorstandsmitglied im Ausland unterwegs, um die dortigen Stiftungsbüros zu besuchen, Ratschläge zu geben und Workshops durchzuführen. Richter war stets ein Pragmatiker und ein Praktiker zugleich: hilfsbereit, aber auch fordernd und fördernd.