EN

Trump Twittering

Der Stil des amerikanischen Präsidenten hat langfristig Folgen für die Freiheit. Keine guten.

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Inhalt ergänzt. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen.

So lautet der Tweet von Donald Trump, mit dem er am 11. April 2018 einen amerikanischen Raketenangriff auf Syrien ankündigte - als Reaktion auf den Einsatz von Giftgas gegen das eigene Volk von Präsident Assad. Der Tweet erhielt am ersten Tag fast 160.000 Likes und rund 64.000 Retweets. Er gibt Professor Paqué, stellv. Vorsitzender unserer Stiftung, Anlass zum Nachdenken - über den Kollateralschaden von Trump Twittering.

Um es vorweg klar zu sagen: Es folgt kein Plädoyer für blasse, langweilige, wohlerzogene politische Kommunikation. Der Verfasser versteht sich weder als Polit-Gouvernante noch als Sittenwächter. Er liebt die klare schnörkellose Ausdrucksweise und durchaus auch mal die kraftvolle Übertreibung bis hin zum gelegentlichen rustikalen Schlagabtausch. Und er hat sich in der Beobachtung des amerikanischen Präsidenten längst daran gewöhnt, dass Donald Trump die üblichen Normen zivilisierter Kommunikation für sich, sagen wir es vorsichtig, sehr weit auslegt - und dies allemal, wenn er twittert.

Mit Trumps Tweet zu einem bevorstehenden Raketenangriff auf Syrien ist aber in dieser Woche eine neue Qualität erreicht worden. Warum? Es geht hier, wenn nicht juristisch so doch faktisch, um die Ankündigung einer konkreten Kriegshandlung. Sie mag mit Blick auf die Vorgeschichte moralisch gerechtfertigt sein - es ist ja die Reaktion auf eine schwerste Verletzung des Völkerrechts, ein grausamer Massenmord am eigenen Volk. Auch Frankreich und Großbritannien haben angekündigt, eine Vergeltungsaktion gegenüber Assad militärisch zu unterstützen, Deutschland bietet politische Rückendeckung an - alle tun es in normaler, würdiger, diplomatisch geschliffener Sprache.

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Inhalt ergänzt. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen.

Nicht so Trump. Er zeigt Vladimir Putin, dem russischen Protektor Syriens, mit dem Verweis auf "nice, new and smart missiles" zynisch grinsend eine lange Nase. Wer so redet, das spürt man, dem fehlt vielleicht auch jene letzte Beißhemmung, die nötig ist, um bei weitreichenden Entscheidungen von historischer Bedeutung wirklich alles auszuloten, um politische Lösungen zu finden und Krieg zu vermeiden. Als Europäer erschaudert man - und erinnert sich an Christopher Clarks Buch "The Sleepwalkers", in dem der Ausbruch des Ersten Weltkriegs als ein fast zufälliges Ereignis dargestellt wird, hervorgebracht von einer Generation von Machtpolitikern, die schlafwandelnd in die Katastrophe stolperten. Dazu passt übrigens, dass Trump zwei Tage später seine Aussage auf Twitter halb zurücknimmt oder zumindest terminlich in Frage stellt - mit den Worten: "Never said when an attack on Syria would take place. Could be very soon or not so soon at all! ...". Politische Kommunikation wie ein Hipster, so beobachtet treffend Ulf Poschardt in DIE WELT. Präsident Trump als eine Art Wilhelm II: emotional, empfindlich, erratisch - und beim Volk beliebt.

Nun wiederholt sich die Geschichte nicht, hoffen wir es jedenfalls. Aber auch ohne Kriegseskalation ist der Kollateralschaden von Trumps Rhetorik auf lange Sicht enorm. Er betrifft sein eigenes Land, Amerika, und die zentrale Botschaft, für die Amerika wie keine zweite Nation der Welt steht: die Freiheit. Denn der Kampf für die Freiheit verlangt eine verantwortungsvolle globale Haltung und Rhetorik - in Fragen des internationalen Handels und der Sicherung des Friedens. Was die Handelspolitik betrifft, verdient Trump wenigstens das Prädikat eines cleveren Tricksers, dem es durchaus gelungen ist, China mit seinem kritikwürdigen Staatskapitalismus in eine schwierige Position zu bringen und die westlichen Länder mit Sonderbehandlungen auseinanderzutreiben. Mit konsistentem Kampf für die Freiheit hat dies allerdings wenig zu tun.

Beim Thema Syrien ist die Interessenlage aber eine gänzlich andere - und für die USA viel schwieriger. Für Putin gibt es bei der Unterstützung des Assad-Regimes kein Zurück mehr. Diese ist längst zum zentralen Baustein der rücksichtslosen russischen Nahost-Politik geworden, koste es, was es wolle. Das ist zynische und teuer, aber zu Hause populäre Machtpolitik; sie erlaubt Putin, gegenüber Trumps Beschimpfungen eine demonstrative Gelassenheit zu zeigen - nach dem Motto: Lasst ihn doch twittern, den Prahlhans, er weiß selbst nicht, was er tut. Damit gewinnt das Tauziehen einen merkwürdig theatralischen Charakter, und dies zu Lasten von Trump: Er wird in den Augen der Zuschauer zum enttfesselten Agressor, Putin zum Verteidiger der Vernunft. Dass Putin dabei Assads Giftgaseinsatz legitimiert, tritt in den Hintergrund. Vor allem das europäische Publikum, gewöhnt an gediegene diplomatische Umgangsformen, könnte dies so sehen. Es wird Emmanuel Macron und Theresa May schwerfallen, durch kluge Wortwahl und Symbolik diesen Eindruck zu verwischen, denn Frankreich und Großbritannien spielen im Spiel nur Nebenrollen - politisch und militärisch durchaus bedeutend, aber publizistisch wenig beachtet.

Die Welt schaut eben vor allem auf Trump und Putin. Und in deren Kampf hat Trumps Getwitter schon einen enormen Kollateralschaden hinterlassen, egal wie der Syrienkonflikt zwischen Amerika und Russland ausgeht. Der "leader of the free world" Donald Trump übernimmt die Rolle des zynischen Angreifers, der Liebling der Populisten und Autokraten, Vladimir Putin, die des klugen Staatsmanns. Schlimmer hätte es kommunikativ nicht kommen können für die Verteidigung des Völkerrechts und der Freiheit - thanks to Trump Twittering!