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Portugal
Nach dem Aufschwung ist vor dem Abschwung – auch in Portugal

Ergebnisse der Parlamentswahl in Portugal
Der portugiesische Premierminister Antonio Costa hält eine Rede während einer Kundgebung in Lissabon.
Der portugiesische Premierminister Antonio Costa hält eine Rede während einer Kundgebung in Lissabon. © picture alliance / NurPhoto

 

10,7 Millionen Portugiesen wählten am Sonntag ein neues Parlament. Trotz des Wirtschaftsaufschwungs steht die neugewählte Regierung vor großen Herausforderungen. Die Ergebnisse der Wahl analysiert unser Portugal-Experte David Henneberger im Interview. 

Wie haben die einzelnen Parteien bei der Wahl abgeschnitten? Wie steht es um die Liberalen in Portugal? 

Wie erwartet haben Ministerpräsident Antonio Costa und seine sozialdemokratische PS (Partido Socialista - Sozialistische Partei) angesichts eines stetigen Wirtschaftswachtums in den vergangenen Jahren und einer positiven Grundstimmung im Land die Wahlen gewonnen: Sie kommen auf 36,6 Prozent der Sitze, während die bürgerlich-konservative Konkurrenz PSD (Partido Social Demócrata – Sozialdemokratische Partei ihr schlechtestes Ergebnis seit über 30 Jahren verzeichnete und auf nur noch 28 Prozent der Stimmen kommt. Anders als bisher würde Costa bereits ein Partner genügen; bislang regiert er in einer Minderheitsregierung mit unorthodoxer Unterstützung der Kommunistischen Partei und dem linken Block, die 6,4 bzw. 9,7 Prozent erzielten.  

Die liberale Kleinpartei Iniciativa Liberal (Liberale Initiative) hat erstmalig an landesweiten Wahlen teilgenommen und ein Abgeordnetenmandat errungen, bleibt jedoch mit 1,3% der Stimmen bislang noch eine Randerscheinung. Das liberal-bürgerliche Lager wird traditionell auch durch die PSD abgedeckt und gesellschaftspolitisch ist der Mainstream progressiv. So sind die Voraussetzungen für Liberale, sich parteipolitisch eigenständig zu etablieren, alles andere als einfach. 


Wie ist das Wahlergebnis zu interpretieren? Gab es Überraschungen?

Der Zugewinn der PS um ca. 4 Prozentpunkte im Vergleich zur letzten Wahl vor vier Jahren spiegelt das Empfinden im Land gut wider: Nach schwierigen Zeiten nach der Wirtschafts- und Finanzkrise hat sich Optimismus ausgebreitet. Große Überraschungen hat es keine gegeben. Die klassischen grünen Werten nahestehende Partei PAN (Pessoas, Animais, Natureza  - Menschen,Tiere, Natur) kann nun vier Abgeordnete stellen und durch das Fehlen einer formalen Prozenthürde muss nun auch Portugal mit einem rechtspopulistischen Abgeordneten der Partei Chega („Es reicht“) leben. Zwischenzeitlich hatte man in Costas Lager sogar die Hoffnung, die absolute Mehrheit zu erreichen, doch dafür hat es nicht gereicht.


Welche Regierungskonstellationen sind möglich?

Premierminister Costa strebt offenbar eine Fortsetzung der Minderheitsregierung mit Unterstützung der bisherigen Partner an – durch die Zugewinne der PS reicht nun aber bereits eine Enthaltung des linken Blocks und der kommunistischen Partei. Einfach dürfte die Zusammenarbeit nicht werden: Die Kommunisten haben bereits einen Maßnahmenkatalog zur Bedingung für die Unterstützung in den kommenden Jahren gemacht – darunter die Rücknahme der Arbeitsmarktreformen, die neben der EU auch der Internationale Währungsfond als Teil der Strukturreformen im Gegenzug für ein Rettungspaket im Jahr 2011 angemahnt hatte. Bereits bei weiteren Reformen der Arbeitsgesetzgebung verließen Costa in der Vergangenheit seine Partner, er war hier auf die Unterstützung der PSD angewiesen.


Vor welchen zentralen Herausforderungen steht die neugewählte Regierung?

Durch den Aufschwung der vergangenen Jahre sind die Immobilienpreise und die Mieten in die Höhe geschossen, auch fehlt es an Fachkräften. Die Regierung hat deshalb bereits in der Vergangenheit Steuererleichterungen und eine Rückkehrerprämie von bis zu 6.500 Euro ausgelobt, um Portugiesen, die es in den Krisenjahren ins Ausland verschlagen hatte, zurückzulocken. Auch das Gesundheitssystem ist aufgrund des Sparkurses der letzten Jahre am Ende seiner Leistungsfähigkeit angelangt. Es wird in den kommenden Jahren also darum gehen, den Aufschwung sozialverträglich zu konsolidieren, ohne dem mit dem Verweis auf die notwendige Haushaltsdisziplin in Schach gehalten linken Klientelismus erneut zu viel Raum zu geben. Wenn die beachtlichen haushalts- und wirtschaftlichen Erfolge der Costa-Regierung nachhaltig sein sollen, muss es um eine behutsame Anpassung der Sozial- und Transferleistungen gehen. Denn nach dem Aufschwung ist bekanntlich vor dem Abschwung – auch in Portugal.