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#jetztschreibenwir

Zum Internationalen Tag der Pressefreiheit
DPA

Führende Journalisten der Partnerorganisation Malaysiakini zu Besuch bei dpa, Berlin 2017

© Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit

Die schlechte Nachricht: Die Arbeit unabhängiger Journalisten und Medien wird weltweit immer schwieriger. In der Türkei und in Russland ist unabhängiger Journalismus fast unmöglich. Selbst in der EU kann investigativer Journalismus mittlerweile lebensgefährlich sein - wie die Ermordungen von Journalisten in Malta und der Slowakei zuletzt gezeigt haben. In Österreich droht die Regierungspartei FPÖ „nicht korrekten“ und damit unliebsamen Journalisten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mit Entlassung.

Die Friedrich-Naumann- Stiftung für die Freiheit verstärkt vor diesem Hintergrund ihr weltweites Engagement für unabhängigen Journalismus. Internationale Auszeichnungen für Projekte der Stiftung und ihrer Partner in diesem Bereich sind die positive Nachricht des Tages und weiterer Ansporn. Zum Internationalen Tag der Pressefreiheit stellen wir drei ausgezeichnete Projekte aus dem In- und Ausland vor.

#jetztschreibenwir

So lautete am 15. Oktober 2016 der Titel der Ausgabe des „Tagesspiegel“ in Berlin, die von geflüchteten Journalisten aus Syrien, Iran, Pakistan, Afghanistan und anderen Ländern gestaltet und geschrieben wurde. Die Ausgabe wurde jetzt mit dem European Newspaper Award in der Kategorie „special edition“ ausgezeichnet, die Preisverleihung findet im Mai in Wien statt. Die Zeitungsausgabe ist Teil eines Kooperationsprojektes des Internationalen Journalisten – und Mediendialogprogramms der Friedrich-Naumann Stiftung mit dem „Tagesspiegel“ und mittlerweile der Robert Bosch Stiftung.
Ziel ist die Weiterbildung der geflüchteten Journalisten, damit sie auf dem deutschen Medienmarkt Fuß fassen können. Denn sie sollen selbst zu Wort kommen anstatt dass überwiegend deutsche Journalisten über Geflüchtete schreiben.

Tagesspiegel

Der Tagesspiegel mit dem Titel: #jetztschreibenwir

© Tagesspiegel

"Wir wählen Freiheit"

Am 8. September 2017 kurz vor der Bundestagswahl erschien eine Beilage im „Tagesspiegel“ unter dem Titel „Wir wählen Freiheit“. Das Projekt wird ergänzt durch öffentliche Veranstaltungen in der „Diwan“-Reihe, in der Exil-Journalisten mit deutschen Kollegen und dem Publikum diskutieren – zuletzt die Chefredakteurin der Flüchtlingszeitung „Abwab, Souad Abbas, mit dem stellvertretenden Chefredakteur der „Zeit“, Bernd Ulrich über das Thema Heimat.

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Eine App für mehr Freiheit

Im Ausland ist die Arbeit unabhängiger Journalisten oft ungleich schwieriger. Umso mehr freuen wir uns, dass unser langjähriger Partner in Malaysia, die führende unabhängige Online-Nachrichtenplattform Malaysiakini, gerade gleich mit zwei innovativen Projekten in die Shortlist der Data Journalism Awards des Global Editor Networks aufgenommen wurde.

Die von Malaysiakini entwickelte App “Undi Power” wurde in die Shortlist des “News Data App of the Year Award” ausgewählt – neben Projekten des Wall Street Journal oder der Financial Times.
Das interaktive Online-Tool zeigt den Nutzern, wieviel Gewicht ihre Stimme bei Parlamentswahlen hat – je nachdem in welchem Wahlbezirk sie leben. Damit soll vor den am 9. Mai angesetzten Parlamentswahlen in spielerischer Form auf die ungerechten Zuschnitte von Wahlkreisen aufmerksam gemacht werden. Mit diesem Vorgehen sichert sich die Regierungskoalition absolute Mehrheiten im Parlament. 2013 konnte sie dank geschickter Zuschnitte der Wahlkreise 60 Prozent der Parlamentssitze gewinnen bei nur 47 Prozent der Wählerstimmen. Die App „Undi-Power“ klärt auf spielerische Weise über diesen politischen Missstand auf. Das Projekt wurde von der Friedrich Naumann Stiftung für die Freiheit finanziert und unterstützt. Bei der am 31. Mai in Lissabon geplanten Preisverleihung ist es zudem für den Zuschauerpreis nominiert.

Auswertung der Todesfälle in Polizeigewahrsam 

Daneben ist Malaysiakinis Online-Projekt “Tod in Polizeigewahrsam” in die Shortlist des “Investigation of the Year Awards” aufgenommen worden. Konkurrenten in der Kategorie der besten "datenbasierten Recherche eines Themas von öffentlichem Interesse“ sind unter anderem die kanadische „Globe and Mail“ sowie der amerikanische „Guardian“.
In dem Projekt wurden Daten zu Todesfällen in Polizeigewahrsam ausgewertet mit dem Ergebnis, dass über Opfer malaiischer ethnischer Zugehörigkeit in den Medien kaum berichtet wird. In dem interaktiven Teil werden Nutzer zudem über ihre Rechte in Polizeigewahrsam aufgeklärt.

Die Regierung schränkt die Presse- und Medienfreiheit in Malaysia durch Kontrolle von Fernsehen, Radio und Printmedien ein. Malaysiakini ist das größte Online-Medium außerhalb der Regierungskontrolle und erreicht mit seinen kostenpflichtigen unabhängigen Inhalten in vier Sprachen mehr als 2,3 Millionen täglich. Die Friedrich Naumann Stiftung kooperiert mit Malaysiakini seit dessen Gründung 1999. Das Medienunternehmen wird immer wieder angegriffen und vor Gericht gebracht: Zuletzt wurde eine Geldstrafe von 90.000 US-Dollar verhängt wegen angeblicher Verleumdung im Zuge der Berichterstattung über die Gesundheitsrisiken für Anwohner von Aluminiumerzminen.

In Deutschland und der Welt für die Pressefreiheit

Die Pressefreiheit bildet eines der essentiellsten Grundlagen unserer Demokratie. Die weltweite Verschlechterung der Lage der Pressefreiheit dürfen wir daher nicht einfach hinnehmen – insbesondere dann wenn sie in demokratischen Staaten auftritt. Ein Land wie Deutschland kann hier seine diplomatischen und ökonomischen Einflussmöglichkeiten geltend machen und wirklich etwas zum Besseren wenden. Dies wird aber nicht nur in fernen Ländern, sondern insbesondere bei unseren direkten Nachbarn in der EU notwendig werden. Denn auch die Pressefreiheit bildet eines unserer europäischen Grundwerte, wie sie in Art. 2 EUV als Teil von Demokratie und Menschenrechten genannt ist. Gerät die Pressefreiheit bei unseren EU-Nachbarn unter Druck, kommt unsere gesamte europäische Wertegemeinschaft ins Wanken. Im Bereich der Rechtsstaatsfragen ist das gegenwärtig bereits im Fall Polens und Ungarns zu beobachten, deren Mitgliedschaftsrechte suspendiert werden könnten. Auch und vor allem im Bereich der Pressefreiheit muss einer ähnlichen Entwicklung frühzeitiger und noch entschlossener entgegen getreten werden.

Andrea Nüsse leitet das Internationale Journalisten- und Mediendialogprogramm der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit.

Moritz Kleine-Brockhoff leitet das Büro der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in Jakarta.