US-Zölle
Riesige Risiken

Donald Trumps Zollpolitik bringt die USA wirtschaftlich ins Wanken.
© picture alliance / ASSOCIATED PRESS | UncreditedDer Monat, in dem der Abstieg der Vereinigten Staaten begann: So könnte eines Tages der April 2025 in die Wirtschafts- und Finanzgeschichte eingehen. Am 2. April verkündete nämlich Donald Trump die Einführung eines umfassenden Systems von hohen differenzierten Zöllen gegenüber dem Rest der Welt – grob gestaffelt nach der Höhe des bilateralen Defizits in der amerikanischen Handelsbilanz gegenüber dem jeweiligen Handelspartnerland.
Zerstörung durch Zölle

Mit drastischen Zöllen stellt Trump die Welthandelsordnung auf den Kopf. Die EU muss klug reagieren – entschlossen, aber besonnen. Doch die Weltwirtschaft könnte ihren eigenen Weg finden, auch ohne die USA.
Daraufhin brachen die Aktienkurse in den USA ein – logisch, denn viele amerikanische Firmen sind in globale Wertschöpfungsketten eingebunden, so dass die Zölle ihrem Kapitalwert schaden. Paradebeispiel dafür ist NIKE, der Hersteller von Sportartikeln, der arbeitsintensive Zwischenstufen seiner Produktion längst nach Vietnam verlagert hat und ohne diese mit seinen Sportschuhen auf dem Weltmarkt nicht wettbewerbsfähig wäre. Importe aus Vietnam belegt aber Trump jetzt mit einem Zoll von sage und schreibe 46 (!) Prozent des Warenwerts.
Fast gleichzeitig brachen – und das ist noch viel dramatischer – die Kurswerte amerikanischer Staatsanleihen mit 10- und 30-jähriger Laufzeit ein, und dies bei stark sinkendem Dollarkurs. Damit stiegen auch die langfristigen Zinsen auf Staatskredite scharf an, in der Spitze bis auf 4,8 Prozent pro Jahr, rund ein voller Prozentpunkt höher als noch in jüngster Zeit. Die USA verlieren also massiv an Bonität. Warum? Die Antwort liegt auf der Hand: mehr Protektion heißt mehr Inflation, und mehr Inflation heißt höhere Zinsen sowie weniger reales Wachstum und damit weniger Steuereinnahmen. Das alles heißt: steigende Lasten für den staatlichen Kapitaldienst, und der ist in den USA schon heute in absoluten Zahlen der größte der Welt. Immerhin hat das Land eine Schuldenquote von über 120 Prozent, das Volumen der ausstehenden Staatsschuld übersteigt also deutlich das jährliche Bruttoinlandsprodukt (BIP) – und dies in der größten Volkswirtschaft der Welt mit einem BIP von fast 30 Billionen US-Dollar. Der laufende Bedarf an Refinanzierung an den globalen Kapitalmärkten ist also gigantisch – und damit auch die potenzielle Zusatzbelastung für den Staat.
Es braucht da nicht viel Fantasie, um sich das Horrorbild einer amerikanischen Finanzkrise an die Wand zu malen. Dies gilt umso mehr, als dass China, der geopolitische Hauptadressat der Zölle, die im globalen Vergleich höchsten Bestände an amerikanischen Staatsanleihen gehortet hat, und zwar gerade weil das Land seine im Handel mit den USA erwirtschafteten Überschüsse – staatlich gelenkt – über zwei Jahrzehnte vor allem in genau diesen Staatsanleihen anlegte. China sitzt somit im Handelsstreit an einem gewaltigen Hebel.
Eine extrem labile Lage! Sie erinnert fatal an die Finanzkrise 2007/8, die damals von den USA ihren Anfang nahm – wegen eines riesigen Volumens von faulen Wohnungsbaukrediten, den die langjährige Niedrigzinspolitik der USA hinterließ und die sich über „mortgage backed securities“ über die Welt verteilten. Sie schwappte schnell auf die globalen Kapitalmärkte über und führte in den hochentwickelten Volkswirtschaften zu dramatischen Rettungsaktionen der Staaten und Zentralbanken, die noch heute nachwirken. Donald Trump spielt also nicht nur für die USA, sondern auch für die Welt mit dem Feuer: Wenn einmal das Vertrauen in die größte Volkswirtschaft der Welt schwindet, ist ein Flächenbrand kaum zu verhindern – mit verheerenden Folgen.
Übrigens sind heutzutage die Waffen zur Bekämpfung einer Weltfinanzkrise sehr viel stumpfer als vor eineinhalb Jahrzehnten. In allen großen Industrieländern außer Deutschland liegt heute schon die Schuldenquote wie in den USA deutlich über 100 Prozent. Und dank der geplanten kreditfinanzierten Politik der CDU/SPD-Koalition unter Friedrich Merz bewegt sich auch Deutschland von der bisherigen 60-Prozent-Marke perspektivisch in großen Schritten auf rund 90 Prozent zu. Das Vertrauen in Regierungen und Zentralbanken als Retter in der Not („lender of last resort“) ist deshalb schon heute stärker unterhöhlt, als seit ganz langer Zeit. Dies gilt umso mehr, als politisch das transatlantische Verhältnis – eben dank Trump – derzeit ziemlich zerrüttet ist.
Kurzum: Wir steuern auf riesige Risiken zu, die größten seit Jahrzehnten. Man kann nur hoffen, dass im Weißen Haus bald wieder etwas mehr Vernunft einkehrt. Geschieht dies nicht, sieht es zu Ostern 2025 am wirtschaftlichen Horizont düster aus.