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Afghanistan
"Deutschland wird weiter an der Seite des afghanischen Volkes stehen"

FNF Poster Afghanistan event
FNF South Asia Twitter poster. © FNF South Asia

Der längste und aufwendigste Auslandseinsatz in der Geschichte der Bundeswehr geht zu Ende. Fast zwei Jahrzehnte nach dem Beginn der Mission am Hindukusch sollen in den kommenden Monaten sämtliche deutsche Soldaten Afghanistan verlassen. Deutschland folgt damit den USA und anderen Nato-Verbündeten, die ihre Truppen ebenfalls aus dem Land abziehen wollen – pünktlich bis zum 20. Jahrestag der Terroranschläge vom 11. September, die den Auslöser für den Einsatz gegen die damals herrschenden Taliban gaben.

Für Afghanistan ist der Abzug der ausländischen Streitkräfte eine Zäsur – mitten in einer Phase zunehmender Gewalt. In der Veranstaltung "Peace for Afghanistan!?" der Friedrich-Naumann-Stiftung sprachen Ende Mai Politiker und Vertreter der Zivilgesellschaft über die Zukunft des 40-Millionen-Einwohner-Landes – und die Frage, wie nach jahrzehntelangen bewaffneten Auseinandersetzungen Frieden möglich ist.

Mohammad Khalid Ramizy erinnerte in der Diskussionsveranstaltung daran, wie alltäglich Gewalt in seiner Heimat ist. Der Chef der liberalen Denkfabrik Afghanistan Economic and Legal Studies Organization (AELSO) verwies auf den Terroranschlag auf eine Mädchenschule im Westen der Hauptstadt Kabul, bei dem vor wenigen Wochen Dutzende Menschen getötet worden waren. "Das war ein extrem tragischer Vorfall", sagte er. "Aber leider erleben wir solche Vorfälle so gut wie jeden Tag." Die Menschenrechtslage verschlimmere sich täglich.

Anschläge durch Extremisten haben in dem Krisenland in den vergangenen Monaten deutlich zugenommen. Beobachter befürchten, dass sich die Sicherheitslage nach dem Abzug der internationalen Truppen weiter verschlechtern könnte und die radikalislamischen Taliban einen gewaltsamen Machtwechsel erzwingen könnten. "Für die deutsche Öffentlichkeit stellt sich die Frage, ob die afghanischen Verteidigungskräfte die Sicherheit in ihrem Land eigenständig aufrechterhalten können", sagte der Bundestagsabgeordnete Dr. Marcus Faber, der für die FDP im Verteidigungsausschuss sitzt.

 

"Für die deutsche Öffentlichkeit stellt sich die Frage, ob die afghanischen Verteidigungskräfte die Sicherheit in ihrem Land eigenständig aufrechterhalten können"

Marcus Faber
Dr. Marcus Faber, Bundestagsabgeordnete, FDP

Faber verwies zugleich auch auf Fortschritte, die in Afghanistan in den vergangenen zwei Jahrzehnten erzielt worden waren. Die Zahl der Gesundheitseinrichtungen sei von 500 auf 3000 gestiegen, die Zahl der Schüler von einer Million auf neun Millionen. Auch die Infrastruktur wie beispielsweise das Elektrizitätsnetz seien heute deutlich stabiler. Es gehe nun darum, Rahmenbedingungen zu schaffen, unter denen Entwicklungs- und Infrastrukturprojekte weiter möglich seien. Die deutsche Erwartung sei eine nationale Einheitsregierung, die alle bedeutenden Kräfte im Land zusammenbringe.

Abdullah Khenjani, stellvertretender Minister im afghanischen Friedensministerium, betonte die Schwierigkeiten in den Verhandlungen mit den Taliban. "Frieden braucht Zugeständnisse", sagte er. Die Regierung ist aus seiner Sicht bereits stark auf die Taliban zugegangen. Bereitschaft zu Kompromissen vermisst Khenjani jedoch auf der anderen Seite. "Keine Verhandlung kann funktionieren, wenn sich nur eine Seite bewegt."

Die Friedensverhandlungen zwischen der Regierung in Kabul und den Taliban waren zuletzt ins Stocken geraten. Gleichzeitig weiteten die Islamisten ihre Angriffe aus und brachten weitere Teile des Landes unter ihre Kontrolle. AELSO-Chef Ramizy warnte vor einem Scheitern des Friedensprozesses. Seine Heimat drohe in diesem Fall die demokratischen Errungenschaften der vergangenen Jahrzehnte wieder zu verlieren. Zudem seien eine Zunahme der Menschenrechtsverletzungen und wirtschaftliche Verwerfungen zu erwarten.

Die Gefahr einer Destabilisierung des Landes wird nach Meinung von Imtiaz Gul, dem Chef des Centers for Research & Security Studies in Islamabad, durch geopolitische Spannungen verstärkt. Neben den Nachbarländern Pakistan und Iran komme auch der Regierung in Peking eine wachsende Bedeutung zu: "China versucht in Afghanistan das Vakuum durch den Abzug der USA zu füllen", sagte Gul. Die externen Einflüsse könnten es den Afghanen sehr schwer machen, einen Weg aus dem aktuellen Konflikt zu finden.

Der Bundestagsabgeordnete Faber unterstrich, dass der Abzug der Bundeswehr-Soldaten nicht bedeute, dass Deutschland Afghanistan mit den künftigen Herausforderungen allein lasse. "Das deutsche Engagement wird nicht aufhören. Deutschland wird weiter an der Seite des afghanischen Volkes stehen", sagte er. "Wir haben so viel Zeit, Geld und Mühen investiert – wir wollen wirklich Afghanistans Erfolg sehen."