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BRICS-GIPFEL IN RIO
Der Globale Süden ringt um Einfluss – und gerät ins Visier von Donald Trump

BRICS

Die BRICS sind nach mehreren Erweiterungen so groß wie nie. Ein kohärenter Gegenblock zum Westen sind sie bisher aber noch nicht. Doch Druck aus den USA könnte moderate Mitglieder verschrecken.

Der große Auftritt der aufstrebenden Länder des globalen Südens fiel am Ende doch etwas unspektakulärer aus als ursprünglich geplant: Zwar trafen sich die Mitglieder der Staatengruppe BRICS Anfang des Monats in der brasilianischen Metropole Rio de Janeiro zum ersten Gipfel seit ihrer jüngsten Erweiterung, nach der sie nun rund die Hälfte der Weltbevölkerung repräsentieren. Doch zwei der bekanntesten Führungspersönlichkeiten der BRICS fehlten: Der russische Präsident Wladimir Putin, der wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen in der Ukraine per internationalem Haftbefehl gesucht wird, verzichtete ebenso auf eine Anreise wie Chinas Staatschef Xi Jinping. Dieser hatte seit seinem Amtsantritt im Jahr 2012 zuvor an jedem Gipfel der Staatengruppe teilgenommen.

Auch der Iran, der den BRICS seit 2024 angehört, schickte anstelle seines Präsidenten lediglich seinen Außenminister zu dem Treffen nach Brasilien. Israelische und amerikanische Militärschläge hatten nur kurz zuvor das Regime in Teheran hart erschüttert. Die Aufgabe, die Staatengruppe inmitten der Vielzahl an geopolitischen Krisen zu positionieren, fiel damit in erster Linie dem Gastgeber, Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva, und Indiens Regierungschef Narendra Modi zu, der den Vorsitz der Gruppe im kommenden Jahr übernimmt.

Ihre Ausgangslage war alles andere als einfach. Die BRICS sind ein äußerst heterogener Zusammenschluss, dessen Mitglieder höchst unterschiedliche Interessen verfolgen. Auf der einen Seite wollen autoritäre Regime wie China und Russland die Organisation zu einem antiwestlichen Bündnis formen. Auf der anderen Seite stehen Demokratien wie Indien, Brasilien und Südafrika, die in der Gruppe primär eine Bühne sehen, um mehr internationalen Einfluss für den globalen Süden einzufordern. Neue Mitglieder wie Indonesien, Ägypten und Äthiopien erhoffen sich vor allem neue Marktchancen und einen leichteren Zugang zu Finanzmitteln.

Verkompliziert wurde das Treffen zusätzlich durch Äußerungen von US-Präsident Donald Trump, der die Zwiespältigkeit der BRICS ignorierte und der Organisation zum Gipfelauftakt pauschal "antiamerikanische Politik" vorwarf. Er drohte den Mitgliedern und Partnerländern deshalb mit Strafzöllen von zehn Prozent.

Dass trotz des massiven externen Drucks und der internen Spannungen am Ende des Gipfels eine ausführliche Abschlusserklärung im Konsens verabschiedet wurde, können die Veranstalter als keineswegs selbstverständlichen Erfolg werten. In der 31 Seiten langen Rio-de-Janeiro-Erklärung schlagen die BRICS einen weiten Bogen: Auf der Forderungsliste stehen eine Reform des UN-Sicherheitsrats, die mehr Einfluss für Indien und Brasilien bringen soll, genauso wie mehr Mitspracherechte für Schwellen- und Entwicklungsländer in multilateralen Institutionen wie der Weltbank und dem Internationalen Währungsfonds. Zudem verlangen die BRICS verstärkte Klimahilfen der Industrieländer und pochen auf einen fairen Zugang des globalen Südens zu Künstlicher Intelligenz.

Gleichzeitig positionieren sich die Staaten zu internationalen Streitthemen und geopolitischen Krisen: Offensichtlich mit Blick auf Trumps Handelspolitik kritisieren sie die "willkürliche Erhöhung von Zöllen" und mit Blick auf die EU "Protektionismus unter dem Deckmantel von Umweltzielen". Die Militärschläge gegen den Iran verurteilen sie ebenso wie den im April verübten Terrorangriff im von Indien kontrollierten Teil Kaschmirs. Im Gazakonflikt rufen sie zu einer Waffenruhe auf und sprechen sich – trotz Irans Widerstand – für eine Zwei-Staaten-Lösung aus.

Auch der Krieg zwischen Russland und der Ukraine kommt zur Sprache. Konkret verurteilen die BRICS-Länder aber lediglich Angriffe auf russische Infrastruktur und zivile Opfer in dem Land. Kritik an Russland, das den Krieg mit seinem Einmarsch in der Ukraine begonnen hat und fortlaufend zivile Ziele in dem Land attackiert, fehlt in dem Dokument jedoch vollständig. Die BRICS müssen sich mit Blick darauf zurecht den Vorwurf gefallen lassen, ihren selbst deklarierten Einsatz für Frieden und Stabilität nur entlang eigener nationaler Interessen zu entfalten.

Dennoch müssen Europa und Amerika wohl nicht befürchten, dass sich die BRICS auf absehbare Zeit zu einer einheitlichen Front gegen den Westen zusammenschließen. Vor allem Indien, das seine Sicherheitspartnerschaft mit den USA in den vergangenen Jahren deutlich ausgebaut hat, stemmt sich gegen die Bildung eines Gegenblocks. Ambitionen zu einer sogenannten Entdollarisierung ihrer Wirtschaft und der Schaffung einer neuen BRICS-Währung lehnt die Regierung in Neu-Delhi etwa strikt ab – auch wegen der Sorge, dass eine Dollar-Alternative zu sehr von China dominiert werden könnte.

Stattdessen nutzt Indien das BRICS-Forum auch für Kritik an der Regierung in Peking: In Rio de Janeiro mahnte Modi den Schutz der Lieferketten wichtiger Rohstoffe an und sagte offenbar in Anspielung auf Chinas Begrenzung von Seltenen-Erden-Exporten: "Es muss sichergestellt werden, dass kein Land diese Ressourcen für seinen eigenen Vorteil oder als Waffe gegen andere nutzt." Modi argumentiert damit auch im Sinne des Westens, der China ebenfalls vorwirft, seine Dominanz bei kritischen Mineralien als Druckmittel einzusetzen.

Trumps pauschale Drohungen gegen die BRICS-Staaten könnten sich damit auch für Amerikas Eigeninteressen als Fehler herausstellen: Sollte er die Kosten einer Mitgliedschaft durch Strafzölle tatsächlich signifikant erheben, könnte er moderate Staaten wie Indien zum Rückzug zwingen – in Delhi wird bereits jetzt diskutiert, ob die Beteiligung an den BRICS angesichts der strategischen Rivalität mit China für das Land wirklich noch sinnvoll sei. Doch ein Ausscheiden Indiens und gleichgesinnter Länder würde die BRICS dann wohl tatsächlich zu dem Antiwestbündnis machen, vor dem sich Trump offenbar sorgt.

Eine womöglich bessere Strategie im Umgang mit der Gruppe wäre es, die nachvollziehbaren Forderungen der Schwellen- und Entwicklungsländer etwa nach mehr Mitsprache in internationalen Organisationen ernstzunehmen. Dies könnte jene Kräfte in der Organisation stärken, die sich für eine konstruktive Zusammenarbeit einsetzen und eine weitere Polarisierung der Weltordnung verhindern.