Freiheit im Wandel
Wie Millennials und Gen Z Jordaniens Zukunft neu gestalten
In Jordanien wie auch in der gesamten MENA-Region rücken zwei Generationen zunehmend in den Mittelpunkt – in einer Welt, die von neuen Erwartungen und rasantem Wandel geprägt ist. Die Millennials, grob zwischen 1981 und 1996 geboren, traten in den Arbeitsmarkt ein, als die digitale Revolution an Schwung gewann und globale Institutionen das gesellschaftliche Leben vor Ort in vielerlei Hinsicht prägten. Die Generation Z (Gen Z) – bestehend aus den Jahrgängen 1997 bis 2010 – wuchs hingegen mit dem Internet, sozialen Medien und dem Bewusstsein auf, dass Wandel die einzige Konstante ist.
Beide Generationen teilen denselben Wunsch nach Freiheit: die Freiheit, selbst zu entscheiden, was sie studieren, wie sie arbeiten und wie sie am gesellschaftlichen Leben teilnehmen möchten. Doch die Wege, über die sie diese Freiheit verfolgen, unterscheiden sich – und gerade im jordanischen Kontext sind diese Unterschiede entscheidend für die Zukunft von Arbeit, Bildung und Demokratie.
Arbeit: Vom Eckbüro zur digitalen Plattform
Für Millennials war ein stabiler Job im öffentlichen Sektor oder in einer angesehenen privaten Institution oft ein erstrebenswertes berufliches Ziel. Für die Generation Z dagegen gewinnt Flexibilität im Beruf zunehmend an Bedeutung. Weltweit zeigt sich das in der Zunahme von Freelancing-Plattformen. Dies geschieht in Jordanien jedoch vor dem Hintergrund großer struktureller Probleme im Arbeitsmarkt.
Einige Zahlen hierzu:
• Die Jugendarbeitslosigkeit ist sehr hoch: Schätzungen für die Altersgruppe 15–24 liegen seit Jahren bei 41–47 %. (MacroTrends)
• Die Erwerbsbeteiligung junger Menschen bleibt niedrig: Die Beschäftigungsquote junger Männer (15–24) liegt bei nur etwa 22,5 %. (Trading Economics)
• Digitale Plattformen: Eine Erhebung zeigte, dass 73,6 % der Erwerbstätigen auf digitalen Plattformen in Jordanien unter 35 Jahre alt sind; 86,7 % besitzen einen Hochschulabschluss. (Jordan Times)
Das bedeutet: Junge Jordanier – besonders Gen Z – wenden sich häufig ab von starren Strukturen und hin zu nicht-traditionellen Arbeitsformen (digital, freiberuflich, projektbasiert). Die Freiheit scheint greifbar: arbeiten, wie man möchte, das eigene Leben selbst gestalten. Doch die Realität ist oft geprägt von unsicheren Jobs, befristeten Praktika, projektbezogenen Einkünften und einer großen Lücke zwischen Erwartungen und Realität.
Was das für Freiheit und Demokratie bedeutet
Freiheit bedeutet nicht nur die Abwesenheit von Zwang – sie verlangt reale Chancen. Wenn große Teile der Jugend keinen stabilen Arbeitsplatz finden, wird ihre Freiheit zu wählen, zu planen und teilzunehmen eingeschränkt.
Programme, die jungen Menschen digitale Fähigkeiten, Orientierung im Freelancing, rechtliche Grundkenntnisse und Netzwerke vermitteln, können diese Lücke schließen – und stehen in enger Verbindung zu liberalen Werten von Eigenverantwortung und individueller Handlungsfreiheit.
Bildung und Übergänge: Die Brücke zwischen Studium und Arbeitswelt
Sowohl Millennials als auch die Generation Z erkennen, dass Bildung nicht mit dem Studienabschluss endet. Lebenslanges Lernen, digitale Weiterqualifikation und flexible Karrierewege gehören selbstverständlich dazu. Doch in Jordanien ist der Übergang von Bildung zu Arbeit lang und unsicher.
Wichtige Erkenntnisse aus Jordanien:
• Ein Bericht der ILO zeigt, dass junge Menschen in Jordanien drei Jahre oder länger brauchen, um von der Ausbildung in eine stabile Beschäftigung zu wechseln. (UN DESA)
• UNICEF fand heraus, dass viele junge Jordanier zwar gut ausgebildet sind, aber kaum Jobs finden, die ihren Ambitionen entsprechen – was finanzielle Unabhängigkeit, Heirat und Familiengründung verzögert. (UNICEF).
Gen Z tritt mit hohen Erwartungen (digitale Kompetenz, globale Orientierung, kreatives Arbeiten) in einen Arbeitsmarkt ein, der noch immer von strukturellen Hindernissen geprägt ist – darunter Geschlechterungleichheit, geringe Erwerbsbeteiligung und eine Kluft zwischen Ausbildung und Arbeitsmarkt. Millennials hingegen haben bereits begonnen, sich anzupassen, umzusteigen oder eigene Wege zu schaffen.
Implikationen für liberale Demokratieprogramme
Bildung schafft nur dann Freiheit, wenn sie zu Ergebnissen führt – Arbeit, gesellschaftliche Teilhabe, Selbstbestimmung.
Lern- und Qualifizierungsprogramme sollten daher nicht nur fachliche Fähigkeiten vermitteln, sondern auch zivilbürgerliche Kompetenzen: Medienkompetenz, digitale Rechte, unternehmerisches Denken in offenen Gesellschaften.
Besonderer Fokus sollte in Jordanien auf junge Frauen, Flüchtlinge und marginalisierte Gruppen gelegt werden, da sie vor besonders großen Hürden stehen.
Gesellschaftliches Leben und digitale Selbstdarstellung: Zwei Generationen, ein demokratischer Horizont
Beide Generationen leben in einer Ära schneller Veränderungen und unmittelbarer digitaler Vernetzung. Immer mehr junge Menschen nutzen digitale Kommunikationsmittel. Mit der Nutzung steigt auch die Erwartung nach mehr Transparenz, mehr Mitgestaltung, mehr Freiheit zur Meinungsäußerung.
Doch ihre Methoden unterscheiden sich:
• Millennials setzen eher auf Reformen: innerhalb von Institutionen arbeiten, Erfahrung sammeln, Veränderungen schrittweise anstoßen.
• Die Generation Z setzt stärker auf Disruption: Authentizität, Identitätsausdruck, neue digitale Plattformen, unternehmerisches oder projektbasiertes Engagement.
In Jordanien werden digitale freie Arbeit, Online-Aktivismus und Start-up-Ideen zu Wegen, wie junge Menschen Freiheit zu ihren eigenen Bedingungen definieren.
Diese Dynamik steht im Einklang mit liberal-demokratischen Werten: Menschen als freie Individuen, unterstützt durch Institutionen, die Rechte schützen und Beteiligung fördern. Doch diese Werte können nur gelebt werden, wenn strukturelle Voraussetzungen bestehen: gute Arbeit, faire Chancen, Bildung, die Türen öffnet statt nur Zertifikate verteilt.
Was getan werden sollte: Praktische Schritte im jordanischen/MENA-Kontext
• Hybridprogramme aus Training + Bürgersinn: Qualifizierungsprogramme sollten berufliche Kompetenzen mit Modulen zu Rechten, Medienkompetenz und demokratischer Teilhabe verbinden.
• Digitale und freiberufliche Wirtschaft unterstützen: Junge Freelancer brauchen Wissen über Verträge, Steuern und soziale Absicherung, damit Selbstständigkeit echte Freiheit bietet – nicht Unsicherheit.
• Die Übergangsphase verkürzen: Praxisorientierte Ausbildungsprogramme, wie sie u.a. die ILO in Jordanien umsetzt, verkürzen den Einstieg in den Arbeitsmarkt.
• Inklusion fördern: Junge Frauen, wirtschaftlich inaktive Jugendliche und Flüchtlinge müssen aktiv einbezogen werden.
• Unternehmerische Bürgerbeteiligung stärken: Jugendgeführte Initiativen, digitale Projekte oder soziale Start-ups verbinden wirtschaftliche Freiheit mit gesellschaftlicher Beteiligung.
Ein Dialog der Generationen – kein Graben
Millennials und Gen Z sind in in Jordanien nicht einfach durch ihr Alter getrennt – sie sind durch ein gemeinsames Ziel vereint: Freiheit. Millennials haben die Grundlagen gelegt; die Generation Z gestaltet sie neu. Beide verdienen Unterstützung, die ihre Realität anerkennt und ihr Potenzial stärkt.
Wenn Freiheit eine Reise ist, dann beginnt sie für Jordaniens junge Generationen mit Arbeit, wächst durch Bildung und entfaltet sich im öffentlichen Leben. Je schneller strukturelle Hindernisse abgebaut werden, desto freier können sie diesen Weg gehen – als selbstbestimmte Menschen, verantwortungsvolle Bürgerinnen und Bürger und als Innovatoren in einer Region im Wandel.