Auslandsakademie 2025
Hitze, Vielfalt, neue Perspektiven: Abschluss der Auslandsakademie in Marokko
Unser letzter Tag der Auslandsakademie 2025 in Marokko begann mit einem sehr leckeren Frühstück inmitten vieler grüner Pflanzen des Hotelinnenhofs. Da wir aufgrund begrenzter Kapazitäten ausnahmsweise in zwei verschiedenen Unterkünften übernachtet hatten, freuten wir uns besonders darauf, uns am Frühstückstisch wieder zu begegnen und die Erlebnisse der letzten Tage gemeinsam Revue passieren zu lassen.
Es war mit über 44 Grad der heißeste Tag der gesamten Reise, weshalb wir die pralle Sonne konsequent mieden und jeden noch so kleinen Schattenplatz genossen.
Gestärkt und bereit für den letzten Tag unserer Reise starteten wir eine Führung über das kulturelle Erbe der Stadt Marrakesch. Die Führung begann mit Wahrzeichen von Marrakesch, der beeindruckenden Koutoubia-Moschee. Sie wurde bereits im 12. Jahrhundert erbaut und gehört zu den ältesten Moscheen des Landes. Zwar ist der Zutritt für Nichtmuslime nicht gestattet, doch schon der Anblick von außen ist beeindruckend. Besonders das 77 Meter hohe Minarett, das fast von überall in der Stadt sichtbar ist, prägt das Stadtbild. Die Moschee besteht größtenteils aus Stampflehm und ist mit vielen kunstvollen Dekorationen versehen. Anders als viele andere Moscheen in Marokko steht sie frei in einem gepflegten Palmengarten. Sie bietet Platz für etwa 25.000 Gläubige und wird am Abend stimmungsvoll beleuchtet. Der Innenraum ist schlicht gestaltet, um nicht vom Gebet abzulenken. Im Innenhof befinden sich Wasserbecken, die für die rituellen Waschungen genutzt werden.
Von dort führte uns der Weg weiter zum historischen Palais El Badiî, dessen Bau Ende des 16. Jahrhunderts begann und rund 25 Jahre dauerte. Einst ein Symbol des Reichtums und der Macht, sind heute nur noch eindrucksvolle Ruinen erhalten. Besonders genossen haben wir die kühle Erfrischung im unterirdischen Labyrinth, das uns ein wenig Erholung von der Hitze bot.
Der anschließende Spaziergang durch die belebte Medina brachte uns unerwarteterweise zu einem deutschsprachigen Gewürzhändler. Dieser führte uns zwar charmant und humorvoll durch ein intensives “Gewürz-Smelling-Erlebnis”, gleichwohl wurde schnell deutlich, dass es ihm vor allem darum ging, uns möglichst viele seiner Tees und Gewürze zu verkaufen.
Nach etwa vier Stunden in der marokkanischen Hitze endete unsere Führung, die uns zum Schluss quer durch die Medina geführt hatte. Anschließend gönnten wir uns eine wohlverdiente Mittagspause. Einige von uns nutzten die Gelegenheit für einen kurzen, erfrischenden Sprung in den Pool auf der Dachterrasse unseres Riads.
Der Höhepunkt des Tages folgte am Nachmittag. Während wir zuvor auf unsere teils tiefgehenden und kritischen Fragen oft diplomatische Antworten erhalten hatten, trafen wir nun auf eine Gesprächsperson der NGO ROOTS LAB AFRICA, die uns auf beeindruckend offene Weise begegnete.
ROOTS LAB AFRICA ist eine queer-feministische, gemeinschaftsgeleitete Initiative mit Fokus auf LGBTIQ+-Themen in Zentral- und Südmarokko. In einem eindrucksvollen Austausch gewährte uns die Gesprächsperson stellvertretend für die queere Community in Marokko tiefere Einblicke in die Lebensrealitäten und rechtlichen Herausforderungen, mit denen LGBTIQ+-Personen dort konfrontiert sind.
Besonders eindrücklich waren die persönlichen Erfahrungen, die sie mit uns teilte, und die Offenheit, mit der sie auf unsere Fragen einging. Das half uns, die komplexen gesellschaftlichen und rechtlichen Gegebenheiten deutlich besser zu verstehen.
Ein zentrales Thema unseres Austauschs waren die Artikel 489 und 490 des marokkanischen Strafgesetzbuches, die gleichgeschlechtliche sowie außereheliche sexuelle Beziehungen unter Strafe stellen. Ihre Ursprünge reichen direkt auf das französische Kolonialrecht zurück, das während des Protektorats (1912–1956) eingeführt und auch nach der Unabhängigkeit weitgehend übernommen wurde.
Spannend ist dabei, dass bis heute viele Menschen die Ursache dieser Gesetze eher im islamischen Glauben verorten, dabei wurden sie in ihrer konkreten Form erst im Zuge der Kolonialisierung eingeführt. Das verschleiert oft die koloniale Prägung des marokkanischen Rechtssystems und führt zu einer Vermischung von religiösen und juristisch-politischen Argumentationen. Während konservative Auslegungen des Islam gewisse Normen in Bezug auf Sexualität vertreten, ist es entscheidend zu erkennen, dass es die koloniale Gesetzgebung war, die diese Normen in kodifiziertes Strafrecht überführte und damit den Übergang von moralischen Vorstellungen zu staatlicher Repression vollzog.
Die Gesprächsperson von ROOTS LAB AFRICA antwortete auf Nachfrage sogar, dass sie für sich selbst keinen Widerspruch zwischen ihrem Glauben und ihrer queeren Identität sieht. Der bewegende und persönliche Dialog bei marokkanischem Tee machte deutlich, wie individuell und vielschichtig solche Auseinandersetzungen erlebt werden.
Unsere Akademie rundeten wir mit einer intensiven, abschließenden Gesprächsrunde ab. Dabei reflektierten wir gemeinsam über zentrale Themen der Woche, wie kulturelle Unterschiede im Umgang mit Kindern oder die Rolle ritualisierter Kommunikation bei unseren Besuchen bei NGOs und im Parlament. Auch Diskussionen über Geschlechterrollen und die Diskrepanz zwischen gesetzlicher Lage und gesellschaftlicher Praxis in Marokko regten uns zum Nachdenken an.
Unser letzter gemeinsamer Abend führte uns anschließend zu einem leckeren Abendessen, bei dem wir ausnahmsweise ausschließlich unter uns waren. Hier nutzten wir die Gelegenheit für eine Evaluationsrunde, in der jeder von uns seinen Dank für die aufwendige Organisation der Reise aussprach, seine persönlichen Highlights teilte und auch Verbesserungsvorschläge für zukünftige Auslandsakademien anmerkte. Das Fazit war eindeutig: Die Reise war intensiv, lehrreich und beeindruckend, auch wenn wir uns gelegentlich etwas weniger Programm und mehr gemeinsame Freizeit gewünscht hätten.
Mit dem Abschluss des letzten Programmpunktes unserer Auslandsakademie machten sich die ersten bereits auf den Weg zum Flughafen, während andere in ihre Unterkünfte zurückkehrten. Zurück bleibt eine Reise voller neuer Erkenntnisse, intensiver Begegnungen und unvergesslicher Momente, die uns noch lange begleiten werden.